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„Das war schon extrem“: Werder-Kapitän Marco Friedl im Interview über seinen Umgang mit Kritik und Hass in den Sozialen Medien

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Von: Daniel Cottäus

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Marco Friedl spricht als Kapitän des SV Werder Bremen im DeichStube-Interview über seinen Umgang mit Kritik und den Hass in den Sozialen Medien.
Marco Friedl spricht als Kapitän des SV Werder Bremen im DeichStube-Interview über seinen Umgang mit Kritik und den Hass in den Sozialen Medien. © gumzmedia

Marco Friedl ist seit dieser Saison Kapitän des SV Werder Bremen und damit einer der Führungsspieler der Grün-Weißen. Im Interview mit der DeichStube spricht der 25-Jährige über seinen Umgang mit Kritik an der Mannschaft und Hasskommentare in Sozialen Medien.

Bremen – Für Marco Friedl und seine Kollegen ist es Alltag, gehört es fest zum Berufsleben dazu: Als Profifußballer werden ihre Leistungen permanent bewertet. Nicht nur intern vom Trainer, sondern auch in der Öffentlichkeit von Medien und Fans. Wie der Kapitän des SV Werder Bremen damit umgeht, warum er die Kritik an seinem Team bisweilen für überzogen hält und wie er sich vor Hasskommentaren im Internet schützt, hat der 25-Jährige nun im Interview mit der DeichStube verraten.

Marco Friedl, im Kreis kurz vor dem Anstoß werden bei Werder Bremen seit geraumer Zeit lustige Anekdoten erzählt. Wie ist es zu diesem Ritual gekommen?

(lacht) Das haben wir uns im Vorjahr in der 2. Liga irgendwann mal angeeignet. Es sind nicht direkt Witze, sondern eher kleine Späße, um eine gewisse Lockerheit in die Runde zu bringen. In der vergangenen Saison ist es für uns zu einem guten Omen geworden, deswegen machen wir es weiterhin.

Haben Sie ein Beispiel parat?

Ich weiß noch, dass Duckschi (Marvin Ducksch, Anm. d. Red.) einmal fünf Sekunden lang gerappt hat. Das kam sehr gut an (lacht). Meistens sind es aber Fülle (Niclas Füllkrug, Anm. d. Red.) oder Leo (Bittencourt, Anm. d. Red), die etwas sagen. Es geht einfach um diesen kurzen Moment, in dem wir als Mannschaft den Druck vor einem Spiel komplett ausblenden können. Die nötige Spannung baust du ja ohnehin schon während des Aufwärmens und danach in der Kabine auf. Das muss im Kreis dann nicht mehr sein.

Werder Bremens Marco Friedl im Interview: „Wir leben vom Kollektiv und ein eingeschworener Haufen“

Seit längerer Zeit schon betonen auffällig viele Ihrer Mitspieler, dass sie einen so großen Zusammenhalt wie in der aktuellen Werder-Mannschaft noch nie erlebt haben. Als Kapitän müssen Sie es doch wissen: Was steckt hinter diesem Wir-Gefühl?

Seit Ole Werner unser Trainer ist, haben wir fußballerisch viele Fortschritte gemacht. Und trotzdem wissen wir, dass wir nur als geschlossene Einheit Erfolg haben können. Wir leben vom Kollektiv und sind schon länger ein eingeschworener Haufen. In den vergangenen Jahren gab es für uns sportlich sehr viel Gegenwind. So etwas schweißt zusammen. Wenn etwas nicht gut läuft, sagen wir uns das klar ins Gesicht. In den Videoanalysen melden sich viele Spieler zu Wort. Wir können aber auch Spaß zusammen haben.

Gutes Stichwort: Vor einigen Wochen soll es eine legendäre Faschingsparty gegeben haben. . .

Ja, das hatten wir als Mannschaft schon länger geplant. Nach dem Bochum-Spiel sind wir mit dem kompletten Kader, dem Trainerteam und dem Staff samt Anhang zusammengekommen und haben einen schönen Abend verbracht. „Man of the night“ war für mich definitiv Anthony Jung, der als Bushido verkleidet war. Ein Monster-Outfit (lacht).

Kommen wir vom guten Binnenklima zu den Einflüssen von außen: Cheftrainer Ole Werner hat kürzlich die Öffentlichkeit für deren in seinen Augen zu negativen Umgang mit der Mannschaft kritisiert. Hat er Recht?

Ich empfinde es auch so. Der Verein ist so groß, hat eine so große Tradition. Da sind auch die Erwartungen immer sehr groß. Wir Spieler wollen ja auch am liebsten jedes Spiel gewinnen, aber das geht natürlich nicht, vor allem nicht als Aufsteiger. Es gibt im ersten Jahr nach der Rückkehr in die Bundesliga immer schwierige Phasen, die du durchlaufen musst. Bisher haben wir das gut geschafft. Wir haben in jedem Spiel unsere Chancen und spielen größtenteils auch guten Fußball. Dass nicht immer alles funktioniert, ist doch logisch. Ich finde, dass wir nach vermeintlich schwächeren Spielen teils zu kritisch bewertet werden.

Wie geht die Mannschaft damit um?

Wir wissen natürlich, dass Kritik nach Niederlagen dazugehört. Komplett ausblenden lässt sich das ohnehin nicht, weil man schon mitbekommt, was so geschrieben wird. Das ist grundsätzlich auch in Ordnung. Aber wir haben 31 Punkte nach 25 Spieltagen auf dem Konto – und das als Aufsteiger. Das sollte man nicht vergessen. Gegen Hoffenheim wollen wir jetzt versuchen, den nächsten Dreier einzufahren. Das wäre dann ein „Big Step“ in die richtige Richtung. Dafür arbeiten wir hart. Aber auch in den restlichen neun Spielen wird nicht alles glatt laufen.

Werder Bremens Marco Friedl: „In Phasen, in denen es nicht gut läuft, werden wir zum Teil übel beleidigt“

Sie selbst spielen eine Saison, in der es schon sehr überzeugende Auftritte von Ihnen gab, allerdings auch sehr fehlerbehaftete. Wie gehen Sie mit Fehlern um?

Wenn ich weiß, dass mein Fehler der Mannschaft geschadet hat, sitze ich nach dem Spiel zu Hause und ärgere mich am meisten darüber. Zumal ich weiß, dass ich es besser kann. Das dauert dann ein, zwei Tage, bis ich es abhake und mich wieder auf die neue Woche konzentriere. Es ist richtig, dass ich Spiele dabei hatte, in denen ich mich sehr gut gefühlt habe und dann wieder Spiele, die einfach nicht gut von mir waren. Ich arbeite daran, dass diese Schwankungen weniger werden.

Wie nehmen Sie den generellen Umgang der Öffentlichkeit mit Profifußballern wahr? Müssen Sie und Ihre Kollegen sich zu viel gefallen lassen?

Je länger du dabei bist, umso besser kannst du es ausblenden. Für die jüngeren Spieler kann es aber schon hart sein. Ich kann mich nach der Niederlage gegen Köln (Werder verlor das Auswärtsspiel im Januar mit 1:7, Anm. d. Red.) an eine Szene auf dem Weg zum Training erinnern, als uns ein Fan lautstark angeschrien hat. Klar, er war sauer, dass wir verloren haben, aber das war schon extrem. In Phasen, in denen es nicht gut läuft, werden wir zum Teil übel beleidigt. Das gab es zwar vor 20 Jahren auch schon und wird es auch immer geben. Durch die Sozialen Medien hat es aber eine neue Qualität bekommen, weil die Leute viele der Spieler zum Teil unerkannt direkt anschreiben und beleidigen oder sogar bedrohen können.

Die Bayern-Profis Thomas Müller, Leroy Sané und Leon Goretzka haben kürzlich Hasskommentare öffentlich vorgelesen, die sie über die Sozialen Medien erreicht haben. Da ging es zum Teil deutlich unter die Gürtellinie...

