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Propaganda im Ukraine-Krieg: So nutzen Putin und Selenskyj Informationen

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Von: Felix Busjaeger

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Zerstörtes Militärfahrzeug in der Ukraine
Ukraine-Krieg: Russland und Ukraine benutzen gezielt Bilder, die den Informationsfluss steuern. © Genya Savilov/AFP

Gezielte Steuerung von Informationen: Seit jeher stellt Propaganda im Krieg eine mächtige Waffe dar. Im Ukraine-Krieg greifen Putin und Selenskyj darauf zurück.

Update vom 7. März 2022 um 14:30 Uhr: Nach dem Inkrafttreten neuer Gesetze zur weiteren Einschränkung der freien Meinungsäußerung in Russland lässt der Kreml im Zuge des Ukraine-Kriegs nun Taten folgen: Offenbar sind jetzt erste Geldstrafen gegen Bürger verhängt worden, die angebliche Fake News über das russische Militär verbreitet haben sollen. Im Gebiet Iwanowo an der Wolga nordöstlich von Moskau sei ein 26-Jähriger wegen Verunglimpfung der russischen Armee zu einer Geldstrafe von 30.000 Rubel, etwa 198 Euro, verurteilt worden. Der Mann war laut russischer Behörden in der Stadt Pljos mit einem Plakat aufgegriffen worden. Auch in anderen Regionen Russlands gab es erste Verfahren zu ähnlichen Tatvorwürfen.

Erstmeldung vom 2. März 2022 um 12:36 Uhr: Moskau/Kiew – Zerstörte Panzer, angebliche Angriffe auf zivile Opfer und Raketeneinschläge: Seitdem in der Ukraine der Krieg mit Russland ausgesprochen ist, übertreffen sich die Konfliktparteien bei der Verbreitung von Nachrichten. Nachdem Wladimir Putin, Präsident von Russland, vergangene Woche seinen Soldaten die Invasion der Ukraine befahl, formierte sich auf Seiten der Ukrainer ein Widerstand, der unter anderem durch den medienwirksamen Auftritt von Wolodymyr Selenskyj lebt. Der Präsident der Ukraine inszeniert sich seit Tagen als Kämpfer für sein Heimatland, indem er sich in verwüsteten Teile Kiews zeigt.

Selenskyj im Ukraine-Krieg: Präsident der Ukraine setzt auf symbolische Kraft von Bildern

Die symbolische Kraft der Auftritte von Selenskyj zeigt dabei Wirkung: Der Präsident der Ukraine wird in seinem Heimatland mittlerweile als Held gesehen. Im Kreml dürfte dies weiter für Irritation sorgen. Dass sich beide Konfliktparteien der Macht der Bilder und Informationen bewusst sind, zeigt auch ihr Umgang mit Meldungen, die an die Öffentlichkeit gelangen: Im Krieg in der Ukraine, in dem es auch Drohungen gibt, Atomwaffen einzusetzen, haben sowohl Moskau als auch Kiew von weiteren Erfolgen berichtet, hieß es am Mittwoch von der Deutschen Presse-Agentur.

Nach eigenen Angaben zerstörte das russische Militär seit Beginn des Einmarsches mehr als 1500 ukrainische Militärobjekte, darunter insgesamt 58 Flugzeuge am Boden und in der Luft sowie mehr als 470 Panzer und andere gepanzerte Fahrzeuge. Das ukrainische Verteidigungsministerium teilte mit, mehr als 5840 russische Soldaten seien getötet worden. Mehr als 200 Panzer, 860 weitere militärische Fahrzeuge, 30 Flugzeuge und 31 Hubschrauber seien seit Kriegsbeginn zerstört worden. Beide Seiten machen hingegen keine Angaben zu eigenen Verlusten. Unabhängig können die Zahlen zudem ebenfalls nicht überprüft werden. Im Konflikt in der Ukraine mischt mittlerweile auch Anonymous mit.

Konflikt in der Ukraine: Russland und Ukraine verbreiten gezielt Informationen

Die Botschaft, die Russland und die Ukraine damit verbreiten wollen, ist allerdings klar: Das eigene Agieren im Ukraine-Konflikt, bei dem es auch zur Eroberung Tschernobyls kam, ist von Erfolg gekrönt. In Russlands Medien dominiert seit jeher das Bild einer Spezialoperation in der Ukraine, die völlig nach Plan verlaufen würde. Ukrainische Medien berichten hingegen gehäuft von Kriegsverbrechen der Russen und der Standhaftigkeit des eigenen Widerstands. Während der Westen die russische Berichterstattung und die Aussagen Wladimir Putins eindeutig als Propaganda Russlands klassifiziert, sind die Meinungen über die Verbreitung ukrainischer Sichtweisen deutlich zurückhaltender. Dennoch: Auch Selenskyj lenkt durch sein öffentliches Auftreten gezielt das Meinungsbild der Ukrainer.

