Krieg in der Ukraine: Atomwaffen – Was ist dran an Wladimir Putins Drohung?
Russlands Präsident Wladimir Putin droht dem Westen im Ukraine-Krieg indirekt mit dem Einsatz von Atomwaffen. Aber wie wahrscheinlich ist ein Nuklear-Angriff?
Update vom 1. März 2022 um 18:37 Uhr: Angesichts der weiter anhaltenden Spannungen um einen möglichen Atomwaffeneinsatz in der Ukraine hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) weiterhin zu internationaler Zurückhaltung aufgerufen. Die Nato werde nicht in den Konflikt eingreifen, stellte er noch einmal klar. „Das wäre in dieser Situation falsch“, sagte Scholz, der damit auch auf die Tatsache reagierte, dass Russland auf Befehl von Präsident Wladimir Putin die Atomstreitkräfte am Wochenende in Alarmbereitschaft versetzt hatte.
Atomwaffen: Was passiert, wenn Putin sie in der Ukraine einsetzt? Das sagen die Experten
Doch was passiert, wenn Putin wirklich Atomwaffen einsetzt? Diese Frage stellen sich viele Deutsche, doch Experten wie Carlo Masala halten dieses Szenario weiterhin für eher unwahrscheinlich. Putin habe erst die zweite Stufe ausrufen lassen, betonte der Professor der Bundeswehr-Universität in München im ZDF. „Wir stehen nicht vor einem Atomkrieg“, versuchte er zu beruhigen. Ohnehin kann Putin, an dessen Gesundheitszustand zuletzt Zweifel laut geworden waren, die Entscheidung für einen Einsatz nicht eigenständig treffen, wie dieser Überblick über das Entscheidungsprozedere beim Atomwaffeneinsatz in Russland zeigt.
Einsatz von Atomwaffen: Putin versetzt Atomstreitkräfte in Alarmbereitschaft
Update vom 27. Februar 2022 um 15:15 Uhr: Die Spannungen im Ukraine-Krieg reißen nicht ab. Am Sonntagnachmittag ordnete Russlands Präsident Wladimir Putin an, die Abschreckungswaffen der Atommacht in besondere Alarmbereitschaft zu versetzen. Er sprach allerdings nicht explizit von Atomwaffen. „Die Spitzenpersönlichkeiten der führenden Nato-Staaten lassen aggressive Äußerungen gegen unser Land zu, deshalb befehle ich dem Verteidigungsminister und dem Chef des Generalstabs, die Streitkräfte der Abschreckung der russischen Armee in ein besonderes Regime der Alarmbereitschaft zu versetzen“, sagte der Kremlchef in einer Fernsehansprache.
Hintergrund der Maßnahmen könnten verhängte Sanktionen gegen Russland sein. Die EU und weitere westliche Staaten hatten sich darauf geeinigt, russische Banken vom Banken-Kommunikationsnetzwerk Swift auszuschließen. „Sie sehen, dass die westlichen Länder nicht nur unfreundliche Handlungen gegen unser Land unternehmen. Im wirtschaftlichen Bereich – ich meine die illegitimen Sanktionen, über die alle gut Bescheid wissen“, sagte Putin an Russlands Bürger gerichtet.
Russlands Atomwaffeneinsatz: Putin droht der Ukraine – doch was ist wirklich dran an dem Szenario?
Erstmeldung vom 26. Februar um 12:37 Uhr: Berlin – 13.080 Atomwaffen – so hoch wird das Nuklear-Waffen-Arsenal der neun Atommächte dieser Welt geschätzt. Die meisten entsprechenden Raketen werden in Russland vermutet. Friedensforscher gehen von 6255 Atomwaffen aus. Genau diese atomare Schlagkraft nutzt der russische Präsident Wladimir Putin aktuell, um dem Westen im Ukraine-Krieg zu drohen. In seiner „Kriegserklärung“, die Putin selbst als Militäroperation bezeichnete, sagte Russland Machthaber unter anderem, es solle „keine Zweifel geben, dass jeder mögliche Angreifer eine Niederlage und bedrohliche Konsequenzen nie da gewesenen Ausmaßes erleben“ würde. Aber wird Russland wirklich den Atomkrieg ausrufen?
Name: | Wladimir Putin |
Geburtstag: | 7. Oktober 1952 (69 Jahre) |
Position: | Präsident |
Land: | Russland |
Viele politische Beobachter und Experten gehen aktuell nicht davon aus, dass der Ukraine-Krieg zum Einsatz von nuklearen Waffen führen wird. „Ich glaube nicht, dass ein Atomkrieg eine wahrscheinliche Folge dieser Krise ist“, sagte Dan Smith, Direktor des Stockholmer Friedensforschungsinstituts SIPRI der Deutschen Presse-Agentur.
