Angela Merkel, Joghurt und RTL hat Juso-Chef Kevin Kühnert in einen einzigen Tweet verknüpft - und dafür tausende Likes gesammelt. Der Hintergrund ist durchaus ernst.
Berlin - Kevin Kühnert durchlebt gerade eine bemerkenswerte Zeit. Vor ein paar Wochen noch war der Juso-Vorsitzende ein Nobody. Nun ist der 28-Jährige eine Art Symbolfigur für den Wunsch nach politischer Veränderung in Deutschland geworden - weil es ihm als einzigem Gegner einer erneuten GroKo gelang, sich öffentlich und wirksam Gehör zu verschaffen. Eine Umfrage unter SPD-Mitgliedern sah ihn kürzlich im Ranking der Wunsch-Parteichefs sogar bereits vor Amtsinhaber Martin Schulz.
Allerdings stößt Kühnert bei seinem bemerkenswerten Aufstieg immer wieder auf unerwartete, teils subtile Widerstände. Glück für den Polit-Youngster: Auch diese Hemmnisse verwandelt er bisweilen einfach in Publicity. Am Donnerstag etwa ärgerte sich der 28-Jährige über eine Interview-Frage des Fernsehsenders RTL. Resultat war ein mehr als 12.000 Mal gelikter Tweet Kühnerts - der ein durchaus bedenkenswertes politisches Anliegen transportierte.
Ironie und Joghurtdeckel statt Tirade
Stein des Anstoßes war eine sehr unpolitische Erkundigung des Privatsenders. „Bin heute morgen bei #RTL gefragt worden, ob ich in einer WG lebe“, berichtete Kühnert seinen Followern. Das Unbehagen über eine Behandlung, die etablierten Polit-Größen so wohl nicht widerfahren wäre, fasste der JuSo nicht etwa in eine empörte Tirade. Sondern setzte den Vorfall ironisch-flapsig in einen größeren Kontext:
Bin heute morgen bei #RTL gefragt worden, ob ich in einer WG lebe. Werde anfangen solche überaus relevanten Fragen zu beantworten, sobald #Merkel und Co gefragt werden, ob sie beim Joghurt immer den Deckel ablecken. #diesejungenleute
— Kevin Kühnert (@KuehniKev) 25. Januar 2018
„Werde anfangen solche überaus relevanten Fragen zu beantworten, sobald #Merkel und Co gefragt werden, ob sie beim Joghurt immer den Deckel ablecken“, schrieb Kühnert.
Kühnert wurde im TV einfach geduzt
Tatsächlich wird insbesondere seit Kühnerts NoGroKo-Erfolgen unter dem Hashtag „#diesejungenleute“ bei Twitter mehr oder minder respektloses Verhalten von Polit-Größen und Medienvertretern gegenüber jungen Politikern verhandelt.
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An Beispielen mangelt es nicht. Kühnert selbst war vor Wochenfrist bei „Maybritt Illner“ vom Politikwissenschaftler Albrecht von Lucke einfach unvermittelt geduzt worden - was Kühnert mit einem milden Lächeln quittierte. Die NRW-Landtagsabgeordnete Sarah Philipp berichtete diese Woche, sie sei dann und wann schon gefragt worden, für welchen Abgeordneten sie denn arbeite.
Der Klassiker, aber zum Glück auch die Ausnahme: „Und für welchen Abgeordneten arbeiten Sie?“ „Ähm, ich bin die Abgeordnete.“ #DiesejungenLeute #ltnrw
— Sarah Philipp (@philipp_fuer_DU) 24. Januar 2018
Jung-Politiker feiern kleine Erfolge - andere Länder sind aber weiter
Die andere Seite der Medaille: Die bekannte Bundestagsabgeordnete Anke Domscheit-Berg erzählte unter dem Hashtag, sie werde auch mit knapp 50 Jahren ab und an noch als „junge Frau“ oder „Mädchen“ abqualifiziert. Und dass etablierte Politiker nach ihren Süßigkeiten-Vorlieben gefragt werden ist, anders als von Kühnert impliziert, auch kein unrealistisches Szenario. Tatsächlich musste sich just Angela Merkel in der heißen Phase des Wahlkampfs im Live-TV nach ihren Schokoladen-Präferenzen befragen lassen - wobei der Kanzlerin die banale Frage unmittelbar nach einer heiklen Frage zum Thema Rente womöglich ganz gelegen kam.
Kühnert hat in jedem Falle in lockerem Ton ein ziemlich sperriges und potenziell konfliktbehaftetes Thema aufs Tapet gebracht - und viel Publikum erreicht. Seine Kollegin Ricarda Lang, die Sprecherin der Grünen Jugend, sah am Donnerstag, mitten im Trubel um einen eigenen Appell zum Thema Umgangsformen im Netz, schon Erfolge der Debatte. Angesichts anderer Nationen, die schon jetzt junge Politiker als Regierungschefs haben, könnte man all das allerdings auch als vergleichsweise kleine Schritte sehen.
Gerade hat sich ein Journi nachträglich bei mir entschuldigt, dass er mich aufgrund meines Alters automatisch geduzt hat. Die Debatte um #diesejungenleute bringt was!
— Ricarda Lang (@Ricarda_Lang) 25. Januar 2018
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