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Welche Rolle Fruchtzucker als Auslöser von Demenz spielt

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Von: Carolin Gehrmann

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Forschende machen Fruchtzucker für den Verlust bestimmter Teile des Denkvermögens verantwortlich. Ein Mechanismus, der zu Urzeiten sinnvoll für die Nahrungssuche war – heute jedoch bei Demenz auftritt.

Denver – Dass der Konsum von Zucker nicht gesund ist, wissen wohl die meisten. Viele verzichten daher freiwillig auf Süßigkeiten und Co – jetzt in der Fastenzeit oder auch dauerhaft. Aber wie ist es eigentlich mit dem Zucker aus Früchten? Obst ist doch schließlich gesund und hat viele Vitamine und andere Nährstoffe.

Das stimmt auch, aber die in Früchten enthaltene Fruktose haben sich nun Forschende der University of Colorado einmal genauer angeschaut – und dabei einen erstaunlichen Zusammenhang mit Demenzerkrankungen wie Alzheimer festgestellt.

Alzheimer laut Forschenden „Fehlanpassung eines evolutionär begründeten Überlebenswegs“

In ihrer aktuellen Untersuchung, die im American Journal of Clinical Nutrition veröffentlicht wurde, beschreiben die beteiligten Wissenschaftler die Krankheit Alzheimer als eine „Fehlanpassung eines evolutionär begründeten Überlebenswegs“. Und bei diesem Überleben spielte der natürlich vorkommende Einfachzucker Fruktose eine entscheidende Rolle.

Da unsere menschlichen Vorfahren immer wieder mit Phasen starken Hungers zu kämpfen hatten, wurde in ihren Gehirnen eine Art Notfallmechanismus aktiviert, der das Überleben sichern sollte, erklären die Forschenden. Die erfolgreiche und fokussierte Nahrungssuche musste dafür zum zentralen Element ihres Denkens werden. Andere Gedanken, die von der Suche ablenkten, mussten hingegen ausgeblendet werden. Laut der Forscher handelt es sich dabei im Prinzip um einen uralten menschlichen Beutetrieb.

Welche Auswirkung Fruchtzucker bei Demenz auf Areale im Gehirn hat

Für die dafür nötige Verschiebung in der Wahrnehmung sorgte offenbar die Fruktose, wie das Team um Dr. Richard Johnson erklärt. Durch den Fruchtzucker wurden Areale im Gehirn blockiert, die bei der konzentrierten Nahrungssuche eher störten. Dazu gehören das Schwelgen in Erinnerungen, abschweifende Gedanken und Sorgen sowie das Gefühl für die aktuelle Zeit. Unsere Vorfahren sollten sich also hochgradig konzentriert, mit einem „Tunnelblick“ aufs Wesentliche, an die Suche machen.

Andere Bereiche des Gehirns, die solche Eigenschaften steuern, die für die Nahrungssuche hilfreich sind, wurden hingegen nicht beeinflusst. So konnten die Forschenden zeigen, dass beispielsweise Konzentration, Entscheidungsfreudigkeit und Risikobereitschaft unverändert waren.

Wie genau ist der Zusammenhang zwischen Demenz und Fruktose?

In welchem Zusammenhang steht dieser Mechanismus nun aber genau mit Fruktose und Demenzerkrankungen? Laut den Forschenden wird durch Fruchtzucker die Durchblutung der Großhirnrinde, die für zielorientiertes Denken verantwortlich ist, sowie des Hippocampus und des Thalamus verringert. Im Bereich des visuellen Kortex, der mit der Nahrungsbelohnung in Verbindung steht, erhöhe sich hingegen der Blutfluss.

Was in Zeiten von mangelnder Nahrungszufuhr bei unseren Vorfahren durchaus sinnvoll war, ist in heutigen Zeiten jedoch problematisch. Denn wenn dieser Überlebensschalter durch das heutige Überangebot an Zucker dauerhaft „angeschaltet“ sei und in dieser Position verharre, wie es die Forschenden beschreiben, könne das zu Entzündungen im Gehirn führen, deren Folge wiederum Demenz oder Alzheimer sein können.

Alzheimer Nervenzelle Illustration
Bei Alzheimer ist die Kommunikation zwischen den Nervenzellen gestört. Fruchtzucker ist daran möglicherweise beteiligt. © Science Photo Library/IMAGO

Demenz und Alzheimer: Oft Überproduktion von Fruktose im Gehirn durch Ernährung mit viel Zucker, Fett und Salz

„Eine chronische und anhaltende Verringerung des zerebralen Stoffwechsels durch wiederkehrenden Fruktosestoffwechsel führt zu fortschreitender Hirnatrophie und Neuronenverlust mit allen Merkmalen der Alzheimer-Krankheit“, führt Dr. Richard Johnson, Hauptautor der Studie, in einer Pressemitteilung der Universität aus. Bei Hirnatrophie handelt es sich um einen allmählichen Schwund von Hirnmasse. Die heutige vielfach verbreitete Ernährungsweise mit viel Zucker, Fett und Salz führe dem Experten zufolge zu einer ständigen Überproduktion von Fruktose im Gehirn.

Studie zu Zusammenhang von Demenz und Fruchtzucker: Mäuse mit Gedächtnislücken und Orientierungsverlust nach Fruktosegabe

Den Wissenschaftlern zufolge würden ihre Erkenntnisse von mehreren anderen Studien untermauert, die sie bei ihrer Untersuchung hinzugezogen haben. So zeigte sich beispielsweise, dass Mäuse, denen Fruktose verabreicht wurde, Gedächtnislücken und entzündete Neuronen aufwiesen. Als Folge verloren sie die Fähigkeit, sich in einem Labyrinth zu orientieren.

Laut Johnson fänden sich auch in den Gehirnen von Alzheimer-Betroffenen hohe Fruktosekonzentrationen. Der Verlust des Kurzzeitgedächtnisses und plötzlich auftretende Orientierungslosigkeit gehören ebenfalls zu den ersten Symptomen von Demenz. Laut Johnson sei die Neigung vieler Demenzkranker ziellos umherzuwandern ebenfalls auf die alten Futtersuch-Muster zurückzuführen.

Wird Demenz tatsächlich durch Fruchtzucker ausgelöst? Das sagt Expertin

Wird die Krankheit denn tatsächlich von Fruchtzucker ausgelöst und lässt sie sich möglicherweise verhindern, wenn man diesen einfach weglässt? Ganz so einfach ist es leider nicht, wie Dr. Linda Thienpont von der Alzheimer Forschung Initiative gegenüber focus.de erklärt. Die Ergebnisse aus Untersuchungen an Mäusen lassen sich nicht ohne Weiteres auf Vorgänge im menschlichen Organismus übertragen.

Zudem seien die genauen Ursachen von Demenzerkrankungen noch zu wenig erforscht. Der Fruktose-Stoffwechsel sei nur ein Forschungsbereich von vielen. Ihrer Ansicht nach ist es jedoch „unwahrscheinlich, dass die Ernährung die alleinige Ursache von Alzheimer darstellt. Man geht viel mehr davon aus, dass es sich um eine multifaktoriell bedingte Krankheit handelt.“

Welche Rolle der Faktor Ernährung spielt: Demenz lässt sich mit mediterraner Kost vorbeugen

Als wissenschaftlich anerkannt gilt hingegen, dass sich mit einer mediterranen Ernährung mit einem Fokus auf pflanzlicher Kost einer Demenz vorbeugen lassen kann. Wer also auf viel frisches Gemüse, Salat und Obst, sowie Fisch statt Fleisch und kaltgepresstes Olivenöl setzt, macht alles richtig. Auch einen Diabetes vom Typ 2 kann eine solche Ernährung mit wenig Fleisch und Zucker verhindern. Denn auch Diabetes erhöht das Risiko, an Demenz oder Alzheimer zu erkranken, da die Krankheit entzündliche Prozesse und Gefäßablagerungen fördert.

Die Ernährung spielt also trotzdem eine erhebliche Rolle bei der Entstehung von demenziellen Erkrankungen, auch wenn Fruktose nicht als alleiniger Auslöser identifiziert werden konnte. Vor Obst fürchten muss man sich daher auch nicht. Denn darüber hinaus ist der Fruktosegehalt bei Obst mit einem bis fünf Gramm pro 100 Gramm recht gering. Problematischer hingegen sind zuckerhaltige Lebensmittel oder Getränke: 100 Milliliter Cola und Limonade enthalten rund 10 Gramm Zucker – davon ist die Hälfte Fruchtzucker.

Ernährung und Demenz: Nahrungsmittel, denen Fruchtzucker zugesetzt wurde, sollten gemieden werden

Auf Nahrungsmittel, denen Fruktose als Süßungsmittel zugefügt wurde, sollte man besser verzichten – und zwar nicht nur, um eine Demenz zu verhindern, sondern auch, um anderen Krankheiten wie Diabetes, Herzinfarkt, Schlaganfall oder bestimmte Krebsarten vorzubeugen. Ob ein Produkt Fruchtzucker enthält, ist nicht immer so leicht zu erkennen, denn er kann hinter folgenden Begriffen stecken: Zucker, Invertzuckersirup, Fruktosesirup, Isoglukose, Maissirup, Fruktose-Glukosesirup, Glukose-Fruktosesirup oder auch Saftkonzentrat.

Eine allgemeine Orientierung, ob ein angebotenes Nahrungsmittel eher gesund oder nicht so gesund ist, liefert beispielsweise der Nutri-Score auf vielen Produktverpackungen, der über ein leicht verständliches Ampel-System eine schnelle Einordnung ermöglicht.

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