Partisanenkrieg gegen Putin: Meldungen über Geiselnahmen durch Regimegegner – Deutscher mittendrin?
In Russland kommt es zu Gefechten zwischen pro-ukrainischen Partisanen und russischen Streitkräften. Mittendrin: ein in Deutschland aufgewachsener Rechtsextremist.
Brjansk/Moskau – Nach dem Partisanen-Angriff in der russischen Grenzregion Brjansk kommen immer mehr Details ans Licht – und die schlechten Nachrichten für Wladimir Putin werden nicht gerade weniger: Mindestens sechs Menschen sollen die Partisanen im Dorf Sushany als Geiseln genommen haben. Zuvor ist der Ort laut Gouverneur Alexander Bogomaz mit einer Drohne angegriffen worden. Doch die Faktenlage ist unklar.
Ein Kämpfer des „Russischen Freiwilligenkorps“ bestätigte dem russischen Investigativmedium Istories zumindest, dass man sich in das Gebiet Brjansk begeben hat. „Ich komme gerade von dort. Wir hatten 45 Leute für diese Aufgabe. Wir kamen dorthin, filmten unsere Sache und überfielen zwei Schützenpanzer. Ich habe keine verletzten Kinder gesehen. Aber es gab einen verletzten Grenzsoldaten. Es wurden keine Geiseln genommen“, sagte der namentlich nicht genannte Mann.
Der in Lettland ansässigen russischen Exilnachrichtenagentur Meduza zufolge hat sich die aus rund 50 Personen bestehende Gruppe einen bewaffneten Kampf mit russischen Soldaten geliefert. Die russische Staatsagentur Tass teilte mit, dass es bei den Zusammenstößen „Tote und Verwundete“ gegeben haben soll. Sowohl in russischen als auch in ukrainischen Medienberichten variiert der Hintergrund der Partisanen: während in russischsprachigen Medien eher von „ukrainischen Saboteuren“ die Rede ist, berichtet man in der Ukraine teils von russischen Kriegsgegner:innen.

Nach Partisanenangriff in Russland: Nutzt Moskau schon bald das K-Wort?
Kreml-Sprecher Dmitri Peskow sagte am Donnerstag (2. März), Präsident Putin werde regelmäßig über die kritische Lage in der Region Brjansk informiert. Sowohl Peskow als auch Putin nannten den Partisanenangriff einen „terroristischen Anschlag“. Der russische Geheimdienst FSB wurde deutlich und teilte in einer Erklärung mit, dass man Maßnahmen ergreifen werde, „um die bewaffneten ukrainischen Nationalisten, die die Staatsgrenze verletzt haben, zu vernichten“.
Auf die Frage, ob sich dadurch der Status des Krieges, der von Moskau offiziell als „militärische Spezialoperation“ bezeichnet wird, ändern würde, sagte Peskow der Presse: „Ich weiß es nicht, ich kann es noch nicht sagen.“ Würde der Kreml die „militärische Spezialoperation“ künftig offiziell als „Krieg“ einstufen, dürfte die russische Bevölkerung eine weitere Mobilisierungswelle erwarten. Denn Moskau könnte die Kämpfe im eigenen Land entsprechend ausnutzen, um eine personelle Aufrüstung in der Ukraine vor dem eigenen Volk zu rechtfertigen.
Russland: Pro-ukrainischer „Russischer Freiwilligenkorps“ ruft zur Rebellion auf
Der ukrainische Präsidentenberater sprach hingegen von einer „klassischen absichtlichen Provokation“ Russlands und erklärte, dass der Kreml „sein Volk erschrecken“ wolle, um den Ukraine-Krieg sowie „die wachsende Armut“ zu rechtfertigen. Gleichzeitig betonte er jedoch die „immer stärker und aggressiver“ werdende Gegenbewegung in der Russischen Föderation. „Fürchtet euch vor euren Partisanen“, sagte Podoljak.
Tatsächlich stecken hinter den Partisanen offenbar russische Staatsbürger. In den vergangenen Tagen hatte sich das sogenannte „russische Freiwilligenkorps“ vermehrt in den sozialen Netzwerken präsentiert. Man sei keine „ukrainische Aufklärungs- und Sabotagegruppe“, sondern v ielmehr eine Gruppe russischer Soldaten, die beweisen würden, „dass das freie russische Volk mit Waffen in der Hand“ gegen Putins Regime kämpfen könne, hieß es auf Telegram. Andere Behauptungen seien schlicht „Lügen der Kreml-Propagandisten“.
Einem Bericht der Ukrainska Pravda zufolge handelt es sich bei den Kämpfern um eine im August 2022 gegründete Einheit russischer Freiwilliger, die sich der Ukraine angeschlossen haben. Nach mehr als einem Jahr Krieg, rufen die Kämpfer jetzt auch andere Menschen zu den Waffen: „Es ist an der Zeit, dass die einfachen russischen Bürger erkennen, dass sie keine Sklaven sind. Rebelliert und kämpft!“, sagte ein Vertreter gegenüber dem ukrainischen Sender Suspilne.
Aufgewachsen in Köln: Russischer Rechtsextremist führt offenbar Partisanen an
Die Investigativjournalist:innen von Istories identifizierten den Anführer der Partisanen inzwischen als Denis Kapustin alias „Nikitin“. Wie der Spiegel berichtet, soll der gebürtige Moskauer im Jahr 2001 mit seiner Familie nach Deutschland ausgewandert worden sein – jedoch nicht als Spätaussiedelnde, sondern als jüdische Geflüchtete. In der Bundesrepublik sei er dann in Köln aufgewachsen und zu einer Führungsfigur der rechtsextremen Kampfsportszene avanciert.
Laut Spiegel-Recherchen sei der Russe 2019 aus Deutschland ausgewiesen und zehn Jahre lang aus dem Schengenraum verbannt worden – die Gründe sind allerdings nicht näher bekannt. Istories berichtet, dass der Rechtsextremist aber bereits 2017 nach Kiew zog, wo er den Kampfclub Reconquista eröffnet haben soll. Der Club habe Nationalisten und rechtsextreme Kampfsportler aus aller Welt angezogen.
Dem Guardian zufolge war Kapustin jahrelang Teil der Kölner Hooligan-Szene, weshalb er an zahlreichen Massenschlägereien und Überfällen auf gegnerische Fans beteiligt war. In einem Interview mit der britischen Zeitung äußerte er sich rassistisch, als er erklärte, „wenn wir jeden Tag einen Einwanderer töten, sind das 365 Einwanderer pro Jahr. Aber Zehntausende von ihnen werden trotzdem kommen“. Inzwischen habe er erkannt, dass „wir die Folgen bekämpfen und nicht die Ursache“ – man konzentriere sich daher auf die sozialen Medien, und nicht mehr auf die Straße. Inzwischen scheint sich sein Kampf gegen Russland zu richten. (nak)