Professorin Marina Henke über Atomwaffen: „Einsatz von Nuklearwaffen ist nicht Putins erste, zweite oder dritte Wahl.“
Marina Henke, Professorin für Internationale Beziehungen an der Hertie School Berlin sagt im Interview mit dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND): „Der Einsatz von Nuklearwaffen ist nicht Putins erste, zweite oder dritte Wahl.“ Laut dem Zürcher Sicherheitsforscher Niklas Masuhr ist Putins Drohung mit Russlands nuklearem Arsenal „eine Einschüchterungstaktik, um in der Ukraine freie Hand zu haben.“

Und die Taktik scheint aufzugehen. Da die Ukraine weder zur EU noch zur Nato gehört und der Westen zumindest einen gesunden Respekt vor Russlands Atomkraft zu haben scheint, ist die Ukraine in der Verteidigung gegen Russland weitgehend auf sich alleine gestellt – auch wenn Deutschland sich zu Waffenlieferungen durchgerungen* hat und das Hackerkollektiv Anonymous Wladimir Putin und Russlands Regierung mit Erfolg den Cyberkrieg erklärt hat. „Ich weiß, dass wir in Bezug auf die russische Atommacht militärisch nichts entgegenzusetzen haben – und das weiß Putin auch“, sagt Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn im NDR. Der Westen setze auf Diplomatie und Sanktionen. Denn „wenn die Nato sich in der Ukraine gegen die Russen stellt, dann droht ein Nuklearkrieg.“
Ex-Generalinspekteur Harald Kujat: „Die Nato wird alles daran setzen, einen Atomkrieg zu verhindern“
„Die Nato wird alles daran setzen, einen Atomkrieg zu verhindern“, sagt Harald Kujat, ehemaliger Generalinspekteur bei der Bundeswehr im Focus. Und trotzdem schwebt die Gefahr eines Nuklearangriffes von Russland nun wie eine dunkle Wolke über den ohnehin schon dramatischen Ereignissen im Ukraine-Krieg. „Putin ist unberechenbar geworden“, sagt Kujat. Und ja, die vergangenen Tage und Wochen haben bewiesen, dass Russlands Präsident sich nicht gerne in die Karten schauen lässt.
Was passiert also, wenn Wladimir Putin, der sich mit einer Vielzahl von Oligarchen-Freunden umgibt, trotz aller Erwartungen doch den – im übertragenen Sinne – Abschuss-Knopf seiner Atomwaffen drückt? Laut Ex-Generalinspekteur Kujat wäre die darauffolgende Eskalationskette so verheerend, „dass wir Europa abschreiben könnten.“ Und SIPRI-Direktor Dan Smith sieht die Gefahr dafür zumindest nicht bei Null: „Wenn Atomwaffen existieren, dann gibt es leider natürlich immer diese kleine Möglichkeit. Und das wäre katastrophal.“ Immerhin verfügt Wladimir Putin auch über eine Vielzahl von Hackern, für die Russlands Präsident zumindest im Vorfeld des Ukraine-Kriegs Verwendung gefunden hat.
Internationale Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen warnt: „Risiko eines Atomwaffeneinsatzes steigt“
Um das Horror-Szenario zu verhindern, hat die Internationale Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen (ICAN) bereits am Donnerstag die Weltgemeinschaft dazu aufgerufen, den russischen Präsidenten mit Nachdruck zu “Dialog und Diplomatie“ zurückzubringen. Bei einer Stellungnahme sagten Vertreter der Kampagne: „Von seinen Worten und Taten her ist klar, dass der Einsatz von Atomwaffen immer auf dem Tisch ist und das Risiko eines Atomwaffeneinsatzes steigt.“
Und was ist, wenn tatsächlich der Ernstfall eintritt? Sollte es wirklich zum Einsatz von Atomwaffen kommen, dann rechnet Expertin Marina Henke nicht damit, dass ganze Atomraketen Metropolen wie New York oder Berlin zerstören. „Am plausibelsten wäre der Einsatz von taktischen Nuklearwaffen als Signal an Nato und den Westen“, sagt die Professorin für Internationale Beziehungen. Im Gegensatz zu strategischen Atomwaffen haben die kleinen taktischen Nuklearraketen nur eine geringe Sprengkraft und dienen eher der psychologischen Kriegsführung.
Stockholmer Friedensforschungsinstitut SIPRI beobachtet Erweiterung der weltweiten Atomwaffen
Allerdings folgt auf jede kriegerische Handlung auch immer eine Antwort. Es ist unklar, wie die Nato auf einen atomaren Erstschlag von Russlands Präsident Wladimir Putin reagieren würden. Fakt ist aber: Nicht nur Russland verfügt über ein reiches Arsenal an Nuklearwaffen. Zu den neun Atommächten gehören auch die USA, Frankreich, Großbritannien, China, Indien, Israel, Pakistan und Nordkorea. US-Präsident Joe Biden hat Schätzungen zufolge die Macht über die meisten einsatzbereiten Atomwaffen.
Laut Angaben des Stockholmer Friedensforschungsinstituts SIPRI sei aktuell ein Ausbau des atomaren Waffenarsenals in einigen Ländern zu beobachten. Die Atommächte entwickeln demnach neue Waffensysteme, setzen diese bereits ein oder haben zumindest entsprechende Pläne. Deutschland selbst besitzt zwar keine Atomwaffen, als Mitgliedsstaat der Nato sind allerdings Nuklearwaffen und passende Trägersysteme bei uns stationiert. * kreiszeitung.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA.