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Haben Verbraucher einen Rechtsanspruch auf Strand und Pool im Urlaub?

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Von: Yannick Hanke

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Links: Leere Sonnenliegen an einem Pool. Rechts: Ein Mann sonnt sich am Strand von Las Canteras in Gran Canaria.
Corona kann vielen Urlaubern ein Schnippchen schlagen. Besteht aber überhaupt ein Rechtsanspruch auf Pool und Strand? © Clara Margais/Manuel Navarro/dpa/Montage

Wer in den Urlaub fliegt oder fährt, möchte mitunter auch den Pool oder den Strand genießen. Haben Verbraucher einen Rechtsanspruch? Das Urteil wurde gefällt.

Berlin – Man stelle sich vor, der Urlaub in einem anderen Land beginnt und von einem Tag auf den anderen ist nahezu nichts mehr möglich. So geschehen im März 2020, als sich ein Ehepaar kurz nach der Ankunft am Urlaubsziel mit den Corona-Lockdown-Maßnahmen konfrontiert sah. Daraufhin wurde auf Ersatz des Reisepreises geklagt.

Nun hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) folgende Frage beantwortet: Haben Verbraucher im Urlaub überhaupt einen Rechtsanspruch auf Strand und Pool?

Europäischer Gerichtshof mit Urteil: Urlauber erhalten bei Corona-Problemen auf Pauschalreise ihr Geld zurück

Wie der EuGH am Donnerstag, 12. Januar 2023, entschieden hat, können Pauschalurlauber grundsätzlich Geld vom Reiseveranstalter zurückverlangen, wenn ihnen Corona einen Strich durch die Rechnung gemacht hat. Eine entsprechende EU-Richtlinie sei auch auf Corona-Einschränkungen anwendbar, so der Europäische Gerichtshof. Und der Reiseveranstalter könne sich eben nicht darauf berufen, dass die Behörden und nicht er selbst für die Corona-Maßnahmen verantwortlich seien.

Hintergrund ist der eingangs erwähnte Fall des Ehepaares, das sich zwei Tage nach seiner Ankunft mit strikten Corona-Maßnahmen konfrontiert sah. Wie das ZDF berichtet, hätte der Reiseveranstalter im März 2020 grünes Licht gegeben, obwohl bereits erste Meldungen über Corona-Fälle in Europa vorlagen. Davon betroffen war auch ein Ehepaar aus Nordrhein-Westfalen, das mit FTI Touristik für zwei Wochen nach Gran Canaria geflogen war. Strand, Pool, Animation – die klassische Pauschalreise. In der Regel. Denn die Pandemie sollte andere Pläne für die Urlauber bereithalten.

Zwei Tage nach der Ankunft auf Gran Canaria schlug Corona bereits zu. Die Verwaltung musste die Strände schließen, es gab eine Ausgangssperre. Pool und Liegeplätze? Gesperrt. Generell durften die Hotelgäste ihr Zimmer nur noch zum Essen oder zur Abholung von Getränken verlassen. Nach einem Traumurlaub klingt das natürlich nicht. Was folgte, war ein Rechtsstreit.

Neues Pauschalreiserecht in Deutschland kommt Verbrauchern seit Juli 2018 zugute

Nun also hat der Europäische Gerichtshof eine Entscheidung gefällt. Damit soll auch ein stückweise Klarheit geschaffen werden, welche Rechte Reisende in Zeiten der Corona-Pandemie überhaupt haben. Erst 2018 hatte der deutsche Gesetzgeber das Reiserecht auf Grundlage einer EU-Rechtslinie neu geregelt. Vor allem im Kontext der sogenannten Pauschalreisen sind Verbraucher demnach umfassend geschützt.

Was es mit der neuen Reisekategorie „verbundene Reiseleistungen“ auf sich hat

Seit dem 1. Juli 2018 gilt in Deutschland ein neues Pauschalreiserecht. Damit verbunden wurde, um die Rechte Individualreisender etwas zu stärken, eine neue Reisekategorie eingeführt: die verbundenen Reiseleistungen.

„Diese entsteht, wenn ein Vermittler – also entweder ein Reisebüro oder ein Onlineportal – dem Reisenden mindestens zwei von verschiedenen Anbietern angebotene Reiseleistungen (zum Beispiel Flug und Hotel) für dieselbe Reise im Rahmen einer Beratung vermittelt oder der Reisende innerhalb von 24 Stunden eine zweite Reiseleistung für dieselbe Reise beim Vermittler bucht“, so der Rechtsanwalt Kay P. Rodegra im ZDF-Servicemagazin „Volle Kanne“.

Zwar würde es sich bei solchen Reisen nicht um eine Pauschalreise handeln, doch erhält der Reisende dennoch einen gewissen Basisschutz. Und Reisevermittler, ganz gleich, ob Reisebüro oder Onlineportal, müssen den Reisenden darüber informieren, ob er eine Pauschalreise oder verbundene Reiseleistungen bucht.

