Erweiterung der Nato: Putin zittert vor der Stärkung Europas

Finnland und Schweden wollen sich zeitnah der Nato anschließen. Das könnte das Kräftegewicht in Europa massiv verändern und Russland provozieren. Eine Analyse.
Berlin/Moskau – Verschiebt sich die Kräfteachse der Nato in Europa trotz Wladimir Putins Ukraine-Krieg? Kaum eine Frage sorgt in den vergangenen Tagen für mehr Brisanz als der mögliche Nato-Beitritt Finnlands und Schwedens. Während Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) die skandinavischen Ministerpräsidentinnen Magdalena Andersson und Sanna Marin am 3. Mai auf Schloss Meseberg empfangen hat, könnte die steigende Zustimmung für einen Nato-Beitritt in Schweden und Finnland eine Dynamik in Europa lostreten, die maßgeblich Einfluss auf den Ukraine-Krieg nehmen könnte.
Osterweiterung der Nato: Versprechen des Westens laut Russland gebrochen
Die Nato, die Wladimir Putin seit jeher „fürchtet“, ist inzwischen von zehn auf 30 Mitglieder angewachsen und sorgt spätestens seit der Osterweiterung der Nato in den 1990er Jahren für Kopfschmerzen im Kreml. Denn: Der Nato-Vertrag sieht vor, dass die Mitglieder bei Angriffen zusammenhalten. Ein Angriff auf einen Nato-Staat kommt damit einem Angriff auf das gesamte Bündnis gleich. Dieser Bündnisfall ist im 5. Artikel des Nato-Vertrags festgehalten und könnte Kriegen schnell ein globales Ausmaß geben.
Auch wenn ein Beitritt der Ukraine in die Nato noch in den Sternen steht, droht nun durch Finnland und Schweden ein neuer Konflikt im Zusammenhang mit der Nato – und eine weitere Provokation in Richtung Moskau. Zwar war ein Beitritt der skandinavischen Staaten vor wenigen Wochen noch undenkbar, doch durch Russlands Angriffskrieg ist das Szenario inzwischen real. Schon jetzt verfügt die Nato durch ihre Mitglieder in der Theorie über eine Armee, die die russischen Truppen zahlenmäßig weit übersteigt.
Russlands Präsident Wladimir Putin, der womöglich an Krebs leidet, fürchtete schon länger eine Erweiterung der Nato in Richtung Osten. Dabei existiert der Konflikt zwischen Russland und der Nato schon länger. Als der Kalte Krieg in den 1990er Jahren nach dem Fall der Berliner Mauer ein Ende gefunden hatte und die damalige Sowjetunion zerfiel, verschob sich das Kräftegleichgewicht in Europa innerhalb kürzester Zeit. Für mehr Sicherheit und Zusammenarbeit wurde Mitte des 20. Jahrhunderts das Nato-Bündnis ins Leben gerufen – ganz zum Unmut der damaligen Sowjetunion.
Bedrohung durch Osterweiterung der Nato: Russland sind in Militärbündnis Gefahr und Bruch des 2-+-4-Vertrags
Die Osterweiterung der Nato, die nach dem Zerfall der Sowjetunion einsetzte, ist spätestens seit 1991 aus russischer Sicht eine Bedrohung: Damals wurden die Grundlagen für künftige Kooperationen des Westens mit Staaten in Osteuropa und Asien gelegt. Der Partnerschaft für den Frieden, die 1994 geschaffen wurde, traten neben der Nato 20 weitere europäische und asiatische Länder bei. Währenddessen erwarten Experten, dass Putin ab dem 9. Mai weitere Eskalationen im Krieg lostreten könnte.
Bereits vor dem Ukraine-Krieg warnte Wladimir Putin, der möglicherweise an Parkinson leidet, die Ukraine mehrfach vor einem Beitritt in das Nato-Militärbündnis und forderte ein Ende der Osterweiterung. Immer wieder berief er sich auf Absprachen aus den 1990er Jahren, gegen die der Westen verstoßen würde. Im Zusammenhang mit der Wiedervereinigung Deutschlands wurde der 2+4-Vertrag beschlossen, der eine Erweiterung des Nato-Gebiets gen Osten ausschließen sollte. Doch bei der Interpretationen des Vertrags gehen die Meinungen auseinander.
Nach Osterweiterung der Nato: Norderweiterung durch Finnland und Schweden könnte Russland bedrohen
Putins „Angst“ vor der Osterweiterung der Nato könnte nun noch realer werden: Sollten Finnland und Schweden der Nato beitreten, würde dies zwar nicht eine Erweiterung nach Osten bedeuten. Allerdings würde das Bündnis im Norden massiv an Einfluss gewinnen. Durch die Norderweiterung der Nato würde sich das Verteidigungsbündnis ein gewaltiges Operationsgebiet in der Ostsee erschließen. Doch auch zu Land könnte ein Beitritt Finnlands für Russland gewaltige Auswirkungen haben: Die Nato-Grenze würde um 1300 Kilometer anwachsen.
1300 Kilometer, die Russland im Ernstfall gegen die Nato „verteidigen“ müsste. Diesem Szenario ist sich die Führung im Kreml wohl durchaus bewusst. Seit Wochen drohen Wladimir Putin und Russlands Außenminister Sergej Lawrow mit „massiven“ Konsequenzen. Auch der ehemalige Präsident Russlands, Dmitri Medwedew, kündigte bereits die Verlegung atomarer Waffen an die finnische Grenze an. Lawrow betonte zuletzt aber, dass Russland nicht nach einem Krieg mit der Nato streben würde und schloss den Einsatz von Atomwaffen aus.
Nato gewinnt an Einfluss im Ostseeraum: Baltische Staaten wollen stärkere Nato-Präsenz
Während die Norderweiterung der Nato in den kommenden Tagen und Wochen wohl eines der zentralen Themen der Politik abseits des Ukraine-Kriegs werden könnte, drängen die baltischen Staaten und Polen auf eine stärkere Nato-Präsenz an der Ostflanke. „Wir wollen eine ständige Präsenz von Nato-Streitkräften in den baltischen Staaten und Polen erreichen, damit wir jeglichen Bedrohungen aus Russland und Belarus widerstehen und jeden Zentimeter unseres Territoriums schützen können“, sagte Edgars Rinkevics, Außenminister von Lettland, am vergangenen Freitag, dem 29. April, in Riga.
Die Forderung aus dem Baltikum ist angesichts des Ukraine-Kriegs nachvollziehbar: Die Ostseeanrainer-Staaten gelten als starke Befürworter der Ukraine und fürchten in Zuge dessen um ihre Sicherheit. Sollte es nun zunächst zu einer Norderweiterung der Nato kommen, könnte dies das Kräfteverhältnis im Ostseeraum deutlich verschieben und der gesamten Region ein verstärktes Sicherheitsgefühl gegenüber Russland geben. Währenddessen könnte Putin durch den „gefährlichsten Mann Russlands“ im Krankheitsfall abgelöst werden.