Klimaschutz trotz Schuldenbremse: So wäre eine Finanzierung möglich
SPD, Grüne und FDP wollen während der kommenden Regierungsperiode kräftig investieren – besonders in den Klimaschutz. Eventuell müssen sie dafür tricksen.
Berlin – Die Zeichen stehen immer mehr auf Ampel: Ab Donnerstagnachmittag wollen sich die Unterhändler von SPD, FDP und Grüne zusammensetzen, um die Chancen für eine mögliche Ampel-Koalition auszuloten. Schon jetzt ist sicher: Der Investitionsbedarf in Deutschland ist groß. Besonders beim Klimaschutz sind milliardenschwere Vorhaben geplant – aber auch in anderen Bereichen sollen Gelder fließen. Zudem gibt es die Überlegungen über ein Bürgergeld. Wie das aber im Rahmen der Schuldenbremse finanziert werden soll, ist bislang aber noch unklar. Steuererhöhungen soll es nicht geben.
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Klimaschutz: Ampel-Koalition noch nicht einig über Finanzierung
Derzeit ist die Schuldenbremse noch bis 2023 aufgrund der Corona-Pandemie ausgesetzt – die Ampelparteien könnten also die verbleibende Zeit nutzen, um kräftig Schulden aufzunehmen. Grünen-Chefin Annalena Baerbock äußerte sich entsprechend in einem Deutschlandfunkgespräch*. Der Funke Mediengruppe sagte Annalena Baerbock, dass auch die bestehende Schuldenbremse „eine Kreditfinanzierung im begrenzten Umfang zulasse“. Nach dem Ende des Aussetzens der Schuldenbremse darf die Regierung nur 5,4 Milliarden Euro Schulden machen – Ausnahmen sind bei Krisen und Katastrophen möglich. Allerdings darf das Geld dann nur im Zusammenhang mit der jeweiligen Situation genutzt werden.
Diese möglichen Pläne stoßen seit einigen Tagen auf herbe Kritik. Manche Experten und Politiker befürchten gar eine rechtswidrige Aufhebelung des geltenden Rechts.

Alexander Kriwoluzky, Abteilungsleiter in der Abteilung Makroökonomie am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin, skizziert gegenüber kreiszeitung.de vier mögliche Szenarien, wie die künftige Ampel-Regierung trotz Schuldenbremse in die Klimaziele investieren kann. Einerseits wären Einsparungen bei derzeitigen Subventionen oder eine Finanzierung über den Aufbauplan „Next Generation EU“ möglich.
Klimaschutz in Deutschland: Experte sieht mehrere Möglichkeiten der Finanzierung
Wie aus dem 28. Subventionsbericht der Bundesregierung hervorgeht, ist die Subventionspolitik der Bundesrepublik zunehmend geprägt durch die Klima- und Umweltpolitik – insbesondere durch direkte Förderungen. Weitere Förderschwerpunkte liegen im Bereich Wohnungsbau, Digitalisierung und Mobilität. „Next Generation EU“ – ein milliardenschweres Rettungspaket, das am 21. Juli 2020 von den Staats- und Regierungschefs der 27 EU-Länder beschlossen wurde, soll hingegen Staaten, die durch die Corona-Pandemie hart getroffen worden sind, durch ein Paket von Hilfsmaßnahmen unterstützen.
Zwei weitere Finanzierungsmöglichkeiten, die Kriwoluzky sieht, sind die Gründung eines Investitionsfonds, der durch eine einmalige Schuldenaufnahme finanziert wird, sowie Finanzierung durch öffentliche Investitionsgesellschaften. Diese könnten dann selbstständig Schulden aufnehmen.
Klimaschutz in Deutschland: SPD, Grüne und FDP sprechen sich gegen eine Reform der Schuldenbremse aus
Auf Basis des Sondierungspapiers, das SPD, Grüne und FDP gemeinsam verabschiedet haben, gilt es als unwahrscheinlich, dass es zu einem dauerhaften Aussetzen oder der Abschaffung der Schuldenbremse kommen wird. Dafür müsste das Grundgesetz geändert werden, wofür es aber voraussichtlich keine politische Mehrheit geben würde. Kriwoluzky sieht hier die FDP in einer guten Verhandlungsposition. Die Grünen hingegen werden auf die nötigen Investitionen beim Klimaschutz pochen – angetrieben von den Klimaaktivisten von Fridays for Future.
Der DIW-Experte sieht daher die Möglichkeit, die Schuldenbremse um eine Investitionskomponente zu erweitern: Diese könnte besagen, dass ein gewisser Anteil des Haushaltes für Investitionen bereitgestellt werden muss. Dieser Teil ist dann wiederum von der Schuldenbremse ausgenommen. Die Gründung von Investitionsgesellschaften oder das Erweitern der Schuldenbremse um eine Investitionskomponente könnte die FDP eventuell mittragen, wenn gleichzeitig ein größerer Betrag an derzeitigen Subventionen eingespart wird und es gleichzeitig keine Steuererhöhungen gibt.
Klimaschutz: Robert Habeck sieht Finanzierung gesichert
Auch wenn die Möglichkeiten des Experten tragfähig erscheinen, wird es voraussichtlich zu harten Debatten zur Finanzierung der Klimapolitik kommen. Grünen-Chef Robert Habeck bemüht sich unterdessen, entschieden Befürchtungen entgegenzutreten, die die Finanzierung der Klimaziele infrage stellen. „Es wird nicht am Geld scheitern, um Deutschland klimaneutral zu machen“, sagte Habeck am Dienstagabend in der ZDF-Sendung Markus Lanz. Es würden eine Reihe an Vorschlägen im Raum stehen. Der Grünen-Politiker sprach von etwa 50 Milliarden Euro jährlich an notwendigen Investitionen. Details zur Finanzierung nannte er aber nicht und verwies auf die vereinbarte Verschwiegenheit der Ampel-Partner.
Im Gespräch mit der „Rheinischen Post“ mahnte FDP-Vize Wolfgang Kubicki: „Es wird keine Umgehung der Schuldenbremse geben, in welcher Form auch immer. So ist es im Sondierungspapier festgehalten.“ Aber auch er beteuerte, dass es ausreichend Finanzierungsvorschläge für die Vorhaben geben würde. Noch bleiben die Ausführungen der Politiker zur Finanzierbarkeit des Klimaschutzes ungewiss. Sicher ist aber: Wenn am Donnerstag die Unterhändler von SPD, FDP und Grüne erneut zusammenkommen und über eine Ampel-Koalition sprechen, wird das Thema sehr wahrscheinlich besprochen werden. Möglicherweise können sich die Parteien schnell auf eine tragfähige Lösung einigen. (Mit Material der dpa) * kreiszeitung.de und merkur.de sind Angebot von IPPEN.MEDIA.