Symptome bei Depressionen: Neue Studien verwirren – Helfen Antidepressiva überhaupt?

Eine neue Studie zeigt, dass eine Depression nicht an einem Mangel an Serotonin liegt. Sind Antidepressiva (SSRI) also überflüssig? So einfach ist es nicht.
Bremen – Jeder Fünfte hat ein Mal im Leben eine Depression. In Deutschland sind derzeit 11,3 Prozent der Frauen und 5,1 Prozent der Männer davon betroffen. Bis zu sechs Prozent leiden derzeit sogar an einer Sommerdepression – vor allem Frauen zwischen 20 und 40 Jahren. Doch es gibt Hilfe. Eine Psychotherapie und Antidepressiva helfen nachweislich gegen Symptome wie Traurigkeit, Leere und Wertlosigkeit.
Daher dürfte folgende Nachricht die Menschen überraschen, welche ihre Depression erfolgreich in den Griff bekommen haben. Und zwar mit den am häufigsten verschriebenen Antidepressiva, den selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmern (SSRI). Denn Wissenschaftler aus Großbritannien wollen herausgefunden haben, dass eine Depression nicht an einem Mangel am Glücksbotenstoff Serotonin im Gehirn liegt. Doch genau da setzt die Therapie der SSRI an.
Bilden sich Depressive also nur ein, dass die Medikamente ihre Symptome lindern? Helfen Antidepressiva gar nicht gegen Depressionen?
Symptome bei Depressionen: Neue Studien verwirren – Helfen Antidepressiva überhaupt?
Seit den 90ern verschreiben Psychiater SSRI gegen Depressionen – wegen der Annahme, dass Depressionen durch ein chemisches Ungleichgewicht im Gehirn verursacht werden. Was bedeutet: Der Depressive hat zu wenig Serotonin im Blut. Forscher des University College London sagen nun: Ihre umfassende Untersuchung habe für die in Fachkreisen sogenannte „Serotonin-Hypothese“ „keine eindeutigen Beweise“ gefunden. Das schreiben die Wissenschaftler in der Fachzeitschrift Molecular Psychiatry.
Nehmen Depressive die Antidepressiva SSRI, auch wenn das zynisch klingt, nur zum Spaß? Bilden sie sich die Wirkung nur ein, Stichwort Placebo-Effekt? Steckt gar die Pharma-Lobby dahinter?
Helfen Antidepressiva (SSRI) bei Symptomen einer Depression? Experten sind sich uneinig
Fest steht: Experten und Psychiater sind sich selbst nicht einig in dem Punkt, ob eine Depression an einem Mangel an Serotonin im Gehirn liegt. Und weiter, ob SSRI Betroffenen wirklich helfen.
David Nutt leitet das Zentrum für Neuropsychopharmakologie am Imperial College London. Er hat mit seinem Team die Serotoninausschüttung im Gehirn untersucht. Nutt widerspricht den Aussagen seiner Kollegen. „Wir haben eine verringerte Kapazität für die Ausschüttung von Serotonin bei Menschen mit Depressionen festgestellt.“ Was bedeutet: SSRI müssen helfen. Denn SSRI sorgen dafür, dass weniger Serotonin im Gehirn abgebaut und damit als Glücksbotenstoff für den Patienten vermehrt zur Verfügung steht.
Wissenschaftler der Hiroshima University in Japan wiederum haben bereits 2018 herausgefunden, dass SSRI bei Menschen, die ein Kindheitstrauma erlebt haben, nicht wirken. Grund dafür ist, dass bei verschiedenen Gründen für eine Depression auch verschiedene Schaltmuster des Gehirns und verschiedene Regionen aktiv sind. Bei einem Depressiven helfen SSRI also, bei einem anderen nicht. Das zeige, wie komplex das Serotoninsystem im Gehirn sei, schreibt Zeit Online.
Sie haben Symptome einer Depression? Setzen Sie auf eine Kombination aus Psychotherapie und Antidepressiva
In einem Gastbeitrag in der aktuellen Psychologie Heute schreibt der Psychiater Gregory Scott Brown über das Verschreiben von Pillen, die auf einmal alles lösen sollen. Und dass das nicht funktionieren kann. Er berichtet von seiner eigenen Depression, bei der ihm Antidepressiva vermutlich geholfen hätten. Aber nur, „um besser mit den Symptomen klarzukommen“ – und nicht, um sie zu heilen.
Das ist wohl das Problem mit Antidepressiva. Die Probleme, Grübeleien und Selbstzweifel gehen davon nicht weg. SSRI helfen zwar dabei, die Symptome einer Depression zu lindern:
Symptome von Depressionen: Das sind die häufigsten Anzeichen
- Hauptsymtome einer Depression
- gedrückte, depressive Stimmung
- Interessenverlust und Freudlosigkeit
- Antriebsmangel und Ermüdbarkeit
- Nebensymptome einer Depression
- verminderte Konzentration und Aufmerksamkeit
- vermindertes Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen
- Gefühle von Schuld und Wertlosigkeit
- übertriebene Zukunftsängste oder „Schwarzsehen“
- Suizidgedanken
- Schlafstörungen
- verminderter Appetit
Depressionen: Mehr als nur Medikamente für den Heilungsprozess
Doch wer seine Depression wirklich heilen will, muss mehr tun, als sich auf Medikamente zu verlassen. Er muss auf sich achten, Sport treiben, Freunde sehen, schädliche Denkmuster nachhaltig ändern. Mittlerweile gibt es sogar Apps für eine mentale Gesundheit, welche die Krankenkasse bezahlt.
Abschließend lässt sich also sagen: Selbst Experten sind sich im Gegensatz zu den Symptomen bei einem Herzinfarkt oder den Symptomen bei Darmkrebs nicht einig darüber, ob eine Depression an einem Mangel an Serotonin im Gehirn liegt – und sie durch SSRI gut behandelt werden kann. Und selbst, wem SSRI aus der Depression helfen – langfristig bleiben Betroffene nur durch eine Änderung schädlicher Gewohnheiten beschwerdefrei. Und das bedeutet: Man muss an sich arbeiten. Und das ist schwieriger, als eine Pille zu schlucken.
Sie machen sich schlechte Gedanken, sind niedergeschlagen und könnten eine Depression haben? Damit sind sie nicht allein! Wenden Sie sich bitte an das Info-Telefon der Stiftung Deutsche Depressionshilfe. Tel.: 0800 / 33 44 533. Hier bekommen Sie Hilfe.