Propaganda im Ukraine-Krieg: Wladimir Putin setzt auf altbewährte Feindbilder

Propaganda stellt bereits seit Beginn von kriegerischen Konflikten ein mächtiges Instrument im Krieg, ganz abseits der eigentlichen Schlachtfelder, dar, das darauf abzielt, das Denken, Fühlen und Handeln von Menschen zu beeinflussen. Dabei dient diese gezielte Beeinflussung vor dem eigentlichen Krieg dazu, die Notwendigkeit eines Konflikts überzeugend an die Bevölkerung zu bringen. Ähnliches versuchte Wladimir Putin im Konflikt mit der Ukraine seit spätestens seit 2014, als er während öffentlichen Reden der Ukraine die Souveränität absprach. Der Kreml-Chef setzt derweil im Propaganda-Kampf auch auf Hacker und Trolle.

Wladimir Putins Rhetorik verschärfte sich mit der nahenden Invasion in den vergangenen Wochen. Indem er im Zusammenhang mit der Ukraine von einer notwendigen Entnazifizierung sprach, schürte er alte Feindbilder, die aus seiner Sicht einen Einmarsch in die Ukraine rechtfertigten. Der Einsatz in der Ukraine diene dazu, die Ukraine von einer unterdrückenden Regierung zu befreien. Die Ukraine wählt derzeit einen anderen Weg: Indem Selenskyj und andere Offizielle vermehrt über die Grausamkeit der Russen berichten, wird die Bedrohlichkeit des Feindes hervorgehoben und ein militärisches Agieren für notwendig erklärt. Die Verbreitung mutmaßlich „geschönter“ Zahlen bezüglich Kriegsverluste der Gegenseite verfolgt hingegen das Ziel, die Moral der eigenen Soldaten zu stärken und die des Gegners zu brechen.

Totalitäre Staaten nutzen Propaganda – Verbreitung beginnt bereits vor dem Krieg

Für gewöhnlich wird Propaganda im Zusammenhang mit totalitären Staaten gesehen, die die Verbreitung von Informationen stark reglementieren und die über offizielle Kanäle eine bestimmte Meinung verbreiten. In einem Kriegsszenario, wie es gerade die Ukraine erlebt, sind allerdings auch demokratische Staaten daran interessiert, ihre Interessen zu verbreiten. Während der propagandistische Einsatz von Medien häufig vor dem Krieg beginnt, kann im Verlauf der Kämpfe die Verbreitung von Informationen über viele Wege erfolgen.

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Im Ukraine-Krieg zeigen die Verbreitungswege der Informationen der Kriegsparteien dabei erhebliche Unterschiede: Wladimir Putins Auftritte vor den Kameras werden in der Regel im Staatsfernsehen gezeigt. Er geht also eher einen traditionellen Verbreitungsweg, wohingegen Wolodymyr Selenskyj verstärkt auf eine Verbreitung via Twitter und anderen sozialen Netzwerken setzt. Durch seine emotionalen Ansprachen an die Bürger der Ukraine und sein symbolisches Ausharren in Kiew konnte der ukrainische Präsident mittlerweile eine stetig wachsende Fangemeinde gewinnen – seine Botschaft erreichen somit immer mehr Menschen.

Krieg in der Ukraine: Selenskyj twittert und verbreitet Botschaft bei Telegram

Während der Krieg in der Ukraine tobt, gilt es für die Konfliktparteien, auch die Informationsverbreitung der Gegenseite zu behindern. Wie unter anderem die Deutsche Presse-Agentur berichtet, seien Twitter, Telegram und Facebook längst du Nebenschauplätzen des Kriegs geworden, auf denen um die Informationshoheit gerungen wird. „Glauben Sie den Fälschungen nicht“, schrieb Selenskyj am Wochenende, um Gerüchten entgegenzuwirken, er sei untergetaucht. Mit diesem Statement räumte er die russische Kriegspropaganda von Wladimir Putin aus dem Weg, die verbreitete, er habe längst das Land verlassen.

Längst ist im Zuge des Ukraine-Kriegs ein Wettstreit um vermeintliche oder echte Informationen entstanden, in dem es auch professionellen Beobachtern nicht immer leicht, authentische Berichte vor Ort von gefälschten Informationen, Fotos und Videos zu unterscheiden. Wichtiges Instrument in der Verbreitung der eigenen Meinung ist inzwischen Telegram. Knapp ein Viertel der Russen verfügt über einen Account. Die russische Regierung und die Staatsmedien können also über die unzähligen Gruppen der Plattform viele Menschen erreichen.

Präsident Wolodymyr Selenskyj: Ukraine setzt auf Informationshoheit

Auf Telegram treibt sich allerdings auch die Opposition herum: So verfügt der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj über einen eigenen Telegram-Kanal, in dem auch seine aktuellen Videos zu sehen sind. Seine Botschaften leben von emotionaler Nähe, die er so herstellen kann. Während Wladimir Putin gezielt gegen die Ukraine hetzt, setzt Selenskyj weiterhin auf seine professionelle Ruhe, die ihm auch Gehör im Westen verschafft. Neue Informationen der ukrainischen Armee deuten derweil an, dass der russische Vormarsch stockt. Der Krieg in der Ukraine zeigt nun erneut: Abseits der Häuserkämpfe können Kriege auch mit einer Informationshoheit gewonnen werden. * kreiszeitung.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA.

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