Strompreise und Gaspreise auf Höhenflug: Erneute Steigerung um 19,5 Prozent angekündigt

Gas und Strom sind in Deutschland so teuer wie nie und eine Entspannung der Preise ist nicht in Sicht. Experten befürchten nun weitere Preisexplosionen.
Heidelberg – In Zeiten des Kriegs in der Ukraine und Robert Habecks Osterpaket, das die Energiewende in Deutschland vorantreiben soll, sorgen hohe Energiepreise derzeit für leere Taschen bei vielen Verbrauchern. Die Prognosen sind düster: Um die kommenden Stromrechnungen oder Gasrechnungen zu begleichen, müssen viele Menschen immer mehr Geld aufwenden. Doch offenbar ist noch nicht die Spitze der Preissteigerungen erreicht. Das Vergleichsportal Veriovox befürchtet, dass die Preise in den kommenden Monaten noch weiter steigen können.
Gaspreise und Strompreise in Deutschland: LNG-Terminals sollen Abhängigkeit vom russischen Gas lösen
Während Deutschland versucht, sich aus der Abhängigkeit vom russischen Gas zu lösen, entwickeln sich die Gaspreise hierzulande sprichwörtlich explosionsartig. „Alle Gasanbieter in Deutschland haben mit historisch hohen Einkaufspreisen zu kämpfen“, sagte Verivox-Experte Thorsten Storck. Der Krieg in der Ukraine und ein mögliches Gas-Embargo würden die Situation zusätzlich verschärfen. Seine Prognose ist dabei klar: Verbraucher müssen damit rechnen, dass der Gaspreis für sie in den kommenden Monaten weiter ansteigen wird. Niedersachsen versucht derweil Alternativen zu schaffen: Der Bau von LNG-Terminals nimmt langsam Gestalt an.
Die deutsche Politik hat das Problem zwar längst erkannt und steuert mit einem großen Entlastungspaket 2022 gegen, allerdings ist zu erwarten, dass die geplanten Maßnahmen angesichts der sich weiter zuspitzenden Lage kaum ausreichen wird. Unter anderem hat die Bundesregierung von Olaf Scholz (SPD) eine Energiepauschale 2022 angestoßen, die Steuerzahlern zugutekommen soll. Mit einem Tankrabatt für Benzin und Diesel soll zudem Autofahrern geholfen werden.
Steigende Strompreise: Verivox ermittelt Preissteigerung von 19,5 Prozent
Wie ernst die Lage auf dem deutschen Energiemarkt ist, zeigen indes auch die jüngsten Entwicklungen unter den Anbietern. Veriovox berichtet, dass Grundversorger, in deren Gebiet 13 Millionen Haushalte liegen, für die Monate April, Mai und Juni beim Strompreis 166 Erhöhungen angekündigt hätten. Für Verbraucher kommt es dabei besonders dick: Im Durchschnitt verteuern sich die Tarife um etwa 19,5 Prozent. Wie viele dieser Haushalte bei den Grundversorgern Verträge haben oder bei anderen Anbietern sind, ist laut Informationen der Deutschen Presse-Agentur nicht bekannt.
Um den steigenden Strompreisen entgegenzuwirken, hat Robert Habeck mit seinem Osterpaket erneut bekräftigt, dass Verbraucher in Deutschland ab Juli an keine EEG-Umlage mehr über die Stromrechnung bezahlen müssen. Die Umlage zur Förderung von Ökostrom wird dann aus dem Bundeshaushalt beglichen und Stromanbieter sollen verpflichtet werden, die Entlastung vollständig an ihre Kunden weiterzugeben. Laut Storck wird das allerdings den Anstieg der Energiekosten „nur leicht abmildern“. Innerhalb eines Jahres hätte sich der Großhandelspreis für Stromversorger nämlich verdreifacht.
Entwicklung Gaspreis und Strompreis: Veriovox sieht weitere Kostenexplosion für Deutschland
Für Verbraucher könnten sich die kommenden Preisentwicklungen bei Gas und Strom ernüchternd zeigen. Nach Berechnung von Verivox haben sich die Strompreise in Deutschland binnen eines Jahres um etwa die Hälfte erhöht. Konkret bedeutet das, dass ein Haushalt mit einem Jahresverbrauch von 4000 Kilowattstunden inzwischen etwa 1737 Euro pro Jahr zahlen muss, vor einem Jahr lag der Durchschnitt noch bei 1171 Euro. Während diese Preisentwicklung bereits besorgniserregend ist, zeigt sich die Entwicklung beim Gaspreis noch dramatischer.
Erste Stufe des Notfallplanes Gas: Deutschland bereitet sich auf Lieferengpässe vor
Innerhalb eines Jahres stieg der Gaspreis in Deutschland durchschnittlich um 135 Prozent an. Musste eine beispielhafte Familie mit einem Gasverbrauch von 20.000 Kilowattstunden im April 2021 noch 1184 Euro pro Jahr ausgeben, so sind es derzeit 2787 Euro. Für den Fall von Lieferengpässen beim Gas hat Deutschland inzwischen die erste Stufe des Notfallplanes Gas ausgerufen.
Derweil soll das Entlastungspaket 2022 der Bundesregierung auch eine Energiewende anstoßen: Mit dem 9-Euro-Ticket für Bus und Bahn soll der öffentliche Nahverkehr gefordert werden. Weitere Maßnahmen sind ein Zuschuss für Empfänger von Hartz IV sowie ein Kinderbonus.
Kritik an Robert Habecks Osterpaket: Industrie und Handel sieht Nachbesserungsbedarf
Während Gas und Storm in Deutschland weiter kostspieliger werden, fordert der Deutsche Industrie- und Handelskammertag Nachbesserungen beim geplanten Ausbau des Ökostroms. „Die größten Hindernisse beim Ausbau erneuerbarer Energien liegen bisher in fehlenden Flächen, langen Planungs- und Genehmigungsverfahren und dem Mangel an Fachkräften. Abgesehen von der Windkraft auf See gibt es in dem Paket aber nur wenige Lösungsansätze für diese Probleme“, sagte DIHK-Präsident Peter Adrian der dpa. Robert Habecks Osterpaket sah vor, bis 2030 80 Prozent des deutschen Strombedarfs aus grünen Quellen zu beziehen.
Laut DIHK sei dies angesichts der Auflagen in Deutschland derzeit kaum möglich. Adrian sagte, gerade bei Solar-Anlagen blieben zahlreiche bürokratische Anforderungen erhalten, die den Ausbau bremsten. „Hierzu zählt beispielsweise, dass die gemeinsame Nutzung von Solarstrom in einem Gewerbegebiet durch rechtliche Regelungen behindert wird“, sagte er. Zudem sei es aus Sicht vieler Unternehmen völlig unverständlich, dass im Gesetzespaket der Zubau erneuerbarer Energien über Direktlieferverträge vernachlässigt werde – hierdurch würden sich Unternehmen gegen steigende Strompreise besser absichern können. (Mit Material der dpa) * kreiszeitung.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA.