Nato: Aufgaben, Mitglieder, Ziele – und die Rolle im Ukraine-Krieg
Was ist eigentliche die Nato? Eine Frage, die im Rahmen des Ukraine-Kriegs öfters aufkommt. Das Atlantische Bündnis hat eine lange Tradition und viele Aufgaben.
Brüssel (Belgien) – April 1949, der Zweite Weltkrieg ist seit vier Jahren vorbei. Die globale Gemeinschaft will und muss aus ihren Fehlern lernen und ruft das politisch-militärische Bündnis „North Atlantic Treaty Organization“, kurz Nato, ins Leben. Hierzulande ist auch oft vom „Nordatlantikpakt“ die Rede. Das Ziel damals: die kommunistischen Staaten davon abzuhalten, gegen die westlichen Länder Krieg zu führen. Mehr als siebzig Jahre später führt Russlands Präsident Wladimir Putin den Ukraine-Krieg*. Welche Pflichten kommen nun aber der Nato zu?
Nato: „North Atlantic Treaty Organization“ soll kommunistische Staaten davon abhalten, gegen westliche Länder Krieg zu führen
In ihrem völkerrechtlichen Vertrag bekennen sich die Mitglieder der Nato zu Frieden, Demokratie, Freiheit und der Herrschaft des Rechts. Die Organisation selbst verfügt über keine Hoheitsrechte. Deswegen behalten all ihre Mitgliedsstaaten ihre volle Souveränität und Unabhängigkeit.

Bestand das Nato-Hauptquartier zunächst in London, sollte die Zentrale über Paris nach Brüssel verlegt werden. Dort hat der Nordatlantikrat, das Hauptorgan der Nato, seit 1967 seinen Sitz. Das Bündnis, seinerzeit von den USA, Kanada sowie zehn europäischen Staaten gegründet worden, sollte ursprünglich nur 20 Jahren existieren. Wegen des Kalten Kriegs wurde der Nordatlantikpakt 1969 aber auf unbestimmte Zeit verlängert – und dauert bis in die Gegenwart an.
Ukraine-Krieg: Russlands Präsident Wladimir Putin startet militärische Invasion – Nato hält sich aus Konflikt heraus
Februar 2022, der Ukraine-Krieg beginnt. Der Rädelsführer ist Russlands Präsident Wladimir Putin, der gezielt Unwahrheiten verbreitet, um seinen Angriffskrieg auf das osteuropäische Land zu rechtfertigen. Freie Medien in Russland sind rar gesät, Putin hat die Sanktionen gegen die Berichterstattung von vermeintlichen „Falschinformationen“ verschärft. Es drohen bis zu 15 Jahren Haft.
Auf den Straßen in Moskau, aber auch in anderen russischen Städten, wird massiv gegen den von Putin initiierten Ukraine-Krieg protestiert*. Die Kreml-Kritiker riskieren dabei ihre Freiheit, immer wieder kommt es zu Ausschreitungen. Weltweit finden Proteste gegen den militärischen Wahn- und Irrsinn statt, der Zivilisten das Leben kostet, Städte zerstört und bereits über eine Million Ukrainer in die Flucht getrieben hat. Und die Nato? Hält sich aus Gründen zurück.
Nato verstärkte Streitkräfte an Ostgrenze wegen Ukraine-Krise bereits 2014
Erst 2014 hatte die Nato wegen der Ukraine-Krise ihre Streitkräfte an der Ostgrenze verstärkt. Klaus Naumann, ehemaliger Vorsitzender des Nato-Militärausschusses, wollte dieses Vorgehen damals nicht als eine Art von Säbelrasseln verstanden wissen. Gegenüber dem „Deutschlandfunk“ hielt er es für unwahrscheinlich, dass die Nato und ihre Mitgliedsstaaten militärische Reaktionen auf ein mögliches Vorgehen Russlands in der Ostukraine folgen lassen könnten.
Diese Länder sind in der Nato
- Albanien (Nato-Beitritt: 2009)
- Belgien (Nato-Beitritt: 1949)
- Bulgarien (Nato-Beitritt: 2004)
- Dänemark (Nato-Beitritt: 1949)
- Deutschland (Nato-Beitritt: 1955)
- Estland (Nato-Beitritt: 2004)
- Frankreich (Nato-Beitritt: 1955)
- Griechenland (Nato-Beitritt: 1952)
- Großbritannien (Nato-Beitritt: 1949)
- Italien (Nato-Beitritt: 1949)
- Island (Nato-Beitritt: 1949)
- Kanada (Nato-Beitritt: 1949)
- Kroatien (Nato-Beitritt: 2009)
- Lettland (Nato-Beitritt: 2004)
- Litauen (Nato-Beitritt: 2004)
- Luxemburg (Nato-Beitritt: 1949)
- Montenegro (Nato-Beitritt: 2007)
- Niederlande (Nato-Beitritt: 1949)
- Nordmazedonien (Nato-Beitritt: 2020)
- Norwegen (Nato-Beitritt: 1949)
- Polen (Nato-Beitritt: 1999)
- Portugal (Nato-Beitritt: 1949)
- Rumänien (Nato-Beitritt: 2004)
- Slowakei (Nato-Beitritt: 2004)
- Slowenien (Nato-Beitritt: 2004)
- Spanien (Nato-Beitritt: 1982)
- Tschechien (Nato-Beitritt: 1999)
- Türkei (Nato-Beitritt: 1952)
- Ungarn (Nato-Beitritt: 1999)
- USA (Nato-Beitritt: 1949)
Acht Jahre später kann nicht mehr im Konjunktiv gesprochen werden – was die militärische Intervention Russlands in die Ukraine betrifft. Der Angriffskrieg von Wladimir Putin wirft vermehrt die Frage auf, welche Rolle nun eigentlich die Nato einnimmt. Am Freitag, 4. März 2022, hatte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg ein Eingreifen des Bündnisses ausgeschlossen. Und das aus einem guten Grund.
