Eine Frage des Zeitpunkts: Coach Ole Werner über den Umgang mit Werder-Talenten

Fabio Chiarodia hat kürzlich sein Startelf-Debüt für Werder Bremen gefeiert, andere Talente werden dagegen noch länger auf ihre Chance warten müssen. Trainer Ole Werner erklärt seinen Umgang mit den jungen Spielern.
Bremen – Ole Werner steht unter großem Druck. Und zwar ständig. Das ist quasi im Anforderungsprofil seiner beruflichen Tätigkeit festgeschrieben. Als einer von insgesamt 18 Bundesligatrainern muss sich auch der Chefcoach des SV Werder Bremen Woche für Woche für Woche an Ergebnissen messen lassen, denn unter dem Strich sind sie es, die zählen. Eine Art letzte Wahrheit, entscheidend für den Erfolg oder Misserfolg eines Vereins – und damit eben auch für die Jobaussichten eines Trainers. Woraus sich im Grunde direkt dessen Kernaufgabe ergibt, nämlich stets die bestmögliche Mannschaft auf den Rasen zu schicken. Ole Werners einzige Aufgabe bei Werder ist das allerdings nicht.
Vielmehr ist der 34-Jährige in letzter Instanz auch dafür verantwortlich, junge, hoch veranlagte, aber eben noch sehr unerfahrene Spieler – kurz: Talente – in sein Team einzubauen und möglichst zu gestandenen Profis zu entwickeln. Gerade für einen finanziell nicht eben auf Rosen gebetteten Club wie Werder Bremen ist das essenziell. Ohne jedes sportliche Risiko geht es angesichts des erwähnten Ergebnisdrucks aber nie. Wenige Tage nach dem Startelf-Debüt des erst 17-jährigen Fabio Chiarodia hat Ole Werner nun erklärt, wie er diese Herausforderung gemeinsam mit seinem Trainerteam händelt.
Fabio Chiarodia überzeugt bei Werder Bremen - aber andere Talente müssen weiter auf die Bundesliga warten
„Bei Spielern, die noch so jung sind wie Fabio, musst du den richtigen Zeitpunkt erwischen, an dem du ihnen die Möglichkeit gibst“, sagte der Trainer des SV Werder Bremen, dem im Falle von Chiarodia die angespannte Personallage den letzten Schubs gegeben hatte. Weil vor dem Spiel in Gladbach gleich mehrere Alternativen für die Innenverteidigung krank oder verletzt ausfielen, schlug plötzlich die Stunde des jungen Italieners, der seine Sache gut machen sollte. „Ein Teil der Wahrheit ist, dass uns sehr viele Spieler nicht zur Verfügung standen“, sagte Werner, betonte aber zugleich: „Trotzdem hätte es noch andere Optionen gegeben.“ Bei Fabio Chiarodia habe er aber das Gefühl gehabt, „dass er den Erwartungen, die losgelöst vom Alter an einen Bundesligaspieler gestellt werden, gerecht werden kann“. Enttäuscht wurde Werner nicht. „Er hat uns mit dem Spiel das Gefühl gegeben, dass er seine Leistung bringen kann“, hielt der Chefcoach fest. Und weiter: „Wenn man nicht gewusst hätte, dass er erst 17 Jahre alt ist, hätte man es auf der Tribüne auch nicht gemerkt. Er ist durch diesen Einsatz im Konkurrenzkampf angekommen.“ Dass Werner nach diesem positiven Beispiel in den kommenden Wochen nun vermehrt andere Talente ins kalte Wasser wirft, ist aber sehr unwahrscheinlich.
Linksverteidiger Tim-Justin Dietrich (20), Mittelfeldspieler Dikeni Salifou (19) oder Offensivkraft Tom Berger (21) – es gibt durchaus weitere spannende Namen, die sich schon seit geraumer Zeit im Bremer Profitraining tummeln, dort auch schon Pluspunkte gesammelt haben. So weit wie Fabio Chiarodia sind sie in Werders Wahrnehmung aber noch nicht. Anders formuliert: Die Personalnot müsste schon ganz arg werden, dass ihnen demnächst die Bundesliga-Startelf winkt. Einen behutsamen Aufbau über Profitraining sowie Spielpraxis mit der U23 (Regionalliga) sieht der Club für dieses Trio aktuell als den besten Weg an. Werner weiß schließlich auch, dass so ein Bundesliga-Debüt für einen jungen Spieler auch unschöne Nachwehen haben kann, sollte der Zeitpunkt dafür nicht richtig gewählt sein.
Werder Bremen-Trainer Ole Werner über Talente: „Wenn zwei Spieler gleich gut sind, spielt der jüngere“
„Wenn du einen Spieler reinwirfst und es funktioniert nicht, dann wird auch schnell mal die Schublade aufgemacht von einigen, die so einen Spieler bewerten und beobachten“, sagte der Trainer und spielte damit auf mögliche Negativ-Kritiken von Umfeld und Medien an. Davor möchte Ole Werner seine Spieler so gut es geht schützen, „und deshalb ist es wichtig, dass man sie in dem Moment reinwirft, in dem sie auch die Möglichkeit haben, zu bestehen“. Was freilich auch für das Team und damit für das Gesamtkonstrukt Werder Bremen enorm wichtig ist. „Über allem steht der mannschaftliche Erfolg und der Erfolg des Vereins, weil es uns auch nichts bringt, die jüngsten Spieler aufzustellen, aber im nächsten Jahr wieder in der 2. Liga zu spielen“, sagte Werner.
Ob Fabio Chiarodia auch im kommenden Bundesligaspiel gegen die TSG Hoffenheim (Sonntag, 2. April, 17.30 Uhr/DeichStube-Liveticker) wieder in Werder Bremens Anfangsformation steht, darf bezweifelt werden. Schließlich dürften mehrere etablierte Kräfte bis dahin wieder fit sein. Andererseits kann der junge Italiener in Zukunft durchaus auf ein kleines Sternchen hinter seinem Namen hoffen, sollte es tatsächlich einmal zu Härtefallentscheidungen kommen. „Am Ende ist es Profisport, und im Profisport spielen die besten Spieler“, betonte Werner, ehe er anfügte: „Und wenn zwei Spieler gleich gut sind, spielt der jüngere.“ Etwas ausführlicher erklärt: „In dem Moment, wo sich Spieler mit der Perspektive auf große Entwicklungssprünge auf Augenhöhe mit Spielern bewegen, die vielleicht nur noch kleine Entwicklungsschritte machen, werden wir uns für jüngere Spieler entscheiden.“ (dco)