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Pistorius heizt Debatte um Pflichtdienst an – zugleich neue Töne zur Wehrpflicht

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Von: Felix Busjaeger

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Boris Pistorius
„Ich habe mich ausdrücklich nicht für die Reaktivierung der Wehrpflicht ausgesprochen“, sagt Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius. © Olivier Matthys/Pool AP/dpa

Die Debatte um den Pflichtdienst lässt deutsche Politiker nicht los. Wegen des Ukraine-Kriegs wird auch immer wieder über die Wehrpflicht gesprochen.

Berlin – Die Debatte flammt immer wieder auf - spätestens seit die Wehrpflicht ausgesetzt wurde: Soll Deutschland eine allgemeine Dienstpflicht bekommen, oder nicht? Der neue Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hat das Thema nun wieder auf die Agenda gebracht. Christine Lambrechts Nachfolger beklagt die Distanz vieler Menschen zu „gesamtstaatlichen Aufgaben“.

Sein Wunsch ist klar: mehr Engagement und eine offene Debatte über entsprechende Veränderungen. Gleichzeitig sprach sich Pistorius „ausdrücklich“ gegen eine Reaktivierung der Wehrpflicht aus.

Debatte um Wehrdienst und Pflichtdienst in Deutschland: Verteidigungsminister Pistorius sorgt für Vorstoß

Der Ukraine-Krieg von Russlands Präsidenten, Wladimir Putin hatte zuletzt die Debatte um die Wiedereinführung eines Pflichtdienstes, womöglich auch als Wehrdienst, neu entfacht. Erst 2011 war ebendiese nach 55 Jahren durch den damaligen Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) ausgesetzt worden. Das Wehrrechtsänderungsgesetz sieht seither vor, dass die Einberufung zum Grundwehrdienst auf einen Verteidigungsfall oder einen sogenannten Spannungsfall beschränkt wird. Zu Beginn der russischen Invasion wächst die Sorge, dass der Krieg in der Ukraine entsprechende Szenarien auslösen könnte.

Die Verteidigung eines Landes, aber auch Katastrophenschutz und Hilfe in Notsituationen sind auf den Einsatz der Bürger angewiesen – das ist auch in Deutschland so. Der Politik ist der Umstand bewusst. Auch Pistorius, der Wehrdienst im niedersächsischen Achim leistete, sieht gute Argumente für eine allgemeine Dienstpflicht zur Stärkung von Katastrophenschutz, Bundeswehr und Rettungsdiensten. 

Diskussion über Dienstpflicht in Deutschland wegen Ukraine-Krieg: Wehrpflicht laut Pistorius kein Thema

Lange wurde die Diskussionen über Dienstpflicht und Wehrpflicht in Deutschland hauptsächlich in politischen Kreisen geführt. Pistorius sieht eine Komponente, die bisher zu wenig berücksichtigt wurde: die Stimme der jüngeren Menschen. „Ich habe mich ausdrücklich nicht für die Reaktivierung der Wehrpflicht ausgesprochen“, betonte er laut einem Bericht der dpa. Vielmehr halte er die Diskussion um eine allgemeine Dienstpflicht „für wertvoll“.

Definition der allgemeinen Dienstpflicht: Was ist das überhaupt?

Doch worum geht es eigentlich bei einer allgemeinen Dienstpflicht in Deutschland? Im Grunde soll dadurch eine Möglichkeit für junge Menschen geschaffen werden, einer gemeinnützigen Tätigkeit nachzukommen. Die sogenannte Dienstpflicht würde damit analog zur ausgesetzten Wehrpflicht in Deutschland und dem Zivildienst stehen. Einsatzorte könnten dann beispielsweise der kulturelle, soziale oder militärische Bereich sein. Neben der Bundeswehr kommen hierfür zahlreiche Einrichtungen infrage.

Wehrpflicht wieder einführen in Deutschland? Pistorius will Dialog mit „jüngeren Generation“

Obwohl die Wehrpflicht in Deutschland immer noch besteht und 2011 nur ausgesetzt wurde, kam der damalige Gesetzesbeschluss einer Abschaffung gleich. Durch eine Dienstpflicht wäre es allerdings künftig auch möglich, ein Pflichtjahr bei der Bundeswehr zu verbringen. Nach elf Jahren ohne entsprechenden Regelungen ist allerdings eine Generation an jungen Menschen herangewachsen, die in der Regel weniger Bezug zur Verpflichtung an der Waffe hat. Pistorius erklärte, er sei als 62-Jähriger daher zurückhaltend, „einer Generation, die sowieso schon eine schwierige Zukunft vor sich hat, jetzt mal eben so eine allgemeine Dienstpflicht aufzubürden“.

