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Proteste im Iran: Grünen-Politiker Omid Nouripour sieht „alles auf der Kippe“

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Von: Alexander Eser-Ruperti

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Die Proteste im Iran zeugen laut Omid Nouripour von einer Situation, in der „alles auf der Kippe steht.“ Kaum einer glaube noch an Reformen, so der Grünen-Chef.

Berlin – Mit Blick auf die Proteste im Iran nach dem Tod der 22-jährige Kurdin Mahsa Amini/ Zhina Amini sieht Grünen-Chef Omid Nouripour die Situation an einem möglichen Wendepunkt. Vor Ort schränkt der Staat derweil offenbar das Internet ein, um die Proteste zu unterwerfen, die USA verhängen zeitgleich Sanktionen gegen die Sittenpolizei des Irans. Die Lage ist unübersichtlich, der Informationsfluss bisweilen dürftig. Nouripour sagt, er glaube kaum, „dass das Regime noch die Kraft für grundlegende Reformen hat.“ Klar ist: Nicht nur die Menschen im Iran fordern schnelle Änderungen.

Demos Iran: Grünen-Chef Nouripour glaubt, im Iran stehe „alles auf der Kippe“

Mit Blick auf die Demos im Iran nach dem Tod der jungen Kurdin Mahsa Amini/Zhina Amini stehe vor Ort derzeit „alles auf der Kippe“, so Grünen-Chef Omid Nouripour gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Nouripour erklärte dem RND, die Proteste im Iran würden davon zeugen, dass die Menschen „nicht mehr gegängelt werden“ möchten, und nicht mehr in einem System leben wollten „das ausschließlich auf Gängelung ausgerichtet ist“.

„Die Leute wollen nicht mehr gegängelt werden“, sagt Grünen-Chef Omid Nouripour. Foto: Imago Images.
„Die Leute wollen nicht mehr gegängelt werden“, sagt Grünen-Chef Omid Nouripour. © Imago/Jens Schicke

Nouripour sagte, über Jahrzehnte hätten die Iranerinnen und Iraner den Wunsch nach Veränderung artikuliert, der Glaube an Reformen und Reformer sei längst verloren. Die Demonstrierenden würden das Regime nicht mehr aushalten, so der Grünenpolitiker. Überall im Land waren in den vergangenen Tagen Menschen auf die Straßen gegangen und hatten ihrer Wut über den Tod Aminis, die Sittenpolizei, Femizide und Kleidervorschriften Ausdruck verliehen. In den sozialen Medien kursieren Bilder, auf denen offenbar Frauen im Iran ihre Kopftücher aus Protest verbrennen. Selbst in konservativen Hochburgen kam es zu Demonstrationen.

Iran-Proteste: Tote gemeldet – genaue Zahl weiter unklar, Aktivisten gehen von mindestens 31 aus

Zuletzt soll es im Zuge der Iran-Proteste Tote gegeben haben – zahlreich. Die Angaben darüber, wie viele es genau sind, variieren. Laut Iran Human Rights (IHR) soll die Zahl inzwischen bei 31 liegen, das berichtet die Tagesschau. Nouripour bezeichnete das Vorgehen der Sicherheitskräfte als „unverhältnismäßig“. Irans Präsident Ebrahim Raisi verurteilte die Proteste, die in dutzenden iranischen Städten entfacht sind, während sein Justizchef ein hartes Vorgehen anordnete.

Revolution im Iran: Das Land steckte bereits bei der Islamischen Revolution 1979 in der Krise

Im Jahr 1979 stürzte die islamische Revolution den persischen Schah Mohammad Reza Pahlawi, zuvor hatte es Generalstreiks und Massenunruhen verschiedener Strömungen gegen den autokratischen Herrscher gegeben. In einem Referendum stimmte die Bevölkerung daraufhin für die Islamische Republik – in vielen Fällen ohne zu wissen, was dies konkret bedeutete.

Schnell musste die Übergangsregierung ihre Machtlosigkeit eingestehen. Innerhalb kurzer Zeit ging die Macht auf den damit politischen und religiösen Führer Ayatollah Khomeini über, der das Land zu einem schiitisch-islamischen Gottesstaat machte, der Islamischen Republik Iran. Khomeini ersetze die verfassungsgebende Versammlung durch einen Expertenrat, dominiert von Geistlichen.

In der Folge waren die ersten Jahre der Islamischen Republik von Gewalt geprägt. Die liberale und linke Opposition wurde ausgeschaltet, bis 1988 wurden tausende Oppositionelle getötet. Zudem betrieb die Führung eine massive Islamisierung des Justiz- und Bildungswesens, ebenso wie der Wirtschaft und der Medien.

Die SPD-Parteivorsitzende Saskia Esken schrieb auf Twitter: „Tausende Frauen aller gesellschaftlichen Schichten gehen im #Iran auf die Straßen und protestieren gegen #Femizide und gegen die Unterdrückung durch die Mullahs. Ich bewundere den Mut dieser Frauen, sie kämpfen für uns alle! #Zan #Zendegi #Azadi“. Weltweit solidarisieren sich Menschen mit den Demonstrierenden.

Iran: Internet abgeschaltet? Zumindest Einschränkungen nach Protesten zum Tod von Mahsa Amini/Zhina Amini

In den sozialen Netzwerken kursiert unter anderem eine Frage: Wurde im Iran das Internet abgeschaltet? Zumindest gibt es Berichte über drastische Einschränkungen beim Zugang. Es gibt offenbar eine weitgehende Beschränkung der mobilen Internetdienste im Zuge der Proteste zum Tod von Mahsa Amini/Zhina Amini – auch auf diese Weise versucht der iranische Staat offenbar, die Proteste zu zerschlagen. Der Messengerdienst WhatsApp und die Plattform Instagram werden massiv gestört. Instagram war das letzte noch verfügbare große Soziale Netzwerk im Iran, Twitter und Facebook sind seit Jahren verboten.

Demos Iran: Internationale Proteste und US-Sanktionen gegen Sittenpolizei

Die Ereignisse rund um den Tod von Mahsa Amini/Zhina Amini bringen neben Demos im Iran internationale Proteste. Auch in Deutschland waren Menschen in verschiedenen Städten auf die Straße gegangen, um Aminis Tod zu beklagen und ihre Solidarität mit der protestierenden Bevölkerung zu bekunden. Für die kommenden Tage sind ebenfalls an mehreren Orten Protestaktionen geplant.

Sittenpolizei: Welche Macht Sicherheitskräfte im Iran haben

Seit 1979 setzt die Sittenpolizei die Verordnungen der Mullahs auf den Straßen des Iran durch. Besonders die strengen Kleidungsvorschriften werden dabei gegen Frauen auch mit Gewalt erzwungen. Die Vorschriften gehören laut Experten zu den ideologischen Prinzipien der Islamischen Republik. Dabei geht es in vielen Fällen um Verstöße gegen den Kopftuchzwang. Die Kleidungsvorschriften sehen in der Öffentlichkeit Kopftücher sowie lange Kleidung vor, die Arme und Beine bedeckt. Auch enge Hosen sind untersagt.

Die USA sind derweil zu Sanktionen gegen Irans Sittenpolizei und hochrangige Sicherheitsbeamte übergegangen. Die Moralpolizei trage die Verantwortung für die Gewalt gegen iranische Frauen, so das Finanzministerium. Zudem verletze sie die Rechte friedlicher Demonstranten. Ziel der Sanktionen ist unter anderem der Chef der Moralpolizei.

Iran Protest: Grund ist der Tod der 22-jährigen Kurdin Mahsa Amini/Zhina Amini in Teheran

Überall entstehen im Iran Protest. Grund ist der Tod einer jungen Kurdin in Teheran. Die 22-Jährige war vor kurzem wegen vermeintlich nicht ordnungsgemäßen Tragens ihres Hijabs von der Sittenpolizei festgenommen worden. Kurz darauf wurde sie in ein Krankenhaus eingeliefert, wo sie starb. Während staatliche Stellen jede Schuld von sich weisen, berichten Frauen, die mit ihr festgenommen wurden, der taz zufolge von Schlägen auf den Kopf. Das Krankenhaus erklärte, Amini sei bereits hirntot eingeliefert worden, staatliche Stellen hatten zuvor von Herzversagen berichtet. Viele Indizien sprechen gegen die Version der Behörden.

Amini hatte von ihren Eltern bei ihrer Geburt eigentlich den Namen Zhina Amini erhalten, dieser wurde ihr von den Behörden aufgrund des kurdischen Ursprungs jedoch verwehrt. Bürgerlich trug sie daher den Namen Mahsa Amini. Ihr Beispiel zeugt auch von der Unterdrückung von Kurdinnen und Kurden im Iran. Der iranische Schriftsteller Navid Kermani sagte den ARD-Tagesthemen, mit Blick auf die Proteste: „Natürlich geht es um Frauenrechte, die massiv benachteiligt sind“, doch die Unruhen im Iran seien auch Ausdruck weiterer Problematiken. Kermani: „Es geht um die täglichen Gängeleien, um die Rechte der Minderheiten, um die Wirtschaftskrise - es geht hier um alles.“ Er sieht in den Protesten eine Systemfrage – und die „Absage an die herrschende Elite“.

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