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Kalter Krieg über der Ostsee: Nato fängt Russen-Kampfjets ab

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Von: Felix Busjaeger

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Sukhoi Su-35S-Kampfjet der russischen Armee im Ukraine-Krieg
Sukhoi Su-35S-Kampfjet der russischen Armee im Ukraine-Krieg: Über der Ostsee werden Russlands Flieger immer wieder von der Nato abgefangen. © Russian Defence Ministry Press/Imago

Provokationen über der Ostsee zwischen Kampfjets nehmen zu – besonders seit Ausbruch des Ukraine-Kriegs. Die Nato reagiert.

Berlin – Bahnt sich über der Ostsee ein neuer Nebenschauplatz im Ukraine-Krieg, oder ist er schon längst? Seit Beginn der Kampfhandlungen vor knapp einem Jahr mehren sich im Luftraum über dem Meer, an das unter anderem Deutschland, Russland, das Baltikum und skandinavische Länder grenzen, die Begegnungen zwischen Kampfjets unterschiedlicher Nationen. Es bleibt bei Provokationen oder sogenannten Begleitflügen, doch am Ende stellt sich die Frage, ob nicht längst ein neuer „Kalter Krieg“ um die Lufthoheit über der Ostsee ausgebrochen ist. Die Zahlen sind alarmierend: 2022 will die Nato 570 Zwischenfälle mit russischen Jets verzeichnet haben.

Russische Kampfjets über Ostsee: Ton seit Ausbruch des Ukraine-Kriegs rauer geworden

Der Ton in Europa ist sei Ausbruch des Ukraine-Kriegs deutlich rauer geworden. Während die Europäische Union in die schwerste Inflation seit Gründung schlitterte und weiterhin versucht, sich aus der Abhängigkeit von russischen Rohstoffen wie Erdgas zu lösen, sorgten Kreml-Chef Wladimir Putin und seine Vertrauten regelmäßig für Provokationen gen Westen. Spätestens mit der Ankündigung, dass sich Schweden und Finnland auf den Weg in die Nato machen würden, erreichten die verbalen Drohungen einen neuen Höchststand.

Dmitri Medwedew, stellvertretender Leiter des Sicherheitsrates der Russischen Föderation und kein Freund von zurückhaltenden Worten, war zwar auch schon zuvor durch Drohungen mit Atomwaffen aufgefallen, doch seine Verschwörungstheorien und martialische Äußerungen spitzten sich in der Folge weiter zu. Nicht ohne Grund: Sollte Finnland der Nato zugehörig werden, würde das Bündnis einen deutlich größeren Operationsraum an der Grenze zu Russland erhalten. Im Kreml wird wohl alleine dieses mögliche Szenario als große Bedrohung verstanden.

Luftbegegnungen nehmen zu: Nato fliegt 2022 insgesamt 570 Einsätze wegen russischen Kampfjets

Der Ukraine-Krieg ist mit großer Wahrscheinlichkeit nun auch der Grund für die zahlreichen Luftbegegnungen über der Ostsee. Wie das RedationsNetzwerk Deutschland von einem Nato-Beamten exklusiv erfahren hat, haben Nato-Jets in Europa 570 Einsätze geflogen, um russische Militärflugzeuge abzufangen, die sich dem Luftraum des Bündnisses näherten. Die meisten Einsätze fanden dabei über der Ostsee statt und verliefen „professionell“. In der Regel wurden die russischen Kampfjets über der Ostsee abgedrängt, sodass eine weitere Eskalation vermieden werden konnte.

Provokationen an der Grenzen der Lufträume sind allerdings kein Phänomen des Kriegs in der Ukraine: Bereits in den Jahren zuvor kam es regelmäßig zu entsprechenden Begegnungen zwischen Nato-Jets und russischen Flugzeugen. Allerdings stieg ihre Zahl im Jahr 2022 deutlich an. Abgesehen von Luft-Luft-Begegnungen kam es allerdings auch in wenigen Fällen zu Vorfällen, bei denen russische Kampfjets Nato-Schiffe mit geringem Abstand überflogen hätten. Derweil gewinnt Putins Propaganda auch im Internet mithilfe von prorussischen Influencern an Einfluss.

Russland fliegt während Ukraine-Krieg Manöver über Ostsee: Nato ist alarmiert

Doch welche Lufthoheit wird durch Russland über der Ostsee immer wieder beinahe verletzt? Häufig finden die Begegnungen im Luftraum von Estland, Lettland und Litauen statt. Die russische Luftwaffe setzt bei ihren Provokationen auf unterschiedliche Flugzeuge. Mal sind es kleinere Kampfjets, aber mal auch größere Transportflieger. Immer wieder fällt ein gleiches Schema auf, mit dem die russischen Piloten agieren. Sie verweigern Kommunikationsversuche und sorgen dafür, dass ihre Identifikation erschwert wird.

Nachdem sie schließlich von Nato-Maschinen abgefangen und identifiziert wurden, drehen die russischen Maschinen am Ende meistens wieder ab. Während Russland in der Ukraine seit Monaten gegen die ukrainischen Streitkräfte kämpft, die massiv vom Westen unterstützt werden, haben die Provokationen am Himmel über der Ostsee vor allem einen Grund: testen, was geht. Sollte der Westen, in dem Fall die Nato, es auch nur einmal versäumen, russische Kampfjets über der Ostsee abzufangen, könnte das im Kreml als Zeichen für Ermüdung oder Schwäche verstanden werden.

Russland fängt Flugzeug aus Deutschland ab: Luftraum vor Kaliningrad nicht verletzt

Zur Realität gehört aber auch, dass Russland ebenso Flugzeuge der Nato abfängt. So kam es im vergangenen Januar an der Grenze zum Hoheitsgebiet Russlands zu einem Zwischenfall mit einem deutschen Seeaufklärungsflugzeug. Eine russische Su-27 stieg demnach auf, das deutsche Marineflugzeug drehte ab. Die Informationen stammen vom russischen Verteidigungsministerium. Die Grenze sei nicht verletzt worden, hieß es weiter.

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Von der Deutschen Marine hieß es bezüglich des Vorfalls, dass ein Flugzeug bei einem Routine-Aufklärungsflug im internationalen Luftraum vor Kaliningrad zeitweise von einer russischen Maschine begleitet worden war. Die Bundeswehr operiert mit ihrem Marinefliegergeschwader über der Ostsee aus unterschiedlichen Gründen, unter anderem dienen die Flüge der Aufklärung, der Seeraumüberwachung und der U-Boot-Jagd.

Kampfjets über der Ostsee: Russland und Nato provozieren sich seit Kalten Krieg

Die Ostsee ist allein historisch bedingt ein wichtiger Schauplatz: Auch im Kalten Krieg verlief hier die Grenze zwischen der Sowjetunion und dem Westen. Provokationen zu See oder in der Luft gehörten zur Tagesordnung und auch über 30 Jahre nach dem Zerfall der UdSSR hat das Säbelrasseln nicht nachgelassen – auf beiden Seiten. Die Nato hat sich in den vergangenen Jahren massiv gerüstet, verfügt entlang der Grenzregionen über Hightech-Überwachung und schnelle Eingreifgeschwader. Ziel ist es weiter, trotz der Provokationen weiter Entschlossenheit zu zeigen. Die globale Aufrüstung zeigt sich auch daran, dass der Verkauf von Waffen weltweit boomt.

Dass allerdings nicht nur Russland mit seinen Flügen provozieren könnte, zeigte etwa auch der Besuch des US-Zerstörers „USS Roosevelt“ vor einigen Wochen in Rostock. Wie bereits erwähnt, wird sich auf lange sich das Operationsgebiet der Nato im Ostseeraum massiv erweitern, und die Nato ist bemüht, durch Manöver ihre Stärke zu zeigen. Womöglich ist der rege russische Flugverkehr an den Grenzen zur Nato im vergangenen Jahr eine Reaktion auf die jüngsten Entwicklungen der Machtumverteilung im Ostseeraum.

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