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Ukraine-Krieg: So informieren sich Russen jetzt noch über Putins Invasion

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Von: Yannick Hanke

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Wladimir Putin führt Krieg in der Ukraine. Die Menschen in Russland können kaum mehr auf freie Medien setzen. Nicht-staatliche Informationen gibt es dennoch weiterhin.

Moskau – In vielen Ländern ist Pressefreiheit nicht nur ein Wort. Journalisten können ihrer Aufgabe und Pflicht nachkommen, über Missstände zu berichten. Zustände werden abgebildet, wie sie in der Realität vorliegen. In Russland galt das schon vor dem von Präsident Wladimir Putin geführten Ukraine-Krieg* nicht mehr. Sender, die sich kritisch äußern, müssen schließen. Wer angebliche „Falschinformationen“ über Russlands Armee verbreitet, muss mit langen Haftstrafen rechnen. Und doch gibt es sie noch, die nicht-staatlichen Informationen für russische Bürger, die sich gegen Putin stellen.

Ukraine-Krieg: Russlands Präsident Wladimir Putin schränkt Berichterstattung in seinem Land massiv ein

Die dpa verweist darauf, dass Russland zuletzt Platz 150 von 180 im Index der Organisation „Reporter ohne Grenzen“ (ROG) belegte. Noch vor Staaten wie Belarus, China oder Nordkorea, doch nicht mit weniger Sanktionen agierend. Ein neues Gesetz in Russland konfrontiert diejenigen, die angebliche Unwahrheiten über den Ukraine-Krieg und die Armee Russlands verbreiten, mit bis zu 15 Jahren Freiheitsentzug.

Zu sehen ist das Logo vom Online-Portal „Znak.com“, dessen Hauptsitz im russischen Yekaterinburg liegt.
Unabhängige Medien in Russland, die Präsident Wladimir Putin und seinem Ukraine-Krieg kritisch gegenüberstehen, dürfen kaum noch berichten. Zu groß ist die Angst um die Sicherheit der Mitarbeiter, wie auch beim Portal „Znak.com“, denen drastische Strafen drohen. © Donat Sorokin/imago

Facebook und Twitter sind im größten Land der Erde längst blockiert. Und auch etablierte Medien aus dem Ausland, darunter ARD, ZDF und die britische BBC, setzen ihre Berichterstattung aus Russland vorübergehend aus. Zu groß und schwerwiegend sind die Repressalien, die auf Medienschaffende ausgeübt werden. Und doch gibt es weiterhin Möglichkeiten, Informationen über die politische Gemengelage zu erhalten, die nicht durch den russischen Staat gefiltert wurde.

Putins Lügen im russischen Staatsfernsehen: Truppen würden im Ukraine-Krieg gegen „Neonazis“ kämpfen

Das Staatsfernsehen Russlands berichtet von russischen Soldaten, die tapfer im Nachbarland, der Ukraine, kämpfen würden. Die Truppen von Präsident Wladimir Putin seien gegen die „Neonazis“ in Kiew überlegen und würden den Donbass – eine historische, kulturelle und wirtschaftliche Region im Südosten der Ukraine – „befreien“.

Seinen Angriffskrieg gegen die Ukraine begründet Putin damit, dass er die Menschen in den ostukrainischen Gebieten vor angeblichen Angriffen ukrainischer Nationalisten in den Regierungstruppen schützen wolle. Eine Ansicht des Präsidenten Russlands, die im Staatsfernsehen publik gemacht wurde und wird.

Wegen Ukraine-Krieg: Weitere Einschränkungen der freien Meinungsäußerung in Russland durch Präsident Wladimir Putin

Am Freitagabend, 4. März 2022, hatte Putin mehrere Gesetze zur weiteren Einschränkung der freien Meinungsäußerung in Russland unterzeichnet. Hiermit wird unabhängige Medienberichterstattung noch weiter beschnitten. Wer nur die Armee öffentlich „verunglimpfen“ sollte, dem drohen bereits Strafen. Teil der ganz eigenwilligen Politik von Putin.

Als unmittelbare Reaktionen auf diesen Schritt Putins stellen immer mehr Medien ihre Berichterstattung vorerst ein. Die Seite des Portals und Exilmediums „Meduza“ mit Sitz im lettischen Riga, die auf Russisch und Englisch berichtet, ist nicht mehr erreichbar. Der bekannte, kremlkritische Radiosender „Echo Moskwy“, ein nicht-staatliches Medium, musste schließen. Medien wie „Doschd“ und „Znak“ haben ihre Arbeit vorerst eingestellt – aus Angst um die Sicherheit der eigenen Mitarbeiter.

Unabhängige russische Medien müssen Arbeit einstellen – aus Angst vor Sanktionen für die Mitarbeiter durch den Staat

Selbst die „Nowaja Gaseta“, eine dreimal in der Woche erscheinende Zeitung mit Sitz in Moskau, muss klein beigeben. Das Medium ist in der Kriegsberichterstattung erfahren und sieht sich immer wieder mit Widerständen der extremsten Art konfrontiert. Seit dem Bestehen der „Nowaja Gaseta“ im Jahr 1993 wurden bis 2021 fünf Journalisten ermordet, weitere aufgrund ihrer Arbeit verletzt.

