Marathon-Zoff um Bremer Marathon

Bremen – Ja, was denn nun? Manche Ausdauerathleten sind irritiert, ob der Bremer Marathon am 3. Oktober stattfindet oder nicht. Denn auf der Suche nach Infos für dieses Laufereignis ploppen nach wie vor zwei verschiedene Internet-Seiten auf – betrieben von zwei „Ausrichtern“, die sich an äußerst verhärteten Fronten gegenüberstehen.
Eine Internet-Seite verkündet Absage des Marathons
Auf der einen Seite: Utz Bertschy, langjähriger und nun ausgebooteter Macher des Events in der Hansestadt, der auf seiner Seite bremer-marathon.de dessen Corona-bedingte Absage verkündet. Auf der anderen: der Bremer Leichtathletik-Verband (BLV), der nun ohne Bertschys Know-how den swb-Marathon stemmen will.
Bertschy steht dem einst extra für diese Großveranstaltung gegründeten Marathon-Club Bremen vor und verbreitet seit Ende August die Nachricht vom Ausfall dieses Termins. „Aber das entspricht in keinster Weise den Tatsachen“, betont BLV-Vizepräsident Dr. Matthias Reick. Rechtlich vorgehen könne und wolle sein Verband dagegen nicht, doch die Meinungen der Aktiven in den Sozialen Medien sprächen für sich.
Bertschy: „Habe mich in Grauzone begeben“
„Mir ist bewusst, dass ich mich damit in eine Grauzone begeben habe“, sagt der 54-jährige Bertschy mit gequältem Lächeln über diese Mitteilung, „aber im Grunde habe ich nur ,meinen‘ Marathon abgesagt.“ Sicher stecke „ein bisschen Provokation“ dahinter, „doch ich will damit zeigen, dass das Datum Anfang Oktober das unsrige ist. Und unser Konzept eins zu eins zu kopieren, ist auch nicht die feine englische Art“, kritisiert er den BLV.
An dieser Einstellung änderte anscheinend auch die Entscheidung „von oben“ nichts: Ende August genehmigten die zuständigen Bremer Behörden das vom Verband eingereichte Konzept für den swb-Marathon. Bertschys Antrag, seinen Angaben zufolge inhaltlich weitgehend identisch, fiel durch, „obwohl der BLV vieles von uns abgeschrieben hat“. Reick sagt hingegen, der langjährige Organisator habe gar kein Konzept eingereicht, über das das Bremer Amt für Straßen und Verkehr hätte beraten können. „So habe ich das vom Hörensagen mitbekommen.“
Bertschy hatte den Bremen-Marathon 2005 wieder zum Leben erweckt und ihn danach 15 Jahre lang (bis zum Pandemie-bedingten Ausfall 2020) mit viel Herzblut organisiert. Die bis dato letzte Auflage vor seinem Engagement datierte von 1991, danach mussten die damaligen Macher wegen organisatorischer Probleme und finanzieller Schwierigkeiten aufgeben. Während jener eineinhalb Dekaden sei der Verband offenbar froh gewesen, dass der Marathon weitgehend problemlos laufe, meint Bertschy, „denn in all den Jahren hat der BLV nicht ein einziges Mal mit mir inhaltliche Gespräche darüber geführt.“ Das sei auch gar nicht nötig gewesen, denn „der Verband sollte sich nicht über seine Mitglieder stellen.“
Dem widerspricht Reick energisch: „Ich war derjenige, der immer wieder mit ihm gesprochen hat – auch, als die Sponsoren Probleme mit ihm hatten.“ So habe beispielsweise Energieversorger swb einen „schleichenden Vertrauensverlust“ beklagt und seinen Obolus 2019 direkt an den Verband und nicht an Bertschy überwiesen. Und das Thema „Mitglieder“ scheint im Fall des Marathon-Clubs ohnehin ein spezielles zu sein, denn laut Reick habe der Verein seit Jahren schon keine Beiträge mehr an den BLV gezahlt.
Ursprung des Konflikts liegt beim Thema Geld
Ursächlich für den Streit ist also wie so oft das liebe Geld: Laut BLV sei der bisherige Partner diversen „Zahlungsverpflichtungen“ nicht nachgekommen, der wiederum sah zur Überweisung von Anteilen der Finisher-Gebühren keinen Anlass: „Das wäre ja, als wenn der DFB Geld von den Mannschaften einer Hobby-Liga haben wollen würde, obwohl er mit dem Spielbetrieb gar nichts zu tun hat. Genauso handelt es sich in Bremen auch um einen Hobbylauf.“ Denn erstens fehlen, anders als beim Frankfurt- oder Berlin-Marathon, die großen Stars, zweitens sei die Größenordnung nicht vergleichbar.
Dies wiederum beschäftigt Bertschy schon länger: „Die Frage ist, ob es noch in die Zeit passt, für einen Lauf mit 1 500 oder 2 000 Marathonis stundenlang die halbe Innenstadt und insgesamt 25 Kilometer Strecke abzusperren.“ Für den Halbmarathon und die Zehn-Kilometer-Läufe sieht er das weniger problematisch, denn da lägen die Anmeldezahlen höher – und damit die Akzeptanz von Anwohnern und Verkehrsteilnehmern. Anders verhalte es sich beim Marathon, „wenn man da als Autofahrer an der Sperrung steht, aber nur alle drei Minuten einer vorbeiläuft“.
Die Sportler stimmten also mit den Füßen ab, „und viele Füße sind müder geworden“, sagt Bertschy mit Blick auf den demografischen Wandel – und Akteure, die aus dem Marathon rauswachsen“.
Ex-Ermittler bietet sich als Vermittler an
Utz Bertschy gibt unumwunden zu, dass es im Streit zwischen ihm und dem Bremer Leichtathletik-Verband (BLV) schon längst viele Verlierer gibt: Die Sportler selbst. Und einer seiner langjährigen Weggefährten fürchtet angesichts des Zwists sogar um die Zukunft des kompletten Bremer Marathons. Der frühere Langstrecken-Spezialist Günter König-Kruse, der sein Marathon-Debüt 1985 eben in jener Hansestadt mit einer Zeit von 2:38 Stunden gefeiert hatte, ist dem Sport auch nach seiner aktiven Zeit treu geblieben, moderiert unter anderem seit mehr als zwei Jahrzehnten den Stuhrer Silbersee-Triathlon. Jetzt bot sich der eloquente Hobby-Kommentator (unter anderem 19 Jahre am Mikro für den Oldenburger City-Lauf) als Vermittler zwischen Bertschy und dem Verband an. Schließlich hat der heute 64-Jährige in seiner 44-jährigen Dienstzeit als Polizeibeamter, zuletzt als Leiter der Zentralen Kriminalinspektion Oldenburg, schon ganz andere Fälle gelöst.
„Es müsste doch möglich sein, alle Seiten an einen Tisch zu bekommen, um eine Lösung herbeizuführen“, meint König-Kruse. „Ich jedenfalls hoffe, dass es weiterhin einen Bremer Marathon in der bisherigen Form gibt. Und es macht mich betroffen, wenn ich sehe, wie sehr Utz darunter leidet.“ Den kennt er schon seit Jahrzehnten. Nicht sonderlich ungewöhnlich, denn in der Läufer-Szene ist Bertschy bekannt wie ein bunter Hund, plante seit 2005 die Strecken für den Bremen-Marathon, stimmte sich mit den zu hörenden Ämtern ab, holte Sponsoren ins Boot, sorgte für die Werbung – bis 2019. „Er hat den Marathon vom Blockland in die Stadt geholt – und alle waren froh, dass es so einen Verrückten gab, der die ganze Arbeit gemacht hat“, verdeutlicht König-Kruse.
Für ihn steht fest, dass der BLV gar nicht die Manpower an Ehrenamtlichen habe, um einen Marathon dieser Größenordnung zu stemmen. Ähnlich sieht es Bertschy: „Es sind die kleinen Dinge, an denen die Großen scheitern“, prophezeit der 54-Jährige. In der Vergangenheit hätten er und seine Mitstreiter schon einiges an Helfern und Zeitnehmern „extern zukaufen“ müssen. „Von daher kann ich es dem Verband nicht mal vorwerfen, dass er jetzt Geld von uns fordert.“ ck
Trotzdem hatten sich bei ihm eigenen Angaben zufolge schon gut 1 500 Läufer für die verschiedenen Strecken angemeldet – und bezahlt. Die Gegenseite, der BLV, verspricht all jenen eine günstigere Preiskategorie bei der erneuten Registrierung für den swb-Marathon, doch auch so seien die Gebühren nicht futsch, verspricht Bertschy den Läufern: „Es gibt drei Möglichkeiten – erstens die Rückerstattung, zweitens das Spenden des Beitrags, drittens eine Übertragung der Anmeldung auf das kommende Jahr.“
Denn das Anmeldeportal für den Bremer Marathon 2022 hat Bertschy auf seiner Seite vorsichtshalber schon mal eingerichtet . . .