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Linken-Parteitag 2022: Wagenknecht rebelliert gegen neuen Russlandkurs

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Von: Nail Akkoyun

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Zoff um Russland-Kurs: Sahra Wagenknecht will kritische Passagen zum Ukraine-Krieg aus dem Leitantrag tilgen. Verhindert die Parteirebellin die Neuaufstellung?

Hamburg/Erfurt – Kurz vor dem Parteitag in Erfurt hat eine Gruppe rund um Sahra Wagenknecht den Ukraine-Kurs der eigenen Partei infrage gestellt. So soll eine geplante Stellungnahme der Partei noch schnell generalüberholt werden. Etwa 50 Delegierte reichten einen Änderungsantrag ein, demzufolge man nicht zu den Entwicklungen schweigen will, „die maßgeblich dazu beitrugen, dass Russland heute in der Ukraine Krieg führt“. In dem Antrag, der kreiszeitung.de vorliegt, heißt es weiter, dass es „keine Rechtfertigung“ für den Krieg gebe, aber „nicht länger mit zweierlei Maß gemessen werden“ dürfe.

Die Linke: Parteitag 2022 droht im Streit zu versinken – Sahra Wagenknecht torpediert Russland-Kurs

Besonders brisant: Eine Solidaritätsbekundung mit der Ukraine wurde gestrichen. Der Änderungsantrag dürfte beim Parteitag 2022 am Wochenende „für Kontroverse“ sorgen, sagte Linke-Bundesgeschäftsführer Jörg Schindler im Gespräch mit kreiszeitung.de. Eine Begründung der Delegierten, zu denen unter anderem die Wagenknecht-Anhängerin Sevim Dağdelen gehört, soll mündlich erfolgen. Es ist zu erwarten, dass spätestens dann die Gemüter in Erfurt hochkochen werden.

Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht fordert gemeinsam mit rund 50 weiteren Delegierten eine Kurskorrektur im Ukraine-Krieg. (Archivfoto)
Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht fordert gemeinsam mit rund 50 weiteren Delegierten eine Kurskorrektur im Ukraine-Krieg. (Archivfoto) © Britta Pedersen/dpa

Geplant ist eigentlich, dass die Linke am kommenden Wochenende klar Stellung zum russischen Überfall auf die Ukraine bezieht und sich mit dem kriegsgebeuteltem Land solidarisiert. „Keine Aufrüstung, kein Krieg. Für eine neue Friedensordnung und internationale Solidarität“ steht dick über dem Leitantrag geschrieben, den die Bundespartei billigen und in dem Russland als Aggressor klar verurteilt werden soll. Für die Linke kommt das fast einer Kurskorrektur gleich. Denn Sympathie für Russland prägte viele Jahre die Parteilinie der Linken. Doch wegen des Angriffs von Wladimir Putin erscheint das vielen Parteimitgliedern unzeitgemäß.

Linken-Parteitag 2022: Wagenknecht will kritische Passage aus Leitantrag streichen – Attacke auf Nato und ukrainische Regierung

Die neue Linie fassen die Befürworter in dem Leitantrag mit folgenden Worten zusammen: „Wir verurteilen den verbrecherischen Angriffskrieg Russlands aufs Schärfste. Unsere Solidarität gilt den Menschen in der Ukraine, die leiden, Widerstand leisten oder flüchten müssen. Unsere Solidarität gehört ebenso den Menschen in Russland, die sich gegen den Krieg stellen, desertieren und dafür Verfolgung befürchten müssen; den Menschen, die sich weltweit gegen Krieg stellen und die Menschen auf der Flucht unterstützen.“

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Doch die „Wagenknechte“, wie die Anhängerinnen und Anhänger der ehemaligen Fraktionschefin laut spiegel.de genannt werden, wollten die Passage ursprünglich komplett streichen lassen. Stattdessen schlagen sie folgende Formulierung vor: „Wir schweigen nicht zur wortbrüchigen Nato-Osterweiterung, nicht zu dem mit 5 Milliarden Dollar von den USA unterstützten Regime-Change auf dem Maidan, nicht zur Ablehnung des Minsker Abkommens durch die ukrainische Regierung. Die jahrelange demonstrative Missachtung der von russischer Seite artikulierten Sicherheitsinteressen führte in diesen nicht zu rechtfertigenden Krieg, in dem wieder unschuldige Menschen getötet und große Zerstörungen angerichtet werden sowie Millionen auf der Flucht sind.“

Nach Kritik: Wagenknecht will Zitat in Änderungsantrag wieder aufnehmen

Sahra Wagenknecht und die restlichen Linke-Delegierten erkennen zwar an, dass der Krieg Russlands völkerrechtswidrig ist, erklären sich aber nicht dazu bereit, den Konflikt „aus seinem geopolitischen und historischen Kontext zu lösen“. Auch der Westen würde eine erhebliche Mitschuld am Krieg in Osteuropa tragen.

Die Solidarität mit der Ukraine wolle man nun aber doch nicht streichen, sagte Wagenknecht im Interview mit der Neuen Osnabrücker Zeitung. „Wir werden jetzt auch ausdrücklich die immer wieder zitierten Passagen übernehmen und ändern dafür unseren Antrag“, sagte die ehemalige Linke-Fraktionschefin. Wagenknecht betonte, „dass ab jetzt über das diskutiert wird, worum es wirklich geht: dass die Linke die unsägliche Zeitenwende-Rhetorik nicht mitmachen darf“.

Verbrecherische Kriege, bei denen es um Großmacht-Ambitionen und Einflusssphären gehe, seien Neues. „Und wir sollten auch nicht hinter dem Papst zurückbleiben, der darauf hingewiesen hat, dass das ,Bellen der Nato an Russlands Tür‘ für den Ausbruch des Krieges mitverantwortlich ist. Der Ukraine-Krieg ist durch nichts zu rechtfertigen, aber er wäre vermeidbar gewesen.“

Parteitag im Juni: Mehrere Kandidaten ringen um Wahl zum Parteivorsitz – Wagenknecht-Favorit unterschreibt Antrag nicht

Bei dem Parteitag, der vom 24. und 26. Juni in Erfurt stattfindet, will die Linke die jüngsten Wahlniederlagen und interne Differenzen aufarbeiten. Darüber hinaus wird ein neuer Parteivorsitz sowie Bundesgeschäftsführer gewählt – bislang haben nur drei Männer ihre Kandidatur angekündigt. Sahra Wagenknecht hat eine Wahlempfehlung für den sächsischen Bundestagsabgeordneten Sören Pellmann ausgesprochen. Der hatte Ende Mai eine Erklärung des Wagenknecht-Lagers unterschrieben, der zufolge die Nato Mitschuld am Ukraine-Krieg trägt. Unter dem aktuellen Änderungsantrag ist Pellmanns Name allerdings nicht zu finden.

Neben dem Sachsen wird auch die amtierende Parteichefin Janine Wissler, EU-Co-Fraktionsvorsitzender Martin Schirdewan sowie Heidi Reichinnek, Linke-Landesvorsitzende in Niedersachsen, antreten. Eine Zusammenarbeit mit Wissler schloss Reichinnek bereits aus.

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