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Affront gegen Putin? Prigoschin fordert Redefreiheit – und will Kritik am Militär zulassen

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Von: Patrick Mayer

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Chef der „Wagner“-Söldner-Truppe: Jewgeni Prigoschin.
Chef der „Wagner“-Söldner-Truppe: Jewgeni Prigoschin. © IMAGO / ITAR-TASS

Erneut mischt sich „Wagner“-Chef Jewgeni Prigoschin in die Politik in Russland ein. Er verlangt nach etwas, das Wladimir Putin offenbar rigoros unterdrückt.

München/Moskau - Der Ukraine-Krieg ist gemäß Moskauer Interpretation ja angeblich gar kein Krieg, sondern eine „militärische Spezialoperation“. Dass sich laut dem täglichen Lagebericht des ukrainischen Generalstabs die russischen Verluste mittlerweile auf mehr als 162.500 Soldaten durch Tod oder Verwundung belaufen sollen, spielt im Kreml offensichtlich eine untergeordnete Rolle.

Jewgeni Prigoschin: „Putins Koch“ mischt sich in russische Politik ein

Gerade in Bachmut im Donbass soll die russische Armee einen immensen Blutzoll für die Eroberung einzelner Straßenzüge zahlen, während eine ukrainische Scharfschützin offen darüber spricht, wie sie regelrecht Jagd auf russische Offiziere gemacht hat.

Die freie Rede ist in Russland dagegen so eine Sache. Das ZDF berichtet in der Doku „Russland und das große Schweigen“ (in der Mediathek abrufbar) über das Vermeiden von Kritik. Viele Menschen in Russland zögern, öffentlich über die Gefechte im westlichen Nachbarland zu diskutieren, weil wegen kritischer Meinungen harte Strafen wie etwa Gefängnis drohen. Genau das prangerte nun ausgerechnet „Putins Koch“ an, Jewgeni Prigoschin.

Im Video: Kompakt - Die wichtigsten News zum Russland-Ukraine-Krieg

Weil er, der kein politisches Amt besitzt, genug davon hat? Ein besonders heftiges Beispiel für mutmaßliche staatliche Repressionen vermeldete am Montag (13. März) die Kreml-nahe staatliche Nachrichtenagentur TASS.

Demnach wurde im Osten Russlands offenbar eine junge Frau von Beamten des russischen Geheimdienstes, kurz FSB, auf offener Straße festgenommen, weil sie angeblich Geld an eine gemeinnützige Stiftung in der Ukraine überwiesen haben soll, wie tz.de berichtete. 

Ukraine-Krieg: Andere Meinungen sind in Russland offenbar nicht zugelassen

Ein russischer Rechtsanwalt, Kaloy Achilgov, nannte bei Twitter die angebliche Summe, um die es gegangen sein soll: umgerechnet 30 Euro. Und stellte die Behauptungen des FSB infrage. Bei der Frau soll es sich laut TASS um eine Aktivistin der YaMyFurgal-Bewegung handeln, die sich gegen die Regierung von Kreml-Chef Wladimir Putin stemmt. Ihr drohe eine lange Haftstrafe wegen Hochverrats, hieß es. Oder weil sie einfach nur offen ihren Standpunkt kundtat?

Sind Meinungen schlicht nicht erlaubt? Insbesondere nicht Kritik am Militär? Prigoschin selbst brachte dieses Thema jetzt auf die Agenda. Das berichtet die Online-Zeitung The Moscow Times und beruft sich dabei auf die Nachrichtenagentur AFP. Zuletzt hatte Prigoschin die russische Armee wiederholt öffentlich dafür kritisiert, dass diese keine Munition mit seiner Söldner-Truppe „Wagner“ teilen würde. „Wagner“ hatte für Moskau immerhin die Frontstadt Soledar erobert, und kämpft nun auch in Bachmut.

Jewgeni Prigoschin: Machtkampf zwischen „Wagner“-Chef und Verteidigungsminister Sergei Schoigu?

Obwohl der 61-Jährige mit seiner als brutal geltenden Söldner-Truppe militärische Fortschritte erzielt, die den regulären russischen Streitkräften nicht gelangen, ist er in Moskau angeblich kaum gelitten. „Es geht im Kampf um Bachmut nicht in erster Linie um die Erreichung militärischer Ziele, sondern um einen Machtkampf in der russischen Führung“, erklärte zum Beispiel der Militärexperte Marcus Keupp bei t-online. Dieser Machtkampf tobe mutmaßlich zwischen „Wagner“-Chef Prigoschin und dem russischen Verteidigungsminister Sergei Schoigu, sie seien „verfeindet“.

Natürlich kann jeder eingesperrt werden, und ich auch.

„Wagner“-Chef Jewgeni Prigoschin

Jetzt legte Unternehmer Prigoschin, der vom Westen wegen seiner Verstrickungen sanktioniert wird, nach. Laut AFP bestand er darauf, dass er mit Blick auf seine Kritik am russischen Militär niemanden „diskreditieren“ wolle. „Ich sage nur die Wahrheit“, erklärte er demnach und fügte hinzu, dass seine Aussagen von seinen Anwälten überprüft worden seien. „Natürlich kann jeder eingesperrt werden, und ich auch“, soll er laut dem Bericht gesagt haben: „Aber in diesem Fall sollten wir nicht vergessen, dass auch 146 Millionen Russen inhaftiert werden könnten. Was ein Weg ins Nirgendwo ist.“

Jewgeni Prigoschin: Affront des „Wagner“-Chefs gegen Wladimir Putin?

Worte, wie ein regelrechtes Plädoyer für Rede- und Meinungsfreiheit? Ein Affront gegen Förderer Putin? Ein Hinweis darauf, dass in der Bevölkerung die angebliche Begeisterung über die „militärische Spezialoperation“ doch nicht so groß ist, wie vom Kreml kolportiert? Prigoschin sorgt in jedem Fall für Aufsehen. Ein weiteres Mal. (pm)

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