„Historischer Tag“: Gericht in Mexiko entkriminalisiert Abtreibung
Die Frauenbewegung in Mexiko feiert einen großen Erfolg. Das Oberste Gericht erklärt die Kriminalisierung von Abtreibungen für verfassungswidrig.
Mexiko-Stadt – Es war eine geradezu geschichtsträchtige Entscheidung. So sah es auch der Vorsitzende Richter: „Heute ist ein historischer Tag für die Rechte aller mexikanischen Frauen“, sagte Arturo Zaldívar, für den das Urteil einen „Schritt im Kampf für die Würde der Frauen“ darstellte: „Das ist ein Wendepunkt in der Geschichte der Rechte aller Frauen, vor allem der Schwächsten.“
Zuvor hatte Mexikos Oberster Gerichtshof einstimmig ein absolutes Abtreibungsverbot für verfassungswidrig erklärt. Zwar müsse ein Fötus geschützt werden, deshalb dürfe aber das Recht von Frauen auf reproduktive Freiheit nicht missachtet werden, urteilte das Gericht. Eine Abtreibung im frühen Stadium oder etwa bei Vergewaltigungen, Gefährdung der Gesundheit der Schwangeren oder lebensunfähigem Fötus dürfe nicht strafrechtlich verfolgt werden. Mexiko wird damit zum bevölkerungsreichsten Land mit katholischer Mehrheit, in dem die Abtreibung entkriminalisiert wird.

Abtreibungsverbot in Mexiko für verfassungswidrig erklärt
Die Entscheidung bezog sich auf das Abtreibungsverbot im nördlichen Bundesstaat Coahuila, mit dem sich das Gericht befasste. Dem Gesetz zufolge konnten Frauen, die aus freier Entscheidung abtreiben, mit Haftstrafen von ein bis drei Jahren bestraft werden. Das Gericht schaffte mit seiner Entscheidung einen landesweit geltenden Präzedenzfall. Das Gericht ließ jedenfalls keinen Zweifel daran, dass das Urteil weitreichende Konsequenzen für ganz Mexiko haben werde. Da eine Mehrheit von mehr als acht Stimmen erreicht worden sei, müssten sich alle Richterinnen und Richter auf lokaler und föderaler Ebene an der Entscheidung orientieren, heißt es in einer Erklärung des Obersten Gerichtshofs.
In dem nordamerikanischen Land mit rund 126 Millionen Einwohnern gibt es bisher keine einheitliche Regelung. Bisher waren nur in der Hauptstadt und in drei der 31 Bundesstaaten (Oaxaca, Veracruz und Hidalgo) Abtreibungen in den ersten zwölf Schwangerschaftswochen erlaubt. In allen anderen Bundesstaaten war ein Schwangerschaftsabbruch nur im Fall einer Vergewaltigung legal.
Abteribung: Frauen in Mexiko kämpfen jahrelang gegen Gesetz
Dem Urteil war ein jahrelanger Kampf von Frauengruppen vorausgegangen, der mit der Legalisierung der Abtreibung in Mexiko-Stadt im Jahr 2007 begonnen hatte. Immer wieder waren die Menschen in Mexiko auf die Straßen der Großstädte gegangen, um mehr Rechte und Schutz zu fordern. Jetzt waren diese Bemühungen von Erfolg gekrönt. „Es ist ein enormer Schritt in Richtung Legalisierung im ganzen Land“, sagte Rebeca Ramos, Geschäftsführerin der Frauenrechtsorganisation GIRE.
Nach Angaben von GIRE sind heimliche Abtreibungen die vierthäufigste Todesursache bei Müttern in Mexiko. Abtreibungen sind ein umstrittenes Thema in vielen lateinamerikanischen Staaten. In El Salvador, Honduras, Nicaragua, der Dominikanischen Republik und Haiti sind Schwangerschaftsabbrüche verboten, in vielen anderen Staaten nur nach Vergewaltigungen oder aus gesundheitlichen Gründen erlaubt.
Mexiko | amtlich: Vereinigte Mexikanische Staaten |
Hauptstadt | Mexiko-Stadt |
Präsident | Andrés Manuel López Obrador |
Bevölkerung | 128,9 Millionen (Schätzung 2020) |
Abtreibung in Mexiko: Vorbild für die USA?
Natürlich rief die Entscheidung auch massiver Kritik hervor. Die katholische Kirche verurteilte das Urteil umgehend. So sprach die Bischofskonferenz von Mexiko in einem Tweet von einem „Mordgesetz“. wenn das Leben einer solche Gefahr ausgesetzt sei, könne man nicht einfach gleichgültig bleiben und schweigen, sagte Bischof Alfonso Miranda Guardiola in einer Predigt.
Aktivistinnen wiederum hoffen nun darauf, dass der Erfolg in Mexiko auch US-amerikanischen Frauen Auftrieb geben sollte, die in den USA* das Recht auf Abtreibung gefährdet sehen. Immerhin ist seit wenigen Tagen in Texas ein sogenanntes Herzschlag-Gesetz in Kraft*, das die meisten Schwangerschaftsabbrüche verbietet. Hier zeige sich, dass es möglich sei, etwas zu verändern, sagte Giselle Carino von der Frauenrechtsorganisation International Planned Parenthood Federation. „Wenn ihr widrigen Umständen ausgesetzt seid, müsste ihr euern Einsatz verdoppeln.“ (cs mit Agenturen) *fr.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA.