Legen E-Autos das Stromnetz lahm? Anbieter warnen vor starken Auslastungen

Damit E-Autos schnell aufgeladen werden können, beantragen hunderttausende Menschen eine Ladestation für zu Hause. Doch das wirkt sich auf das Stromnetz aus.
Kassel – Von Jahr zu Jahr fahren immer mehr Elektroautos über Deutschlands Straßen - und die Zahl steigt. Doch sobald das Fahrzeug aufgeladen werden muss, kommen die ersten Probleme, denn: Viele haben nicht die Möglichkeit, ihr E-Auto zu Hause in kurzer Zeit aufzuladen und in einigen Städten sind Ladestationen bislang nur rar vertreten.
In Kassel sorgte eine öffentliche Ladesäule für Ärger bei E-Autofahrerinnen und Autofahrern: Sie war wochenlang außer Betrieb. Um aber eine Ladestation mit hoher Leistung daheim zu installieren, benötigen Verbraucherinnen und Verbraucher die Erlaubnis des Energieversorgers. Darüber berichtet die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ). Allerdings ist die Anzahl für Wohneinheiten klar gedrosselt. In manchen Fällen sind lediglich zwei oder drei Stromtankstellen möglich, obwohl mehrere gebraucht werden.
Hohe Belastung für das Stromnetz: Immer mehr E-Autos auf den Straßen
Die Folgen der Elektrifizierung durch Millionen von E-Autos sind eine Herausforderung für das Stromnetz - bislang hält es der Belastung allerdings stand. Auch gab es der Bundesnetzagentur zufolge in den vergangenen Jahren weniger Stromausfälle. Da künftig aber immer mehr Menschen ihr Fahrzeug aufladen müssen, könnte das Stromnetz in Deutschland enorm strapaziert werden. „Insbesondere in den Abendstunden könnte es bei einem schnellen Hochlauf von Elektromobilität partiell zu Überlastungen des lokalen Verteilernetzes kommen, wenn viele Fahrzeuge gleichzeitig geladen werden sollen“, teilte die Behörde mit.
Trotz allem lenkt die Politik die Automobilindustrie immer weiter in Richtung Elektromobilität. SPD, Grüne und FDP haben sich in ihren Gesprächen schon darauf geeinigt, noch vor 2035 nur noch E-Autos zuzulassen, um CO₂-Emissionen einzusparen. „Wir wollen Deutschland zum Leitmarkt für Elektromobilität machen und dafür den Ausbau der Ladesäuleninfrastruktur massiv beschleunigen“ - das geht aus dem Sondierungspapier der drei Parteien hervor.
E-Autos: Installation von Ladesäulen verzögert sich - Energiekonzerne melden Probleme
Die Energiewende schreitet für solch einen Umbruch jedoch noch zu langsam voran. Der Ausbau der Stromleitungen und der erneuerbaren Energien können den steigenden Bedarf an Strom nicht stemmen. Aber nur wenige Energiekonzerne lassen sich dieses Problem anmerken, zum Beispiel EnBW. Das Unternehmen gibt zu, dass es mit den Ladestationen für elektronische Fahrzeuge zum Teil nicht mehr hinterherkommt.
„In der Praxis kann es vorkommen, dass die Installation einer Ladeeinrichtung nicht sofort möglich ist, sondern eine vorausgehende lokale Netzverstärkung notwendig ist“, teilte der Versorger mit. Dennoch seien sie als Netzbetreiber zum Netzanschluss von Ladeinfrastrukturen verpflichtet. Jeden Monat seien dies rund 1600 neue Ladepunkte.
Ohne eine Ladestation vor Ort wird es für die Verbraucherinnen und Verbraucher allerdings schwierig, denn an einer normalen Steckdose kann das Aufladen eines leeren Akkus laut Berechnungen des ADAC schon mal 17 Stunden dauern. Mit einer sogenannten Wallbox sinke die Zeit auf rund zwei bis dreieinhalb Stunden, weshalb der Wunsch nach einer eigenen Ladesäule in privaten Haushalten steigt. Das merke auch die staatliche Förderbank Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), die die Ladeinfrastruktur für das Bundesverkehrsministerium finanziert: Seit November habe sie mehr als 750.000 Zuschussanträge mit einem Fördervolumen von 820 Millionen Euro zugesagt - anfangs seien jedoch nur 300 Millionen geplant gewesen.
Im Video: Künftig höhere Prämien für Kauf von E-Autos
Stromanbieter warnen vor Auslastungen: Drohen durch E-Autos große Stromausfälle?
Um die wachsende Nachfrage nach Ladesäulen für E-Autos stemmen zu können, planen einige Stromversorger sowie Netzbetreiber starke Investitionen in den Netzausbau - darunter E.ON. Der Konzern möchte laut Aussage des Netzvorstandes gewährleisten, dass jede Wallbox auch an das Netz angeschlossen wird. Kurzfristig lokale Netzengpässe und Einschränkungen sollen mit einer sogenannten Spitzenglättung, einer vorübergehenden Abschaltung der Ladevorgänge, vermieden werden.
Ist es dennoch möglich, dass es durch die Belastung der aktiven Ladesäulen für Elektrofahrzeuge zu einem flächendeckenden Stromausfall führen kann? Das Energieversorgungsunternehmen Süwag Energie ist sich sicher, dass es so weit nicht kommen wird, dennoch seien vorübergehende lokale Überlastungen und Ausfälle wahrscheinlich. Daher befürworte der Versorger, dass dann rechtzeitig eingegriffen wird und Anreize für variable Stromtarife und Netzentgelte geschaffen werden, um die Auslastung zu verringern. Zudem hat die Politik einen zusätzlichen Schutzmechanismus in das Stromnetz installiert. Dieser sieht vor, dass Großkunden eher vom Netz gehen, bevor ein großer Stromausfall kommt. Jene Konzerne erhalten dafür von der Netzagentur Geld.
Es gibt jedoch auch Unternehmen, die der Meinung sind, dass mehr E-Autos der Netzstabilität helfen werden, anstatt ihr zu schaden. Der Energieversorger Lichtblick habe bereits erfolgreiche Tests durchgeführt, in denen Batterien zu virtuellen Kraftwerken zusammengeschlossen wurden. Eine Entladung der Batterien könnte unter anderem Schwankungen im Netz ausgleichen. Die Fahrer der Autos sollen in diesem Fall dann an den Erlösen beteiligt werden. Das Unternehmen zeigt sich zudem äußerst optimistisch, denn eine vollständige Umstellung auf elektronische Fahrzeuge benötige circa 20 Prozent mehr Strom. Dies sei aber gut zu bewältigen. (Alina Schröder)