Frust pur: Werder Bremen beschimpft sich selbst für die Pleite beim FC Augsburg

Nach der 1:2-Niederlage gegen den FC Augsburg sitzt bei Werder Bremen der Frust tief. Die Spieler und Trainer Ole Werner üben reichlich Kritik und Selbstkritik.
Bremen - Eigentlich hatte Ole Werner schon genug mit seinem SV Werder Bremen gelitten, da bekam er nach der völlig unnötigen 1:2 (1:1)-Niederlage beim abstiegsbedrohten FC Augsburg während der Pressekonferenz noch einen Nachschlag – und zwar vom Trainer des Siegers. „Glückwunsch, Ole! Du hast wirklich eine tolle Mannschaft geformt“, lobte Enrico Maaßen, um sich dann umgehend diebisch zu freuen: „Das war ein richtig dreckiger Sieg, für den wir uns nicht entschuldigen müssen.“ Werner verzog keine Miene. Er wusste natürlich, dass es der Kollege nicht böse gemeint hatte. Aber die Worte schmerzten dennoch, weil sie verdeutlichen, welchen Riesenschritt Werder auf dem Weg zum Klassenerhalt verpasst hatte. Wenn es nach unten noch mal eng werden sollte, dürfte diese Partie ganz sicher in Erinnerung gerufen werden. Wenngleich das bei weiterhin elf Zählern Vorsprung auf den Relegationsplatz nach nunmehr 23 Spieltagen noch in weiter Ferne liegt.
„Ich muss ehrlich sagen: So leicht wie heute war es in Augsburg noch nie. Bei allem Respekt für Augsburg, aber da hatte ich hier schon deutlich schwierigere Spiele. Wir haben es ihnen leichter gemacht, das ist einfach zum Kotzen. Jetzt haben wir wieder zwei schwere Spiele vor der Brust“, schimpfte Leonardo Bittencourt und blickte schon auf die beiden Partien des SV Werder Bremen daheim gegen Leverkusen und dann in Mönchengladbach.
Werder Bremen macht gegen den FC Augsburg zu viele Fehler: Viel Frust und Selbstkritik nach dem Spiel
Der Frust saß nicht nur beim ihm tief, auch bei seinen Kollegen. „Wir wissen, dass wir einen großen Schritt hätten machen können“, ärgerte sich Werder-Kapitän Marco Friedl und haderte: „Die Niederlage haben wir uns selbst zuzuschreiben. Wir haben die ersten zehn Minuten verpennt, obwohl wir wussten, was auf uns zukommt.“ Bereits nach sechs Minuten lag der Ball im Tor von Werder Bremen. Nach einem Augsburger Befreiungsschlag hatte Dion Drena Beljo leichtes Spiel, weil Friedl nicht rausgerückt und dann nicht nah genug an ihm dran gewesen war. Der Kapitän bezog mit seinem „Wir“ zwar auch sich selbst in die Kritik mit ein, monierte aber zudem, dass der lange Ball nicht verhindert worden war. Dem widersprach Bittencourt: „Du kannst nicht vorne jeden Ball blocken. Marco war letzter Mann, spielt da fast schon im Eins-gegen-eins. Dann wird’s schwierig. Da müssen wir einfach besser stehen.“ So sah es auch Ole Werner. In der Abwehrkette habe die Zuordnung und die Verschiebung gefehlt. Was freilich auch an den Umstellungen gelegen haben könnte, so der Coach. Weil Milos Veljkovic und Niklas Stark krank fehlten, musste Christian Groß als Abwehrchef einspringen. „Das nervt schon“, meinte Werner zu den regelmäßigen Ausfällen gerade in der Defensive, wollte damit aber nicht alles entschuldigen.
Die Fehlerquote war einfach viel zu groß. Werders Plan, das vom FC Augsburg so geliebte wilde Spiel zu beruhigen, ging nur bedingt auf. Die Bremer agierten zuweilen so ruhig, dass die Abspiele vergessen und so die Bälle hergeschenkt wurden. Weil es Augsburg noch schlechter machte, gab es in Halbzeit eins ein regelrechtes Fehler-Festival mit diversen Slapstick-Einlagen. Das 1:1 bildete dabei den Höhepunkt. Nach einer Bittencourt-Flanke spielten FCA-Keeper Rafal Gikiewicz und sein Teamkollege Jeffrey Gouweleeuw das berühmte „Nimm du ihn, ich hab‘ ihn sicher“, so dass der verdutzte Jens Stage mühelos den Ball ins leere Tor köpfen konnte (16.).