Heute hat das russische Parlament eine Militärzensur eingeführt, ohne sie faktisch zu verkünden

Die russische Zeitung „Nowaja Gaseta“ über die von Wladimir Putin unterzeichneten Gesetze zur weiteren Einschränkung der freien Meinungsäußerung in Russland

Mittlerweile hat die Zeitung bekannt gegeben, unter den gegebenen gesetzlichen Bedingungen nicht mehr weiter über die aktuellen Ereignisse in der Ukraine berichten zu können. „Wir werden nicht länger in der Lage sein, die Wahrheit über die Kämpfe in der Ukraine zu sagen und beiden Seiten das Wort zu überlassen. Wir werden den Beschuss in den Städten unseres Bruderlandes vorübergehend vergessen müssen“, heißt es in der Stellungnahme der Redaktion.

Informationen über Ukraine-Krieg: Junge Russen nutzen Social-Media-Plattformen wie Instagram und Telegram

Vor allem für ältere, eben nicht Internet-affine Russen wird es nun zunehmend schwerer, sich unabhängig über den Ukraine-Krieg zu informieren. Verbliebene kritische Medien veröffentlichen in den sozialen Netzwerken Anleitungen zum Einrichten und Nutzen alternativer Verbindungen oder Browser. Auf diesem Wege sollen blockierte Seiten doch noch aufzurufen sein.

Instagram stellt solch ein Beispiel dar. Hier posten Nutzer Listen mit bewährten VPN-Anbietern („Virtual Private Network“) und bieten ihren Mitmenschen auch Hilfe bei der technischen Umsetzung an. Vor allem für junge Russen ist nun aber Telegramm zur wichtigsten Social-Media-Plattform geworden. Denn hier können gesperrte Medien ihre Inhalte weiterhin verbreiten.

Kreml-Gegner Alexej Nawalny: „Schockiert“ wegen „Nachrichten über die Nachrichten“

Unlängst hatte Telegram-Mitbegründer Pawel Durow verkündet, diese für viele in Russland mittlerweile einzige Informationsquelle auch künftig nicht beschränken zu wollen. Auf Telegram können auch die Kanäle von Aktivisten und Juristen verfolgt werden. „Das ist der schnellste Weg, um zu erfahren, was in der Stadt passiert und wie man bei einem Protest nicht in Gefahr gerät“, zitiert die dpa eine Moskauerin, die regelmäßig gegen Putins Vorgehen auf die Straße geht*.

Auch der inhaftierte Kreml-Gegner Alexej Nawalny hatte sich aus seinem Straflager bereits zu Wort gemeldet: „Ich bin schockiert. Nicht nur von den Nachrichten, sondern auch von den Nachrichten über die Nachrichten“, hieß es von ihm. Nawalny befürchtet hinsichtlich der Informationslage gar das Schlimmste: „Bald wird euer Zugang zu Informationen in der Freiheit so sein wie bei mir im Gefängnis. Das heißt: gar keiner“.

Modern-Talking-Star Thomas Anders informiert Fans in Russland über Ukraine-Krieg

Wäre die Lage nicht so ernst und brisant, würde es fast schon komisch anmuten, dass ausgerechnet Ex-Modern-Talking-Sänger Thomas Anders nun Menschen in Russland, die seine Fans sind, über die wahren Geschehnisse rund um den Ukraine-Krieg informieren muss. Gegenüber der „Welt“ sagte Anders, dass er nicht wisse, ob „sich die Menschen in Russland im Moment frei informieren können, weil vielleicht die Medien diese Informationen nicht zulassen“.

Ich dachte nur: Moment mal, da muss ich aber jetzt schreiben, was hier Sache ist.

Ex-Modern-Talking-Sänger Thomas Anders informiert seine russischen Fans über den Ukraine-Krieg

Aufgrund der aktuellen Geschehnisse musste Anders seine Konzertreise durch die Ukraine und Russland absagen. Vor allem russische Fans hätten darauf zum Teil mit Unverständnis reagiert. Das konnte der Sänger in dieser Form nicht stehen lassen und antwortete seinem russischen Fanclub. Er habe die Shows nicht nur wegen „eines kleinen Konflikts oder wegen eines Manövers“ abgesagt – sondern eben, weil Krieg in der Ukraine herrsche.

Cyberkrieg gegen Russlands Präsidenten Wladimir Putin: Hackerkollektiv Anonymous soll mehrere russische Fernsehsender gekapert haben

Indes wird auch der Cyberkrieg gegen Russlands Präsidenten Wladimir Putin fortgesetzt. Anonymous, ein Hackerkollektiv im Internet, soll laut „Focus Online“ zwischenzeitlich mehrere russische Fernsehsender gekapert haben. Dort sollen Bilder vom Ukraine-Krieg gezeigt worden sein. Unabhängig überprüfen ließen sich diese Angaben zunächst aber nicht.

Von dem plötzlichen Programmwechsel sollen laut dem Medienbericht unter anderem RT Frankreich, alle staatlichen TV-Sender sowie die russischen Streaming-Plattformen „Ivi“ und „Wink“ getroffen worden sein. Ein weiterer Weg, insofern sich dieser Hacker-Angriff bestätigt, um Russlands Bürgern, die sich entschieden gegen Putin stellen, die tatsächlichen Geschehnisse samt Auswirkungen vor Augen zu führen. (mit Material der dpa) * kreiszeitung.de und fr.de sind Angebote von IPPEN.MEDIA.

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