Absolut. Zu Beginn der letzten Saison, als es die Diskussionen über einen Wechsel von mir zu Union Berlin gegeben hat (Friedl weigerte sich, gegen Rostock zu spielen, weil er Werder verlassen wollte, Anm. d. Red.) war es bei mir auch extrem. Da war von „Ich jage dich durch die Stadt“ bis hin zu „Ich zünde dich und deine Familie an“ wirklich alles dabei. Damals habe ich Instagram für eine gewisse Zeit deaktiviert, weil es einfach zu krass war. Ich glaube, so etwas kennen inzwischen leider sehr viele Spieler. Schlimm wird es vor allem, wenn es gegen die Herkunft oder die Familie geht.

Entsprechende Nachrichten auszublenden und nicht an sich heranzulassen, ist das eine. Aber gab es bei Ihnen auch den Punkt, an dem Sie gesagt haben: Jetzt gehe ich dagegen vor?

Bei den ganz ekligen Nachrichten damals schon. Da wurde ich richtig wütend. Ich hätte die Absender am liebsten angerufen und gefragt, was ihr Problem ist. Das bringt aber natürlich nichts. Du darfst dich gar nicht darauf einlassen, sondern musst es für dich beiseiteschieben. So schwer es manchmal auch ist.

Werder Bremens Marco Friedl über das Kapitänsamt: „Am Anfang war es eine komplette Umstellung für mich“

Seit Sie im Sommer das Kapitänsamt übernommen haben, stehen Sie noch mehr im Fokus. Nach inzwischen acht Monaten mit der Binde am Arm: Ist die Aufgabe so, wie Sie erwartet haben?

Am Anfang war es eine komplette Umstellung für mich und ehrlich gesagt: Ich habe mich zu Beginn etwas zu sehr mit den Dingen außerhalb des Platzes beschäftigt, um die sich ein Kapitän auch kümmern muss. Gerade als jüngerer Kapitän wollte ich alles so gut wie möglich machen, überall dabei sein und helfen. Inzwischen habe ich es etwas zurückgefahren, damit es nicht zu Lasten des Fokus auf meine sportliche Leistung geht. Die älteren Spieler helfen mir dabei. Grosso (Christian Groß, Anm. d. Red.) Fülle, Leo und Milos (Veljkovic, Anm. d. Red.) übernehmen auch viele Aufgaben. Das funktioniert inzwischen wirklich gut.

Wie kann so eine Kapitäns-Aufgabe abseits des Platzes aussehen?

Ein aktuelles Beispiel ist der Ablaufplan bei Auswärtsspielen. Wir haben mit dem Trainer besprochen, dass wir es als Mannschaft gerne ausprobieren würden, erst am Spieltag anzureisen, wenn es vom Termin her passt und wir erst am Abend spielen. So haben wir eine Nacht im Hotel weniger und können in der Nacht vor dem Spiel im eigenen Bett schlafen. Gegen Gladbach haben wir es das erste Mal umgesetzt. Über solche Sachen machen wir uns als Mannschaftsrat Gedanken und diskutieren es dann mit dem Trainerteam.

Haben Sie die Kapitänsbinde schon mal als Belastung empfunden?

Ganz ehrlich: nein. Mich hat es noch nie belastet, dass ich der Kapitän von Werder Bremen bin. Natürlich bin ich mir der großen Verantwortung bewusst, aber ich übernehme sie gern. Den Gedanken, dass mich das Amt unter Druck setzt, habe ich aber noch nie gehabt.
 
Nach auskurierter Grippe sind Sie wieder fit, werden also vor dem kommenden Spiel gegen Hoffenheim in die Startelf zurückkehren. Mal angenommen, Ihnen sollte die Aufgabe zu Teil werden – Herr Friedl, was für einen Scherz erzählen Sie im Kreis vor dem Anstoß?

Also erstmal bin ich sehr froh, dass ich während der Länderspielpause genug Zeit habe, um wieder richtig reinzukommen. Das ist optimal für mich. Ich werde mich dann so gut wie möglich auf meine Leistung konzentrieren, und den Witz vor dem Hoffenheim-Spiel überlasse ich lieber jemand anderem (lacht). (dco)

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