Schon gelesen? „Dafür habe ich kein Verständnis“ - so reagiert Werder Bremen auf Rafal Gikiewiczs Klage-Androhung!
Leonardo Bittencourt schimpft über schnelles Werder Bremen-Gegentor - Marco Friedl hadert mit „amateurhaften Fehlern“
Die Gäste hätten in der mit 30.000 Zuschauern ausverkauften WWK Arena nachlegen können, bei Niclas Füllkrugs Solo vielleicht sogar müssen. Auf der anderen Seite gestatteten schlimme Patzer von Amos Pieper und Jiri Pavlenka auch den Gastgebern gute Möglichkeiten. Es war ein verrücktes Spiel, das sich nach der Pause so fortsetzte. Schon nach wenigen Sekunden erhöhte Arne Maier auf 2:1. „Haben wir da überhaupt schon angefangen?“, fragte ein sichtlich frustrierter Bittencourt in die kleine Journalistenrunde: „Das geht nicht! Darüber haben wir die ganze Woche gesprochen. Sobald der Ball irgendwo runterfällt, brauchen wir nicht draufzugehen, sondern lassen uns fallen. Was machen wir? Ein, zwei Jungs fallen nicht, die Augsburger spielen den Ball hinten rein und machen das 2:1. Glückwunsch an Augsburg, aber wir haben uns heute selbst geschlagen.“ Werner monierte zudem, „dass wir da zu dritt in Ballnähe sind und auf den Spieler zulaufen, ohne so recht zu wissen, wer von den Gegnern eigentlich torgefährlich werden kann.“ Und Friedl setzte in der Rückschau auf beide Gegentore des SV Werder Bremen sogar noch einen drauf: „Das sind amateurhafte Fehler, die uns einfach auf dem Niveau nicht passieren dürfen.“
Werder Bremen gegen FC Augsburg hinten fehleranfällig und in der Offensive ohne echte Torgefahr
An Selbstkritik mangelte es also nicht. Das galt aber nicht nur für das Defensivverhalten. Werder Bremen war zwar auch nach dem zweiten Rückstand wieder die bessere Mannschaft, strahlte aber letztlich zu wenig Torgefahr aus. Das Sturmduo Füllkrug/Ducksch funktionierte nur bis zum Strafraum, auch ihren Kollegen dahinter fehlte der letzte Punch – oder wie es Ole Werner formulierte: „Wir hatten viele Situationen im Strafraum, waren dann aber zu ungenau im Abschluss oder zu ungenau im letzten Pass, wo uns vielleicht auch die Cleverness fehlt, nochmal zu kreuzen, um eventuell einen Elfmeter herauszuholen.“
Schon gelesen? Ein Dieb in der Kabine des SV Werder Bremen: Mannschaftskasse geklaut!
Werner wechselte vier Mal, änderte aber wenig an der Ordnung auf dem Platz. Zwar wagten Mitchell Weiser und Eren Dinkci etwas mehr auf den Außenbahnen, doch das reichte letztlich nicht. Die Einwechslungen von Romano Schmid und Maximilian Philipp verpufften sogar ganz. Werder Bremen rannte an, konnte aber nicht mehr die ganz große Gefahr ausstrahlen. Und das gegen eine Mannschaft des FC Augsburg, die wirklich nicht gut spielte. „Das war so schlecht, das konnte man sich kaum anschauen. Unglaublich, dass Werder nichts daraus gemacht hat. Die Punkte sind so wichtig für uns im Abstiegskampf“, urteilte ein Augsburger Reporter – und das für alle gut hörbar im Pressekonferenz-Raum. Immerhin dieser Nachschlag blieb Ole Werner erspart, er kam erst wenige Sekunden später durch die Tür herein. (kni)