Pauschalreisen meint dabei Urlaube, bei denen mehrere Leistungen – beispielsweise Hotel und Flug – zusammen angeboten werden. Es gilt grundsätzlich, dass der Veranstalter die gesamte Reise frei von Mängeln durchzuführen hat. Und wenn der Urlaub nicht dem entspricht, was vorher vereinbart wurde, kann Minderung verlangt werden. Möglich sind zudem Schadensersatz und Rücktritt.

Amtsgericht München lehnt Anspruch auf Rückerstattung ab – Europäischer Gerichtshof fällt Urteil

Zurück zum konkreten Fallbeispiel, dem Ehepaar aus Nordrhein-Westfalen. Für den entgangenen Urlaubsgenuss hatten die beiden auf eine Rückerstattung in Höhe von 70 Prozent des anteiligen Reisepreises geklagt. Vom Amtsgericht München wurde der Anspruch in erster Instanz jedoch abgelehnt. Denn Maßnahmen zum Schutz der Gesundheit aufgrund eines tödlichen Virus würden keinen Reisemangel darstellen, begründete das Gericht seine Entscheidung.

Zudem wäre es den Klägern in Deutschland nicht sonderlich besser ergangen. Schließlich gab es auch hierzulande zeitgleich den ersten Lockdown. Dementsprechend waren die Urlauber nicht benachteiligt, so die Argumentation. Der Europäische Gerichtshof sieht das anders. Schon in seinen Schlussanträgen hatte die Generalanwältin des EuGH bereits angemerkt, dass außergewöhnliche Umstände den Reiseveranstalter nicht von seiner Verpflichtung befreien, eine Preisminderung zu gewähren. Demnach würden Urlaubern auch während einer Pandemie umfassende Rechte zustehen.

Wie der Europäische Gerichtshof sein Urteil zugunsten Urlauber in Corona-Zeiten begründet

Da die versprochenen Leistungen nicht erbracht worden seien, hat der Europäische Gerichtshof nun zugunsten der Urlauber entschieden. Die entsprechende EU-Richtlinie sehe hierfür „eine verschuldensunabhängige Haftung des Reiseveranstalters“ vor. Doch gibt es auch eine Ausnahme. Und zwar müsse der Reiseveranstalter kein Geld erstatten, wenn die Touristen selbst an den Mängeln, sogenannte „Vertragswidrigkeiten“, schuld seien. Das sei bei Corona-Einschränkungen aber nicht der Fall.

Doch hat der Europäische Gerichtshof nicht entschieden, wie viel Geld die beiden Kläger aus Nordrhein-Westfalen zurückerhalten. Das müsse nun das Landgericht München festlegen. Und dabei auch beurteilen, inwieweit der Wert der Reise durch einen gesperrten Strand oder Pool gemindert worden sei. Oder auch durch den Fakt, dass die Touristen Gran Canaria aufgrund der Corona-Einschränkungen nicht besichtigen konnten.

Tourismus in Zeiten von Corona: Verbraucher stornieren Reisen aus Angst vor Infektion – und bleiben auf Kosten sitzen

Im Vorfeld dieser Urteilsverkündung war offen, welche Auswirkungen solch ein Urteil auf andere Fälle hat, in denen Reisende im Urlaub von Corona-Einschränkungen überrumpelt wurden. Geht es nach Rechtsanwalt Holger Hopperdietzel, könnten weitere Forderungen auf Reiseveranstalter zukommen. Doch auch nur dann, wenn diese noch nicht verjährt sind. Schließlich gelte im Reiserecht eine Verjährungsfrist von nur zwei Jahren nach Urlaubsende, so der Experte für Reiserecht.

Laut Hopperdietzel würden sich in Zeiten von Tourismus innerhalb einer Pandemie viele Verfahren auch um Rücktrittfragen drehen. Speziell zu Beginn der Pandemie hätten viele Urlauber gebuchte Reisen aus Angst vor einer Infektion mit dem Coronavirus im Vorfeld storniert. Auf den hohen Stornokosten seien sie sitzen geblieben. Und ob diese gerechtfertigt waren, darüber hatten Gerichte ganz unterschiedlich entschieden.

Urlaub aus Infektions-Angst abgesagt: Bundesgerichtshof gibt Rentnerin recht

Es gab den Fall einer 84-Jährigen, die kurz vor einer Donaukreuzfahrt im Juni 2020 aus Vorsicht wegen einer früheren Lungenentzündung von der geplanten Reise zurückgetreten war. Das Urteil vom Bundesgerichtshof (BGH): die Frau muss keine Stornokosten zahlen.

Mitunter wurden andere Fälle aber auch dem EuGH zur Entscheidung vorgelegt. Hier stehen die Urteile noch aus. Doch könnte der Fall des Ehepaares aus Nordrhein-Westfalen den sprichwörtlichen Stein ins Rollen gebracht haben.

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