Experten sicher: Europa gewinnt gegen Putin den Energie-Krieg

Putins Drohungen beeindrucken den Westen wenig: Europa unterstützt die Ukraine weiterhin und will sich wirtschaftlich unabhängiger machen – offenbar mit Erfolg.
Moskau – Die Folgen des Ukraine-Kriegs gingen mit einschneidenden Veränderungen für die europäische Wirtschaft einher. Russland hatte im Zuge der erlassenen Sanktionen aus dem Westen die Gaslieferungen nach Europa gekappt und Ländern gedroht, die den Preisdeckel für russisches Öl unterstützen. Doch auch Moskau bekommt immer stärker die Folgen der westlichen Sanktionen zu spüren. Experten sprechen parallel von einem „Energie-Krieg“ Europas gegen Putin. Bislang konnten die europäischen Länder dem Druck Putins sehr gut standhalten und werden dies weiterhin tun, vermuten Experten. „Die Russen haben eine starke Waffe: Gas. (...) Doch die haben sie schon aufgebraucht“, zitierte die Zeitung politico einen EU-Diplomaten.
Europa im „Energie-Krieg“ gegen Putin im Vorteil: Experten ziehen positive Bilanz
Infolge der westlichen Wirtschaftssanktionen hat Russlands Präsident Wladimir Putin versucht, Gas als Druckmittel einzusetzen. Nachdem die europäischen Gaspreise infolge der gekappten Gaslieferungen zwischenzeitlich die 200-Euro-Marke geknackt hatten, brachen die Preise wieder ein. Derzeit liegt der Gaspreis bei 65 Euro je Megawattstunde – so günstig war europäisches Gas zuletzt im Juni 2022. Grund für den Preissturz könnte das milde Wetter sein.
Zudem könnten die Preise laut politico.eu ein Zeichen des europäischen Erfolgs sein, unabhängiger von russischen Gaslieferungen zu werden. Die Inbetriebnahme der LNG-Terminals spielen dabei eine wichtige Rolle. Europäische Länder haben laut Angaben von einer Oxford Studie die LNG-Importe anderer Handelspartner von 83 Milliarden Kubikmeter auf 141 Milliarden Kubikmeter in 2022 erhöht. Das deckt ein Drittel der bislang aus Russland erhaltenden Gaslieferungen für Europa ab.
Öl-Embargo und sinkende Preise: Putin bekommt Energie-Sanktionen des Westens zu spüren
Während sich Europa allmählich von den wirtschaftlichen Folgen erholt, bekommt Putin immer mehr die Sanktionen des Westens zu spüren. Einer Analyse des Think Thanks Zentrums für Recherche über Energie und Saubere Luft (CREA) zufolge verliert Russland 160 Millionen Euro am Tag aufgrund des Öl-Embargos und der von G7 beschlossene Preisgrenze für russisches Öl. Zwar hat Russland durch Öl- und Gasexporte aus 2022 einen Umsatz von 155 Milliarden Euro gemacht, doch mit den fallenden Öl- und Gaspreisen wird dieser laut Kreml-Angaben 23 Prozent sinken. Ohnehin sprechen Statistiken für Russlands schlechte Stellung im Ukraine-Krieg, denn Putin hat eine viel kleinere Kriegskasse als die Ukraine und kann russische Militäroperationen kaum noch finanzieren.
Putin setzt Europa wirtschaftlich unter Druck – doch Europa zeigt weiterhin Solidarität
Auch wenn Europa dem wirtschaftlichen Druck Putins bislang gut standgehalten hat, geben Experten zu bedenken, dass der „Energie-Krieg“ noch nicht vorbei sei. „Es ist noch früher Winter und es könnte immer noch vieles schiefgehen“, sagte Wirtschaftswissenschaftler Dieter Helm aus Oxford. Daher sei es noch zu früh, um zu sagen, ob Europa als Gewinner hervorgehe. „Aber Europa hat sich viel besser geschlagen, als die meisten vermutet haben“, so Helm. Unter anderem könnten die hohen Energiepreise für europäischen Verbraucher weiterhin ein Problem bleiben.
Trotzdem kommen die Experten zum Schluss, dass Putin verfehlt habe, Europa unter Druck zu setzen. Sowohl politisch als auch wirtschaftlich hätten Europäer ihre Solidarität gegenüber der Ukraine gezeigt, resümierte Helm. Laut einer Umfrage aus dem Herbst letzten Jahres wollen 73 Prozent weiterhin die Ukraine unterstützen würden und befürworten die Sanktionen gegenüber Russland. (bohy)