Trotz Dementi aus Katar: Kailis Drahtzieher verrät seine Komplizen
Im EU-Korruptionsskandal jagt ein Geständnis das andere: Nach Eva Kaili hat auch Drahtzieher Antonio Panzeri offenbar ausgepackt. In Katar reagiert man sauer.
Brüssel – Er gilt als die Spinne im Netz: Pier Antonio Panzeri. Der frühere Europaabgeordnete soll der Drahtzieher im EU-Korruptionsskandal sein. Medienberichten zufolge zeigt sich der Italiener dabei kooperativ. Nachdem bereits die frühere Vizeparlamentspräsidentin Eva Kaili ein Geständnis abgelegt hatte, offenbarte jetzt auch der Hauptangeklagte sein Netzwerk und nannte den Ermittlern die Namen seiner Komplizen. Die Bestechungsvorwürfe gegen Katar und Marokko werden dadurch immer erdrückender – doch insbesondere in dem Golfstaat sieht man sich weiterhin zu Unrecht an den Pranger gestellt.
Nach Eva Kaili: Auch der Drahtzieher Panzeri legt im EU-Korruptionsskandal ein Geständnis ab
Pier Antonio Panzeri sitzt seit dem 9. Dezember wegen des EU-Korruptionsskandals in Belgien in Untersuchungshaft, zusammen mit fünf weiteren Angeklagten. Unter den Inhaftierten befinden sich auch die frühere Vizepräsidentin des Europaparlamentes, Eva Kaili, sowie ihr Lebensgefährte. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen Bestechung und Geldwäsche vor. So sollen über eine Nichtregierungsorganisation (NGO) namens „Fight Impunity“ („Bekämpft Straffreiheit“) illegale Tauschgeschäfte mit Katar und Marokko abgewickelt worden sein, um politische Entscheidungen der EU zu beeinflussen, so der Vorwurf.

Korruption im Europaparlament: Panzeri wickelte die Bestechung über die NGO Fight Impunity ab
Panzeri soll die NGO „Fight Impunity“ im Jahr 2019 gegründet haben. Wie die italienische Zeitung La Repubblica berichtet, legte der frühere Europaabgeordnete in einer Vernehmung vor dem Ermittlungsrichter ein Teil-Geständnis ab. Dabei bestätigte er offensichtlich Vereinbarungen und Geldflüsse aus Katar und Marokko. Beides hätte es aber erst ab 2019 gegeben, sagte Panzeri dem Bericht zufolge. Für Panzeri ist das ein feiner Unterschied, weil er dann zumindest nicht als EU-Abgeordneter Geld angenommen und verteilt hätte. Der Italiener war 2019 aus dem EU-Parlament ausgeschieden. Ob die Angaben stimmen, müssen die weiteren Ermittlungen zeigen.
Pier Antonio Panzeri: Früherer EU-Abgeordneter verrät seine Komplizen – welche Rolle hatte Kaili?
Laut dem Medienbericht hofft Panzeri durch sein Geständnis, mit einer milderen Strafe davonzukommen. Vor diesem Hintergrund soll er auch die Namen seiner vermeintlichen Komplizen auf den Tisch gelegt haben. So sollen die europäischen Sozialdemokraten Andrea Cozzolino, Marc Tarabella und Maria Arena ebenfalls in die Geschäfte mit verwickelt gewesen sein – und als Vermittler zwischen Katar oder Marokko und der EU fungiert oder zumindest auch Geld erhalten haben. Wie genau die griechische Abgeordnete Eva Kaili in das Netzwerk passte, blieb dem Bericht zufolge offen.
Nach ihrer Verhaftung hat Eva Kaili, die früher durchaus ein Luxusleben zu führen schien, aber bereits selber eine Beteiligung in dem Skandal eingeräumt. So fanden die Fahnder auch bei ihr in der Wohnung erhebliche Beträge an Bargeld. Sie habe davon gewusst, sagte sie in ihrem Geständnis. Wenige Tage zuvor hatte Kaili noch ihre Unschuld beteuert. Doch nachdem bereits ihr Lebensgefährte Francesco Giorgi ausgepackt hatte, legte auch Kaili die Karten auf den Tisch.
Dennoch bleiben weiterhin viele Fragen in dem Korruptionsskandal ungeklärt. Die Ermittlungen laufen weiter auf Hochtouren. Bei einer groß angelegten Razzia hatten die Ermittler 18 Wohnungen und Büros durchsucht und dabei viele Beweismittel sichergestellt. Vorausgegangen waren monatelange Ermittlungen. Bei den Durchsuchungen wurde insgesamt Geld im Wert von 1,5 Millionen Euro sichergestellt. Allein in Panzeris Wohnung fanden Ermittler 600.000 Euro Bargeld, aufgeteilt in sieben Pakete in einem Koffer, wie aus einem Ermittlungsbericht hervorgeht, aus dem focus.de zitierte. 100.000 Euro sollen gefehlt haben. Das Geld sei im Hotelzimmer von Eva Kailis Vater gefunden worden, so die Ermittler.
Skandal nach Razzia: Katar und Marokko bestreiten die Vorwürfe im Skandal um Eva Kaili
Doch woher stammt das Geld? Wirklich aus Katar und Marokko? Die Hinweise jedenfalls verdichten sich durch die drei Geständnisse. Dennoch wiesen beide Länder eine Verwicklung bislang empört zurück. Insbesondere in Katar ist man sauer. „Wir weisen die Anschuldigungen, die unsere Regierung mit Fehlverhalten in Verbindung bringen, entschieden zurück“, hieß es in einer diplomatischen Erklärung, die der Nachrichtenagentur Reuters vorlag. Katar sei nicht das einzige Land, das in den Ermittlungen genannt werde, dennoch werde zunehmend der Golfstaat kritisiert und angegriffen.
Das EU-Parlament hatte tatsächlich umgehend reagiert. Nach dem Bekanntwerden des EU-Korruptionsskandals war Lobbyisten aus dem Emirat der Zugang zum Brüsseler Gebäude gestrichen und ein geplantes Abkommen zu Visa-Erleichterungen auf Eis gelegt worden. Beide Schritte bezeichnete Katar jetzt in der diplomatischen Note als „diskriminierend“. Zugleich drohte der Golfstaat seinerseits Konsequenzen und das Aufkündigen des Gas-Deals an.
Folgen aus Qatargate: Katar droht der EU den Stopp des Gas-Deals an
Das Vorgehen der EU im Qatargate könne durchaus „negative Effekte auf die regionale und globale Sicherheitszusammenarbeit sowie auf die derzeitigen Gespräche über die globale Energieknappheit haben“, hieß es. Seit dem Ukraine-Krieg ist Katar zu einem wichtigen Lieferanten für Gas geworden. Vor allem in Deutschland soll die Abhängigkeit von Russland reduziert werden. (jkf)