„Verheerende Folgen“: Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg warnt vor Eingriff in den Ukraine-Krieg durch Nordatlantikpakt
Denn eine Ausweitung des Ukraine-Kriegs durch die Nato hätte „verheerende Folgen“, mahnte Stoltenberg. Der Norweger stellte aber auch klar, dass man dennoch eng an der Seite der Ukraine stehen und das von Wolodymyr Selenskyj regierte Land im Bemühen unterstützen würde, den russischen Angriff abzuwehren.
„Wenn wir das täten, wäre ein umfassender Krieg in Europa die Folge, der viel mehr Länder einschließen und noch mehr menschliches Leid verursachen würde.
Nato-Unterstützung also, doch nicht um jeden Preis. Denn der Forderung der ukrainischen Regierung, die Allianz aus 30 Mitgliedsstaaten solle eine Flugverbotszone über dem Kriegsland überwachen, könne die Nato nicht nachkommen. Denn um solch eine Flugverbotszone zu kontrollieren, müsste die Nato auch „russische Flugzeuge abschießen“. Und das hätte enorme Folgen.
Nato will Präsenz erheblich verstärken: mehr Truppen, mehr Luftverteidigung, mehr Abschreckung
Schon Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), der 100 Milliarden in die Aufrüstung der Bundeswehr investieren will, hatte ein direktes Eingreifen der Nato in den Ukraine-Krieg ausgeschlossen. Das würde auch für die marode, klamme Bundeswehr gelten, deren wichtigen Stützpunkte in Niedersachsen eine Grundsanierung dringend nötig haben.
Wir sind nicht Teil der militärischen Auseinandersetzung, die dort stattfindet und werden es auch nicht werden.
Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg wiederum spricht von einer weitreichenden Aufrüstung der Mitgliedsstaaten des Nordatlantikpaktes, die im östlichen Bündnisgebiet begonnen hätte. „Wir erwägen nun ernsthaft eine erhebliche Verstärkung unserer Präsenz – mit mehr Truppen, mit mehr Luftverteidigung, mehr Abschreckung“, heißt es in diesem Kontext vom Norweger.
Russlands Präsident Wladimir Putin fühlt sich durch „Ausdehnung des Nato-Blocks auf die Ukraine“ bedroht
Die Nato spielt aber auch eine Rolle, wenn Russlands Präsident Wladimir Putin den von ihm geführten Krieg in der Ukraine rechtfertigen will. Der Kreml-Chef sprach am 24. Februar im russischen Staatsfernsehen von einer Bedrohung, „die vom Westen im Zuge der Ausdehnung des Nato-Blocks auf die Ukraine und damit auch auf Russland“ ausgehe*.
Schwere Schuldzuweisungen Putins in Richtung der Nato sollten folgen. „Sie haben uns getäuscht“, sagte er. Oder auch, dass Moskau nur auf „zynischen Betrug und Lüge oder auf Druck- und Erpressungsversuche gestoßen“ sei, während man 30 Jahre lang versucht habe, über die Grundsätze der Sicherheit in Europa eine Einigung zu erzielen. Stimmt das in dieser Form oder sind die Ausführungen Putins nicht als Ammenmärchen mit stark russischer Note?
Sowjetunion und USA beschließen 1990 Wiedervereinigung Deutschlands – und Beitritt in die Nato
Ein Blick zurück. Mai 1990, der sowjetische Staatschef Michail Gorbatschow trifft sich mit US-Präsident George Bush Senior. Es geht um die Zukunft von West- und Ostdeutschland. Man wolle eine Formel für die Nato-Mitgliedschaft eines vereinten Deutschlands finden, sagte Gorbatschow damals. Und: „Lassen wir Deutschland selbst entscheiden, in welchem Bündnis es sein möchte“.