Dennoch würde er eine Dienstpflicht in Deutschland für sinnvoll halten. „In den vergangenen Monaten ist der Eindruck entstanden, dass manche nicht die nötige Wertschätzung für Feuerwehr und Rotes Kreuz, Polizei und Bundeswehr aufbringen“, sagte Pistorius. Seiner Ansicht nach könnte man mit der allgemeinen Dienstpflicht Menschen und staatliche Organisationen wieder stärker zusammenbringen. „Sie könnte vor Augen führen, wie wichtig diese Einrichtungen für das Funktionieren unserer Gesellschaft sind.“

Wehrpflicht in Deutschland nicht abgeschafft: Bundeskanzler Scholz kündigte Sondervermögen für Bundeswehr an

Nicht zuletzt angesichts des Ukraine-Kriegs äußerte er sich überzeugt, dass Verteidigungsbereitschaft einerseits und Zivilschutz und Katastrophenhilfe andererseits zusammen gedacht werden müssten. Der neue Verteidigungsminister machte zugleich auf ein anderes Problem aufmerksam: Zwar kündigte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) im vergangenen Jahr einen „Mega-Wumms“ an, der 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr vorsah, doch dieses Sondervermögen wird mit großer Wahrscheinlichkeit angesichts der Investitionsstaus bei der Truppe nicht ausreichen.

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„Wir müssen volle Verteidigungsfähigkeit einerseits und Unterstützung eines angegriffenen Landes wie der Ukraine anderseits gewährleisten. Das ist jetzt die große Herausforderung“, sagte Pistorius. Gleichzeitig müsse aber auch klar sein, dass das Sondervermögen nicht ausreichen werde, der Verteidigungshaushalt müsse insgesamt erhöht werden. Pistorius ist aber dagegen, beim Hochfahren der eigenen Rüstungsindustrie mit Begriffen wie „Kriegswirtschaft“ zu arbeiten.

Pistorius zur Wehrpflicht in Deutschland: Distanz zwischen Gesellschaft und Bundeswehr zu groß?

Pistorius zur Wehrpflicht in Deutschland war nicht immer so zurückhaltend ausgefallen. Erst vor wenigen Tagen sorgte ein Interview mit der Süddeutschen Zeitung für Aufsehen, in dem der SPD-Politiker sagte: „Wenn Sie mich als Zivilisten fragen, als Staatsbürger, als Politiker, würde ich sagen: Es war ein Fehler, die Wehrpflicht auszusetzen.“ Seine Argumentation: Durch zahlreiche Wehrpflichtige war die Nähe zwischen Gesellschaft und Bundeswehr viel mehr gegeben. Auch die FDP vertritt aber den Grundsatz, dass eine entsprechende Pflicht der jüngeren Generation nicht einfach übergestülpt werden kann.

Pistorius ist nicht der erste Politiker, der seit Ausbruch des Ukraine-Kriegs für einen Pflichtdienst wirbt. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier kassierte für seinen Vorstoß im vergangenen Sommer heftigen Gegenwind. Was auch gegen den Wehrdienst spricht: Bundeswehr-Gerät fällt in den vergangenen Jahren immer wieder wegen Mängeln aus – zahlreiche neue Rekruten könnten Material und Kapazitäten der Truppe weiter unter Druck bringen.

Kritik um Wehrpflicht in Deutschland: FDP-Vize sieht Pflichtdienst nicht positiv

Derweil hält der FDP-Vize Johannes Vogel eine Diskussion über eine allgemeine Dienstpflicht für irreführend. „Eine Debatte über eine allgemeine Dienstpflicht ist verfassungsrechtlich noch weniger haltbar als die über eine Reaktivierung Wehrpflicht – und beides führt in die Irre“, sagte Vogel am Mittwoch.

Seine Begründung: Die jüngere Generation sei besonders stark durch „ihren außerordentlichen Beitrag in der Corona-Pandemie“ beeinflusst. Vogel sieht eine Rückkehr zur Wehrpflicht in Deutschland oder einen allgemeinen Pflichtdienst außerdem kritisch, weil dies „der Modernisierung unserer Streitkräfte und der Profi-Bundeswehr, die wir brauchen, sogar im Weg“ stünde.

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