Tischtennis-Ass Gühmann träumt von den Olympischen Spielen

Maik Gühmann lebt seit Jahren mit Parkinson. Nun hat der Zevener seine Freude am Tischtennis gefunden und hat große Pläne.
Zeven – Dass Tischtennis eine ideale Sportart für Parkinson-Erkrankte sein kann, hat Maik Gühmann nachhaltig bewiesen. Der 54-Jährige fing vor gut einem Jahr mit seinem neuen Hobby an und schrieb schon im September 2021 eine Erfolgsgeschichte: Bei der Parkinson-Weltmeisterschaft in Berlin holte er Silber im Einzel. Nun möchte der gebürtige Hamburger beim TuS Zeven ein Pilot-Projekt starten und sich mit Gleichgesinnten während der Trainingzeiten in der Halle am Lühnenfeld zum Match treffen.
„Ich halte es für sehr wichtig, das Leben so lebenswert wie möglich zu gestalten. Daher möchte ich den Versuch starten, Parkinson-Erkrankte aus der Lethargie zu befreien. Das Leben muss ja damit nicht zu Ende sein“, sagt Gühmann, der sich kürzlich mit den Vereinsverantwortlichen in der Halle traf, um sein Vorhaben zu diskutieren. „Natürlich möchten wir Maik gerne in der Sache helfen. Die Hallenzeiten sind arg begrenzt und Trainingsmöglichkeiten sehe ich nur zu den festgelegten Terminen“, sagt Vorsitzender Axel Körner. „Ich bin dem Verein sehr dankbar, dass man mir die Chance einräumt, etwas zu initiieren“, so Gühmann, der mit den Übungsleitern Aki Schlösser, Maik Hauschild und seiner Zuspielpartnerin Nicole Meiritz das Thema kontrovers diskutiert, um nach Alternativen zu schauen. „Natürlich ist es möglich, dass Maik in die Trainingseinheiten eingebunden wird. Doch alles weitere ist schon schwierig, aber nicht unmöglich“, meint Aki Schlösser.
Suche nach Tischtennis-Verein im Sommer 2020
Das Spiel mit der Zelluloid-Kugel sorgt bei Gühmann für neue Lebensinhalte und eine Aufbruchsstimmung, denn plötzlich kann er sich wieder sportliche Ziele stecken. Dafür brennt er und möchte zudem erkrankte Menschen mitnehmen, die nicht unbedingt in der Sportart zu Hause sind. Der 54-Jährige selbst beschloss im Juni 2020, sich einem Tischtennis-Verein anzuschließen, machte sich auf den Weg zur TTG Hamburg Nord. Dort traf er auf Trainer Jan Rüssmann, der sofort seine Unterstützung signalisierte und Hoffnungen schürte. „Maik tauchte vor einem Training in der Halle auf, berichtete ganz offen und ohne Scheu über seine Krankheit und Wünsche. Die Trainingsunterstützung konnte ich ihm sofort zusagen“, berichtet Rüssmann, der seinen „Neuzugang“ einer Anfängergruppe zuordnete. Im Training zeigte er viel Ehrgeiz und wusste durch sein Ballgefühl zu gefallen. „Maik kippte dann auch schon einmal auf Grund seines Freezings um, stand jedoch wieder auf und spielte weiter“, bemerkt Rüssmann, dessen Verein sich bereits vor längerer Zeit der Vereinigung PingPongParkinson anschloss. „Dadurch sind wir stets auf dem neuesten Stand, was unter anderem Parkinson und Sport angeht“, so der B-Lizenz-Inhaber.
Doch nicht nur in Sachen Training wurde der Coach zum engen Verbündeten. Er stellte auch die Weichen für eine Teilnahme an den Parkinson-Weltmeisterschaften 2021 in Berlin. „Dass die WM in Berlin stattfand, habe ich eher zufällig mitbekommen und es Maik erzählt. Der war Feuer und Flamme und meinte: ,Da fahren wir hin‘. In der Tat war es schon eine coole Geschichte und daher haben wir entsprechende Planungen gemacht“, erinnert sich Rüssmann.
Nach der WM ist vor der WM
„Maik hat ein Mega-Pensum abgespult, absolvierte 15 Spiele an drei Tagen, eine mentale Höchstleitung. Er ist ein Typ, der in seiner Art Leute ansteckt und eine super Stimmung entfacht“, bemerkt der Coach. Die Performance des Tischtennis-Asses mit einer Silber- und zwei Bronze-Medaillen (Doppel/Mixed) war schon eine echte Hausnummer.
Und nach der Weltmeisterschaft ist bekanntlich vor der Weltmeisterschaft. Denn neben der WM 2022 will er an der Deutschen Meisterschaft und den Olympischen Spielen teilnehmen. „Das Ziel habe ich vor Augen und möchte dafür jeden Tag trainieren. Es wäre super, wenn ich beim TuS Zeven die Möglichkeit dafür bekäme. Doch es darf auch eine Garage sein, in der ein Tisch steht und sich ein Partner oder sogar Trainer für mich findet“, bemerkt Gühmann.
Mit seiner Krankheit lebt er nun bereits 15 Jahre. „Ich war erst 39, als bei mir Parkinson diagnostiziert wurde. Die ersten sechs Jahre waren mit der Krankheit relativ unbeschwert. Die Medikamente schlugen gut an“, berichtet Gühmann, der als selbstständiger Malermeister arbeitete und 14 Angestellte beschäftigte. Beim TV Meckelfeld erlebte er als Trainer eine sehr erfolgreiche Zeit, schaffte mit dem Team den Aufstieg in die Fußball-Landesliga. Und wenn immer es passte, spielte er leidenschaftlich Tennis.
Bis zu 40 Tabletten am Tag
Doch 2014 ging es rapide abwärts und er musste zunächst seinen Beruf aufgeben. Denn: Immer öfter ereilten ihn die Momente des Freezings. „Ich war völlig am Boden, saß im Rollstuhl und fand in der schweren Zeit ganz viel Halt in der Familie“, so Gühmann, der 40 Tabletten am Tag schluckte. Dann rieten ihm die Ärzte, sich einer Gehirnoperation zu unterziehen. „Es wurde mir bei einem 19-stündigen Eingriff und vollem Bewusstsein ein Hirnschrittmacher eingesetzt. Danach verlor ich meine Sprache, brauchte eineinhalb Jahre, um diese wieder zu erlernen“, verrät Gühmann. Die Trainingseinheiten bei der TTG Hamburg Nord stärkten jedoch sein Selbstbewusstsein und sorgte für die nötige Motivation. „Das Training verbesserte zum Beispiel meine Hand-Augen-Koordination. Wenn ich an der Tischtennisplatte stand, vergaß ich meine Krankheit. Fakt ist, dass man mit einem gewissen Zittern ins Spiel startet und zum Ende völlig ruhig ist. Das alles macht mich unendlich glücklich“, weiß Maik Gühmann.