Augenhöhe allein reicht nicht

Bremen - Als sich Florian Kohfeldt an die 52. Minute erinnerte, da konnte er es immer noch nicht fassen. „Das war schon ein komisches Gefühl“, erzählte der Werder-Coach: „Du bist eigentlich auf Augenhöhe und liegst trotzdem 0:3 zurück.“
Am Ende verlor Werder Bremen am Samstag mit 1:3 (0:1) gegen Borussia Mönchengladbach, es war die dritte Pleite am Stück, die zweite in Folge vor eigenem Publikum. Die Überflieger des ersten Saison-Viertels sind abgestürzt, aber Kohfeldt und Co. wollten von einem Totalschaden nichts wissen, redeten die Mannschaft stark, wofür es nach dem Auftritt gegen den Tabellenzweiten allerdings auch gute Gründe gibt.
„Wir hätten dieses Spiel auch gewinnen können“, betonte Kohfeldt und verwies auf die erste Halbzeit. Da hatte sein Team die Vorgaben sehr gut umgesetzt. Den Gladbachern wurden lange Zeit keine Chancen gestattet, selbst kamen die Bremer zwei Mal gefährlich vor das Tor, doch Martin Harnik (23.) und Davy Klaassen (28.) verpassten das 1:0 – und das jeweils nach guten Spielzügen.

Gladbach war da in Person von Alassane Plea abgebrühter. Und der 25-Millionen-Euro-Einkauf brauchte für sein 1:0 auch keine Unterstützung seiner Kollegen, es war eine geniale Einzelaktion (39.). Klaassen und Harnik wissen wahrscheinlich immer noch nicht, wie Plea sie da im Strafraum ausgetrickst hat. Aber es lag auch daran, weil Werder in Person von Max Kruse nach einer Gladbacher Ecke den Ball nicht wegbekommen hatte. „Das darf nicht passieren“, meinte Kohfeldt zur Gesamtkonstellation beim Gegentor und monierte die fehlende Konzentration.
Werder wollte „mit dem Kopf durch die Wand“
Ein Problem, das es zuletzt schon häufiger gab – und sich nach der Pause wiederholen sollte. Wieder waren die Gäste nach einer Ecke erfolgreich, weil niemand Plea stoppen konnte. „Das hatten wir vorbereitet“, berichtete Borussia-Coach Dieter Hecking mit einem breiten Grinsen von einer ganz besonderen Standard-Variante. „So ein Tor darfst du nicht kassieren. Du musst sicherstellen, dass du organisiert bist und deinen Gegenspielern folgst“, schimpfte Linksverteidiger Ludwig Augustinsson.
Weil Werder anschließend „mit dem Kopf durch die Wand wollte“, wie es Kohfeldt beschrieb, folgte sogleich das 0:3. Diesmal tatsächlich aus dem Spiel heraus mit einem Konter, den natürlich dieser nicht aufzuhaltende Alassane Plea vollendete (52.). „Drei Gegentore in 15 Minuten, das geht gar nicht“, ärgerte sich Kohfeldt.
Werder ging nicht völlig unter
Immerhin: Werder ging nicht völlig unter, sondern ließ sogar nochmal hoffen. Nuri Sahin gelang nach feiner Vorarbeit von Augustinsson das schnelle 1:3 (59.). Es war sein erster Treffer im Werder-Dress. Das mit 42.100 Zuschauern ausverkaufte Weserstadion bebte. Und wer weiß, was passiert wäre, wenn Max Kruse seinen Flugkopfball nicht neben das Tor gesetzt hätte (60.). Oder wenn der Kopfball von Claudio Pizarro nicht die Latte geküsst, sondern die Torlinie überquert hätte (76.).

Die Chancen waren durchaus da, um den Favoriten aus dem Rheinland ins Wanken zu bringen. „Wir dürfen diese guten Dinge nicht vergessen“, mahnte Kohfeldt. Er wolle die Niederlage damit nicht schönreden, aber er wünschte sich eine vernünftige Einordnung. „Wir werden jetzt ganz bestimmt nicht durchdrehen“, meinte er mit Blick auf die Niederlagenserie. So sah es auch sein Chef Frank Baumann: „Wir sind immer noch im Soll. Es gibt keinen Grund, nur einen Zentimeter von unserem Ziel abzurücken.“ Werder will nach Europa. Als aktuell Tabellensiebter ist das nicht gesichert. Der Trend und das hammerharte Restprogramm der Hinrunde mit Spielen gegen vier Mannschaften aus den Top Fünf sprechen nicht dafür, dass es bald wieder aufwärts geht. Doch Kohfeldt sind die Gegner egal. „Wir dürfen unseren Weg nicht verlassen“, forderte der 36-Jährige.
Die Länderspielpause will er nun nutzen, um das Thema Aufmerksamkeit mit der Mannschaft zu besprechen: „Wir machen zu viele Fehler, in beide Richtungen, vorne und hinten. Aber wir stellen deshalb nicht gleich alles in Frage.“