Patriot-System für Polen: Deutschland stärkt Verteidigung im Nachbarland

Deutschland will Polen bei der Verteidigung des Luftraumes helfen. Hierfür soll das Patriot-System eingesetzt werden. Lambrecht steht derweil in der Kritik.
Berlin – Der Raketeneinschlag in Polen in der vergangenen Woche hat offenbar dafür gesorgt, dass die Staaten in der Europäischen Union (EU) über ihren eigenen Schutz vor Raketenangriffen nachdenken. Damit sich Polen künftig besser gegen Irrläufer verteidigen kann, will Deutschlands Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) der Regierung in Warschau zur Verteidigung das Patriot-Abwehrsystem zur Verfügung stellen. Der Gedanke sei, den Luftraum auch mithilfe von Eurofightern abzusichern.
Derweil steht Lambrecht mal wieder in der Schusslinie der Union: Diese kritisiert, dass das Verteidigungsministerium aktuell bei den notwendigen Beschaffungsmaßnahmen für die Bundeswehr versagt.
Verteidigungsministerin Lambrecht in der Kritik: Union wirft ihr Führungsschwäche vor
Vor knapp neun Monaten hatte die Bundesregierung angekündigt, wegen der Entwicklungen im Ukraine-Krieg die Bundeswehr aufzurüsten. Neue Waffen und Systeme sollten die Truppe zukunftsfähig machen. Allerdings gibt es seit Monaten Probleme bei der Beschaffung. Johann Wadephul, stellvertretender Unions-Fraktionsvorsitzender, sagte diesbezüglich der Frankfurter Allgemeinen Zeitung: „Es fehlt an politischem Willen und Führung durch Ministerin Lambrecht. Unter ihrer Verantwortung wird die Bundeswehr jeden Tag schwächer statt stärker.“ Die angeschlagene Truppe, die seit Jahren wegen ihrer Ausrüstung mit Negativpresse kämpft, würde aktuell, nicht nur wegen des Ukraine-Kriegs von Wladimir Putin, vor einer fatalen Entwicklung stehen.
Während Lambrecht das Luftabwehrsystem Patriot den polnischen Streitkräften zur Verfügung stellen will, warnt die Verteidigungsministerin des Kabinetts von Kanzler Olaf Scholz (SPD), dass das 100-Milliarden-Paket für die Bundeswehr Defizite in der Beschaffung für die Truppe wohl nicht umfänglich richten könne. Als Reaktion auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine hatten Bundestag und Bundesrat ein 100 Milliarden Euro schweres Sonderprogramm zur Ausrüstung einer einsatzfähigen Bundeswehr beschlossen. Das Geld ist unter anderem für neue Flugzeuge, Hubschrauber, Schiffe, Panzer und Munition vorgesehen. Bei der Luftverteidigung will Deutschland derweil unter anderem auf Arrow-3 setzen.
Ukraine aktuell: Deutschland rüstet Polen mit Patriot-System zur Luftverteidigung aus
„Wir haben Polen angeboten, bei der Absicherung des Luftraums zu unterstützen – mit unseren Eurofightern und mit Patriot-Luftverteidigungssystemen. Mit denen sind wir ja auch schon in der Slowakei – die Präsenz dort wollen wir bis Ende 2023 verlängern, eventuell sogar noch darüber hinaus“, erklärte die SPD-Politikerin gegenüber der Rheinischen Post und dem General-Anzeiger aus Bonn. Am vergangenen Dienstag, 15. November, war es im polnischen Dorf Przewodow, unweit der Grenze zur Ukraine, zum Einschlag einer Rakete gekommen. Experten gegen derzeit davon aus, dass es sich um eine ukrainische Flugabwehrrakete handeln könnte.
Unmittelbar nach der Explosion war in Medienberichten aber auch von einer russischen Rakete die Rede gewesen. Der Präsident der Ukraine, Wolodymyr Selenskyj, hält aktuell weiter daran fest, dass es eine russische Rakete gewesen sei, schränkte aber ein, dass er nicht mit hundertprozentiger Sicherheit wisse, was passiert sei. Bei dem Raketeneinschlag, der in der Folge zu einem nervösen Säbelrasseln der Nato geführt hatte, waren in Polen zwei Zivilisten gestorben. Deutschland hat derweil der Ukraine das Flugabwehrsystem Iris T zur Verfügung gestellt.
Patriot für Polen: Verteidigungsministerium begrüßt Angebot Deutschlands
Polen hat das Angebot von Lambrecht begrüßt, dem Nato-Partner nach dem Raketeneinschlag mit einem Patriot-Abwehrsystem zu helfen. Mariusz Blaszczak habe dies mit „großer Zufriedenheit“ zur Kenntnis genommen, hieß es am Montag weiter. Sein Vorschlag sei es, das Patriot-System in der Nähe der Grenze zur Ukraine stationieren zu lassen.
Nach Raketeneinschlag in Polen: Deutschland will wegen aktuellen Entwicklungen in der Ukraine über Luftverteidigung sprechen
Der Raketeneinschlag in Polen bei Pzrewodow sei nun allerdings auch der Auslöser, um über die europäische Luftverteidigung zu sprechen, so Lambrecht. Die SPD-Politikerin sagte, man müsse sich im Bündnis bei der Verteidigung des Luftraumes aktuell auch wegen der Ereignisse in der Ukraine besser aufstellen. Das gelte besonders mit Blick auf die Nato-Partner wie Polen, die Slowakei und die baltischen Staaten, die direkt an Russland und die Ukraine angrenzen.
Wie gut ist das Patriot-System?
Das Flugabwehrsystem Patriot, das künftig unter anderem in Polen zum Einsatz kommen soll, wird in der Bundesrepublik seit mehreren Jahrzehnten angewendet. In dieser Zeit hat sich auch die Leistung des Waffensystems an neue Bedrohungen angepasst. Wie die Bundeswehr auf ihrer Homepage informiert, kann Patriot bis zu 50 Flugziele gleichzeitig kontrollieren und mit einer Reichweite von bis zu 68 Kilometern operieren. Dabei kann Patriot bis zu fünf Ziele gleichzeitig bekämpfen.
Ukraine aktuell: Patriot seit Jahren im Einsatz – EU setzt ab 2040 auf Luftverteidigungssystem FCAS als Nachfolger
Dass sich die Nato wegen der Ereignisse in Polen besser aufstellen müsse, sei laut Lambrecht besonders relevant für die Partner Polen, die Slowakei und die baltischen Staaten, da diese direkt an Russland und die Ukraine grenzen und damit unmittelbarer von den Entwicklungen in der Krisenregion betroffen sind. Da Raketen allerdings seit Jahren immer leistungsfähiger werden und auch moderne Abwehrsysteme überwinden können, arbeitete die EU aktuelle an der Beschaffung eines neuen Systems: Ab 2040 soll das europäische Luftverteidigungssystem FCAS mit einer Kombination Kampfflugzeug, Drohnen und Kommunikationsinfrastruktur für Sicherheit sorgen.