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„Komplizierte Sozialleistung“: Kinderzuschlag erreicht nur ein Drittel der Berechtigten

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Von: Alexander Eser-Ruperti

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Der Kinderzuschlag soll Familien helfen, nicht ins Bürgergeld zu fallen – doch das Geld kommt oft nicht an, wie aktuelle Zahlen zeigen. Wieso ist das so?

Berlin – So ganz genau kann das Bundesfamilienministerium die Fälle von Nicht-Inanspruchnahme des Kinderzuschlags nicht beziffern, doch die Antwort auf eine Anfrage der Linkspartei spricht trotzdem Bände. Es wird deutlich: Der Kinderzuschlag kommt nur bei einem kleinen Teil der Berechtigten an. Millionen Menschen in Deutschland erhalten damit kein Geld, obwohl sie einen Anspruch darauf hätten. Der Armutsforscher Christoph Butterwegge sieht im Gespräch mit kreiszeitung.de verschiedene Gründe für diesen Umstand – unter anderem eine offenbar kaum ausreichende Informationsvermittlung.

Wer bekommt Kinderzuschlag: „Komplizierte“ Sozialleistung erreicht viele der Berechtigten nicht

Bei der Frage „Wer bekommt Kinderzuschlag“ gibt es eine theoretische Antwort – mit der Realität deckt die sich jedoch offenbar nicht: Aus einer Anfrage der Linksfraktion im Bundestag geht hervor, dass im Dezember für rund 800.000 Kinder der Kinderzuschlag ausgezahlt wurde. Aus dem Bundesfamilienministerium heißt es, das wären in etwa 35 Prozent der anspruchsberechtigten Kinder. Zwar schränkt man seitens der Behörde ein, dass es „keine Erhebungen und auch keine verlässlichen und belastbaren Schätzungen“ zur Zahl der Fälle von Nicht-Inanspruchnahme gäbe, aber auch die grobe Schätzung spricht eine mehr als klare Sprache.

Eine Frau hält eine Geldbörse mit Scheinen in der Hand.
Der Kinderzuschlag wurde zum 1. Januar 2023 auf monatlich bis zu 250 Euro pro Kind erhöht. Viele Antragsberechtigte wissen indes gar nicht, dass sie die Leistung erhalten können. (Symbolbild) © K. Schmitt/Fotostand/imago

Der Armutsforscher Christoph Butterwegge sagt auf Anfrage: „Diese hohe Dunkelziffer hat vor allem damit zu tun, dass die meisten
Anspruchsberechtigten gar nicht wissen, dass es diese komplizierte Sozialleistung gibt oder dass sie ihnen zusteht. Man hat vielfach Angst vor der staatlichen Bürokratie, Behörden und Formularen. Dazu kommen Stolz und Scham, sich als armutsgefährdet zu outen.“ Die Folge: Menschen in finanzieller Bedrängnis erhalten Gelder nicht, die ihnen eigentlich zustehen. Auch das Familienministerium hatte in der Vergangenheit wiederholt betont, viele Antragsberechtigte wüssten nicht, dass sie einen Anspruch hätten.

Wann lässt sich der Kinderzuschlag beantragen? Ampel plant Kindergrundsicherung

Doch wann lässt sich der Kinderzuschlag beantragen? Konkret ist dieser gedacht für Familien sehr geringe Einkommen, ohne dass Bürgergeld bezogen wird. Ab 600 Euro brutto bei Alleinerziehenden, beziehungsweise 900 Euro bei Paaren kann der Zuschlag beantragt werden, zusätzlich zum Kindergeld. Monatlich sind Zahlungen von bis zu 250 Euro möglich, wobei gilt, je höher das Einkommen, desto geringer die Zahlung. Die Ampel unter Kanzler Olaf Scholz (SPD) will den Zuschlag zukünftig mit anderen staatlichen Leistungen für Kinder in der sogenannten Kindergrundsicherung zusammenführen.

Christoph Butterwegge hat Zweifel an einer effektiven Gestaltung der Kindergrundsicherung, auch zum Kinderzuschlag findet er deutliche Worte. Der Armutsexperte sagt: „Der Kinderzuschlag hat das Ziel, zu verhindern, dass Menschen nur wegen
ihrer Kinder zu Bürgergeld-Bezieher(inne)n werden. Dabei müssten eine so wohlhabende, wenn nicht reiche Gesellschaft und ihr Sozialstaat verhindern, dass es diese Gefahr überhaupt gibt. Hierzu könnte eine Kindergrundsicherung beitragen“, so Butterwegge.

Butterwegges geringe Hoffnung darauf, dass es spürbare Verbesserungen gibt, wird deutlich, wenn er sagt: „Ich bezweifle aber, dass die von der Ampel-Koalition geplante Kindergrundsicherung so konstruiert wird, dass Familien nicht mehr armutsgefährdet sind.“ Bekannt sind bisher Eckpunkte – ab 2025 soll die Grundsicherung dann greifen.

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