Der Konsens, wie ihn Bush dem damaligen Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) mitteilen sollte: Gorbatschow würde ein vereinigtes Deutschland als volles Mitglied der Nato akzeptieren – wenn es denn gelinge, den sowjetischen Sicherheitsinteressen auch Rechnung zu tragen. Die Einigung, welche die letzte Weiche zur deutschen Einheit und auch zur Bündniszugehörigkeit Deutschlands stellen sollte: das vereinigte Deutschland wird voll souverän sein und kann der Nato beitreten.
Nato-Osterweiterung gefährdet Demokratie in Russland – sagte Ex-Präsident Boris Jelzin in den 1990er-Jahren
Ab Anfang der 90er-Jahre sollten die Nato und Russland hinsichtlich Verteidigungs- und Sicherheitspolitik zusammenarbeiten. Zwischenzeitlich wurde darüber diskutiert, wie nach der Auflösung der Sowjetunion mit den Atomwaffen ehemaliger Sowjetrepubliken verfahren wird. 1994 verzichten die Ukraine, Belarus und Kasachstan offiziell auf den Besitz von Nuklearwaffen.
Andere Staaten, darunter auch Russland, verpflichten sich im Gegenzug dazu, die Souveränität dieser drei Länder zu achten. In der Folgezeit dehnt die Nato ihren Einflussbereich aus, die Zahl der Mitglieder verdoppelt sich nahezu, von 16 auf 30 Staaten. Doch hatte Russlands Präsident Boris Jelzin gewarnt, dass eine Nato-Osterweiterung die Demokratie in Russland gefährden würde.
Streit zwischen Ost und West: War die Osterweiterung der Nato 1990 Thema – oder nicht?
Im Mai 2000 wird Wladimir Putin Präsident Russlands. Ein Amt, das er mit einer Unterbrechung von 2008 bis 2012 bis heute ausübt. Immer wieder spricht Putin von vermeintlichen Wortbrüchen oder lässt es durch seine engsten Vertrauten ausrichten. Die „Berliner Zeitung“ verweist auf einen 2009 veröffentlichten Aktenvermerk über eine Äußerung vom damaligen Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher (FDP) gegenüber seinem sowjetischen Kollegen Eduard Schewardnadse am 10. Februar 1990:
Für uns stehe aber fest: Die Nato werde sich nicht nach Osten ausdehnen.
Einen Bruch dieser Zusicherung sieht Horst Teltschik aber nicht. Der ehemalige außenpolitische Berater von Helmut Kohl ging in einem Beitrag für „Die Zeit“ im Juli 2019 auf dieses brisante Thema der jüngeren Politik ein: „Ich habe an allen Gesprächen des Bundeskanzlers mit Gorbatschow und Schewardnadse teilgenommen. In keinem davon ist die Osterweiterung der Nato über die Ex-DDR hinaus angesprochen worden, schon gar nicht im Februar 1990“.
Ukraine-Krieg: Vor Einmarsch russischer Truppen wurde über ein pikantes Dokument berichtet, dass über Nato-Osterweiterung informieren soll
Dies wurde von Gorbatschow selbst in einem Beitrag des „heute-journal“ vom ZDF 2014 bekräftigt. Es sei ausschließlich um die Nicht-Ausweitung der Truppen in der Bundesrepublik auf das Gebiet der DDR gegangen. Das sei über all die Jahre eingehalten worden. Und: Gorbatschow widersprach auch seiner eigenen, 2009 geäußerten Behauptung, dass ihm in Gesprächen über die deutsche Wiedervereinigung ein Verzicht auf eine Osterweiterung der Nato zugesagt worden wäre.
Pikanterweise sollte der „Spiegel“ wenige Tage vor dem Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine am 24. Februar 2022 über ein ehemals als geheim eingestuftes Dokument aus dem britischen Nationalarchiv berichten. Dieses würde die russische Behauptung stützen, dass der Westen mit der Nato-Osterweiterung gegen Zusagen von 1990 verstoßen habe.
Nato greift im Ukraine-Krieg nicht direkt ein – und beugt sich den eigenen Grundsätzen
Was also ist am Ende festzuhalten? Im März 2022 herrscht in der Ukraine Krieg. Ein Krieg, den Russlands Präsident Putin anführt. Der Putin, der im Denken des Kalten Krieges verhaftet ist, sich im Recht sieht und dem Westen droht, sollte die Nato direkt eingreifen. Die Nato wiederum weiß um die Schwere ihrer Aufgabe und vor allem um die Folgen, die ihr Einsatz bedeuten würde.
Unterstützung für die Ukraine durch die Nato erfolgt zwar, doch längst nicht in dem Ausmaße, wie es sich Präsident Wolodymyr Selenskyj erhofft hatte. Die Nato kommt ihrer Aufgabe im Grunde nach und verfolgt das große Ziel, das bei ihrer Gründung 1949 beschlossen wurde: die kommunistischen Staaten davon abzuhalten, gegen die westlichen Länder Krieg zu führen.
Doch auch mit dem Wissen, dass man zum Zusehen verdammt ist. Und sich letztendlich seinen eigenen Grundsätzen beugen muss. * kreiszeitung.de und fr.de sind Angebote von IPPEN.MEDIA.