Von außen betrachtet hatte das allerdings gar nicht so schlecht ausgesehen. „Wir haben eine ordentliche Leistung gezeigt, es gut wegverteidigt und die Dortmunder lange vor Rätsel gestellt“, urteilte auch Clemens Fritz als Werders Leiter Profifußball. Nach einem schwachen Start spielte Werder Bremen Mitte der zweiten Halbzeit „auf Augenhöhe“ (Werner). Die 42.100 Zuschauer im ausverkauften Wohninvest Weserstadion sahen eine schnelle und intensive Partie. Jens Stage sorgte mit einem Volleyschuss für Arbeit für BVB-Keeper Gregor Kobel und Hoffnung auf den Rängen. Die Ostkurve war an diesem Nachmittag extrem laut. Alle wünschten sich ganz offensichtlich eine Wiederholung des Hinspiel-Coups mit dieser unglaublichen Aufholjagd. So wurde auch eine spektakuläre Rettungsaktion von Niklas Stark gegen Emre Can bei einem gefährlichen Dortmunder Konter frenetisch gefeiert (23.). Und in der 37. Minute hatten die Werder-Fans sogar schon den Torschrei auf den Lippen, doch Füllkrug setzte seinen Kopfball als Aufsetzer über das Tor. Es passte zu seinem engagierten, aber irgendwie auch unglücklichen Auftritt.
Dazwischen hatten sich die Dortmunder extrem über Schiedsrichter Dr. Felix Brych aufgeregt. Der Unparteiische verzichtete nach einem folgenreichen Foul von Leonardo Bittencourt an Youssoufa Moukoko auf die fällige Gelbe Karte. Der Dortmunder musste kurz darauf verletzt ausgewechselt werden.
Für Bittencourt war die Partie dann in der Pause beendet – wegen Adduktorenproblemen und der Gefahr eines Platzverweises, wie Ole Werner später erklärte. Er brachte Niklas Schmidt, der gut funktionieren sollte. Doch erst mal waren wieder die Dortmunder am Zug und in dieser Phase klar überlegen. Werder Bremen konnte sich bei Jiri Pavlenka bedanken, der gegen Marco Reus (46.) und vor allem Jude Bellingham (49.) grandios parierte. Doch das war plötzlich nebensächlich, als Dortmunds Nico Schlotterbeck den auf dem Flügel durchgebrochenen Mitchell Weiser abräumte – und zwar per Kopfstoß (53.). Dass Schiedsrichter Brych in dieser Szene auf Einwurf entschied, verstand niemand. Unglaublich, dass Weiser nach langer Behandlungszeit und mit Verband für die blutende Kopfwunde weitermachen konnte. Umso bitterer, dass er später mit einer Sprunggelenksverletzung nach einem weiteren Luftkampf mit Schlotterbeck nur in Begleitung vom Platz humpeln konnte (78.) und nicht mehr zurückkehrte.
Da lag Werder Bremen bereits zurück. Der eingewechselte Jamie Bynoe-Gittens hatte Borussia Dortmund in Führung geschossen (67.). „Wir haben ein sehr unnötiges 0:1 bekommen, wo wir einfach viel zu passiv verteidigen, wo wir eine relativ klare Überzahlsituation im Zentrum haben, den Gegner anders stellen müssen“, monierte Ole Werner. Weil Werder dann offensiver spielen musste, hätten sich mehr Räume für die Dortmunder ergeben: „Die haben sie mit ihrer Qualität auch genutzt.“ Ausgerechnet Julian Brandt, der aus Bremen stammt, erhöhte auf 2:0 (85.). Dazwischen hätte Marvin Ducksch für Spannung sorgen können, er beförderte die Kugel aber über den Kasten. Insgesamt fehlte Werder trotz der erwähnenswerten Spielfreude eines Niklas Schmidt die Durchschlagskraft. „Wir haben wahnsinnig viele Bälle sehr schnell wieder verloren. Es gab auch viele Momente, in denen wir uns gut durchspielen, aber dann im letzten Drittel nicht so sauber sind, wo wir dann ein bisschen Tempo verlieren – oder beim Ball nach außen dann nicht mehr mit der höchsten Geschwindigkeit gespielt haben“, analysierte Werner.
Mit dieser Einschätzung war er dann gar nicht mehr so weit weg von Niclas Füllkrugs Kritik, der ein schlechtes Spiel seiner Mannschaft gesehen hatte. „Es war zumindest nicht gut genug, um gegen Dortmund zu gewinnen. Dann kann man natürlich damit auch unzufrieden sein. Aber es ist eben auch so, dass da sehr viel Qualität auf der anderen Seite steht - und da musst du eine absolute Top-Leistung bringen. Und die haben wir über 90 Minuten gesehen nicht gebracht und deswegen haben wir auch verdient verloren“, so Ole Werner. Der Coach wollte sich einfach nicht zu sehr ärgern, genauso wenig wie die meisten anderen Grün-Weißen. Denn Werder Bremen steht in der Tabelle als Aufsteiger auf Platz neun immer noch sehr gut da.
Der Vorsprung auf den Relegationsplatz beträgt weiterhin beruhigende zehn Punkte. „Da müssen wir uns keine Sorgen machen“, meinte Winter-Neuzugang Maximilian Philipp, der seine Werder-Premiere gefeiert hatte, und lieferte eine Begründung gleich mit: „Wir müssen noch Punkte holen, aber das werden wir auch tun. Mit unserer Spielweise und so, wie die Jungs ticken, das Maximale herauszuholen, wird das klappen.“ Nächste Woche dürfte das aber mindestens genauso schwierig werden, dann geht es für Werder Bremen gegen den nächsten Champions-League-Achtelfinalisten: Eintracht Frankfurt. (kni)