Ex-DFB-Präsident Grindel: „Koch hat viel Schaden angerichtet“

Vor fast zweieinhalb Jahren trat Reinhard Grindel, der am Sonntag seinen 60. Geburtstag feiert, als Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) zurück. Die dortigen Geschehnisse verfolgt er immer noch genau ‒ und er erneuert seine Kritik am aktuellen Interimspräsidenten Rainer Koch.
Rotenburg – Dienstag in Berlin, Donnerstag in München, nächste Woche in Zürich: Es sind zwar nicht mehr die ganz weiten Reisen ins Ausland wie zu Zeiten als DFB-Präsident – trotzdem kommt der in Rotenburg an der Wümme lebende Reinhard Grindel immer noch ganz schön rum. „Ich bin schon viel unterwegs“, sagt er. Am Sonntag wird Grindel 60 und begeht seinen Ehrentag mit der Familie im kleinen Kreis in Hamburg, dort wo Mutter und Schwester leben. „Ich habe meinen Geburtstag noch nie groß gefeiert“, betont er.
Fast zweieinhalb Jahre ist es mittlerweile her, dass Grindel als Präsident des DFB zurücktrat, nachdem er das kostbare Uhrengeschenk eines ukrainischen Oligarchen angenommen, aber nicht gemeldet hatte und dieser Fauxpas vermutlich aus der Zentrale in Frankfurt nach außen durchgesteckt worden war. Seitdem ist es ruhiger um ihn geworden, doch abgetaucht ist er nie. Schon drei Tage später saß Grindel bei einem Frauen-Basketballspiel auf der Tribüne, beim Rotenburger SV, bei dem er Mitglied ist, schaut er immer wieder vorbei. Selbst auswärts ist er schon mal dabei – wie kürzlich im Oberliga-Spiel beim FC Hagen/Uthlede.
Das muss aufhören. Es wird im DFB keine Ruhe geben, wenn Rainer Koch weiter im Präsidium ist.
Regelmäßig wird Grindel von den überregionalen Medien auch noch zum großen Fußball befragt – und vertritt offen seine Meinung. Vor allem, wenn es um Rainer Koch, den derzeitigen Interimspräsidenten, langjährigen 1. Vizepräsidenten und seinen Intimfeind, geht. „Zentrales Thema ist nicht nur, wer Präsident wird, sondern ob Rainer Koch wieder ins Präsidium kommt“, sagt Grindel und erklärt gegenüber unserer Zeitung: „Er hat in den letzten Jahren viel Schaden angerichtet. Das muss aufhören. Es wird im DFB keine Ruhe geben, wenn Rainer Koch weiter im Präsidium ist.“
Was denn der im März zu wählende Nachfolger des ebenfalls als Präsident zurückgetretenen Fritz Keller mitbringen müsse? „Es muss jemand sein, der aus dem Amateurlager kommt und administrative Erfahrung in der Führung großer Verwaltungseinheiten oder Verbandseinheiten hat, der ein gutes Verhältnis zum Profi- wie zum Amateurbereich hat und ein gewisses politisches Gespür mitbringt.“ Konkrete Kandidatennamen, die dieses Profil erfüllen würden, möchte er nicht nennen. Grindel selbst hätte wiederum „schon große Lust, im Rahmen der Euro 2024 etwas zu machen, auch ehrenamtlich“. Dass Deutschland den Zuschlag hierfür erhalten hatte – es war sein letztes großes Verdienst als DFB-Präsident.
Grindel fordert mehr Geld für die Amateure
Dem kriselnden Verband, den er zweieinhalb Jahre lang auch gegen viele interne Widerstände geführt hatte, rät er zu einem Neustart. Drei Punkte nennt er: „Erstens müssen die Menschen an der Spitze des DFB vertrauensvoll und loyal zusammenarbeiten. Zweitens muss die Struktur klar sein: Welche Zuständigkeiten, welche Kompetenzen hat der Präsident, welche das Präsidium und die zukünftige Geschäftsführung, was ist Sache der DFB-GmbH. Die Kompetenzen müssen klar abgegrenzt sein. Drittens ist ein ganz klares Bekenntnis zum Amateurfußball wichtig. Daran hat es gemangelt. Es muss konkrete Maßnahmen geben: Wie gewinne ich Trainer, wie qualifiziere ich sie im Jugendbereich, wie organisiere ich die Leistungsförderung? Wie gewinnen wir ehrenamtliche Mitarbeiter? Dafür braucht der Amateurfußball mit seinen Landesverbänden auch mehr Geld. Der Grundlagenvertrag muss so ausgehandelt werden, dass diese gestärkt werden. Die Leistungen in meiner Amtszeit sind mehr als verdreifacht worden, aber es reicht immer noch nicht.“
Eine Rückkehr auf die große Fußballbühne scheint für Grindel selbst unwahrscheinlich, eher schon ein Comeback des einstigen CDU-Bundestagsabgeordneten in der Politik. Erste Versuche soll es bereits vor einiger Zeit im Kreis Rotenburg gegeben haben. „Ich sage es ganz offen: Ich kann mir ein politisches Engagement vorstellen, möchte aber die weitere Entwicklung im Bund und vor Ort abwarten“, bemerkt Grindel vielsagend.
Rückkehr in die Politik nicht ausgeschlossen
Beruflich hat er sich inzwischen anderweitig orientiert. Der einst wichtigste deutsche Fußballfunktionär ist als Senior Advisor tätig. „Ich berate Unternehmen in Fragen von Politik, Medien und Sport, vor allem im politischen Bereich. Ich begleitete Unternehmen bei Gesetzgebungsverfahren, beschäftige mich intensiv mit Biokraftstoffen und deren Beitrag zum Klimaschutz im Straßenverkehr oder mit verschiedenen Bereichen der künstlichen Intelligenz und bringe dabei Firmen mit Bundesligisten zusammen, wenn es um die Frage geht, wie ich in Pandemiezeiten für die Sicherheit in Stadien oder für mehr Zuschauerservice sorgen kann.“
Ungeklärt ist jedoch noch eine Hinterlassenschaft aus seiner DFB-Zeit. Im Oktober 2020 war es auch in seinem Privathaus in Rotenburg zu einer Hausdurchsuchung durch Steuerfahnder gekommen. Es ging um die Einnahmen aus der Bandenwerbung von Heimländerspielen der Nationalmannschaft. Die Sache ist immer noch nicht geklärt, Grindel bleibt jedoch gelassen: „Es geht um reine Rechtsfragen, es ging nie um persönliche Bereicherung. Nach Durchsicht aller Akten gehe ich von einer Einstellung des Verfahrens aus.“