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Von wegen Kanzler: Habeck misstraut dem Popstarkult

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Von: Jens Kiffmeier

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Erst Krisenmanager, dann Kanzler: Robert Habeck führt die Umfragen an. Doch der Grüne weiß: Die Gaskrise kann seine Popularität schnell zunichtemachen.

Berlin – Umfragen sind wie ein Soufflé im Ofen. Diesen Vergleich hat mal der grüne Außenminister Joschka Fischer angestrengt. Die Speise sei erst wunderbar anzuschauen. Doch wenn der Souverän, also die Wählerinnen und Wähler, hineinpiksen würden, entweiche die Luft – und die Größe schmelze schnell in sich zusammen. Gut möglich, dass Robert Habeck dieses Bild seit dem im Kopf hat.

Robert Habeck (Grüne): Bald Kanzler? Minister führt die Umfragen zur K-Frage an

Derzeit hätte der Grüne eigentlich viel Grund zum Jubeln. Denn Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) erlebt in den Umfragen seit Wochen einen ungeahnten Höhenflug. So halten ihn die Deutschen für besonders kanzlertauglich. Am Mittwoch sah das Trendbarometer von RTL und n-tv den Bundeskanzler in der sogenannten K-Frage auf Platz eins – vor Amtsinhaber Olaf Scholz (SPD) und CDU-Chef Friedrich Merz. Auf die Frage, wen sie sich am ehesten als Kanzler wünschten, sprachen sich 27 Prozent der Befragten für Habeck aus, 24 Prozent für Scholz und nur 16 Prozent für Merz.

Kann er Kanzler? Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) führt die Umfragen an.
Kann er Kanzler? Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) führt die Umfragen an. © Michael Kappeler/dpa

Damit avanciert Habeck zu einem Zugpferd für seine Partei. Denn der Minister scheint populärer zu sein als die Grünen selber, die im Parteienvergleich nur auf Platz zwei rangieren in der Gunst der Deutschen. Vorne liegt wiederum die CDU mit Merz (26 Prozent), knapp dahinter die Grünen (24 Prozent). Die SPD mit Scholz landet auf Platz drei, abgeschlagen mit 18 Prozent. Den Sozialdemokraten wird dabei am wenigsten zugetraut, die Gaskrise in Deutschland zu lösen. Denn das ist das bestimmende Thema für die Wählerinnen und Wähler.

Seit Beginn des Ukraine-Kriegs schießen die Preise für Strom, Gas, Sprit und Lebensmittel in die Höhe. Ein Großteil der Probleme fällt dadurch in die Zuständigkeit von Habeck. Und der Flensburger schlägt sich nach Meinung der Deutschen wacker – vor allem, weil er eine Art neuen Politikstil prägt.

Deal mit Katar und Windkraftausbau: Habeck punktet mit Pragmatismus in der Gaskrise

Er treibt den Windkraftausbau voran, will zugleich aber auch Öl-Deals mit Katar schließen, auch wenn die Scheichs den Wirtschaftsminister trotz seines Kniefalls wohl hängen lassen. Dennoch der Pragmatiker in Habeck ist bereit, die grünen Überzeugungen über Bord zu werfen, wenn es in der Krise nötig ist. Seine Zerrissenheit macht er dabei öffentlich. Er sitzt in den Talkshows, hadert und erklärt die Notwendigkeiten zum Handeln. Damit verkörpert er das Gegenteil zu Scholz, der erst einmal abtaucht, bis er eine Lösung gefunden hat. Der Effekt: Scholz gilt plötzlich als Zauderer, Habeck als der Tatkräftige.

Aber das ist nur eine Momentaufnahme in der Politik. Er wisse, dass er auf einer Euphoriewelle schwimme, verriet er kürzlich mal der Süddeutschen Zeitung. Doch das sei sehr schnell vergänglich. Derzeit sei die Gaskrise in Deutschland noch sehr theoretisch. Richtig hart werde es erst im Winter, wenn die hohen Nebenkostenabrechnungen ins Haus flattern und vielleicht sogar das Gas knapp sei, sodass nicht mehr in allen Räumen geheizt werden könnte. In diesem Moment gelte er sicherlich nicht mehr als Heilsbringer.

Kanzler Habeck: Der Grüne traut den Umfragen nicht – denn die Gaspreise werden auf die Laune drücken

Ungeachtet dessen wäre es für Habeck bis ins Kanzleramt ein steiniger Weg. Denn dafür müsste der Minister am Ende zusammen mit seiner Partei in Deutschland bei einer wirklichen breiten Masse punkten. Und genau dazu hält der Geschäftsführer des Meinungsforschungsinstituts Forsa, Manfred Güllner, die Grünen nicht für fähig. Die Umfragen seien nicht dauerhaft, sagte der Experte der Nachrichtenagentur dpa.

Die Öko-Partei sei „weit davon entfernt, eine Volkspartei zu sein, die die unterschiedlichsten Gruppen bündeln könnte“, fügte Güllner hinzu. „Sie bleibt eine Partei für die oberen Bildungs- und Einkommensschichten im Umkreis des öffentlichen Dienstes und von Bildungseinrichtungen.“ Doch wenn sich die Grünen für soziale Themen einsetzten, erreiche das die Menschen nicht.

Kanzlerkandidatur: Robert Habeck macht aus seinen Ambitionen keinen Hehl

Diese Erfahrung musste auch schon Annalena Baerbock machen. Im Bundestagswahlkampf 2021 war sie als Kanzlerkandidatin angetreten. Sie machte zwar auch viele persönliche Fehler. Aber davon abgesehen drang die Partei am Ende nicht mit ihren Themen überall durch. Habeck selber hat aber nie einen Hehl daraus gemacht, dass er auch gerne als Kanzlerkandidat angetreten wäre. Doch er musste der heutigen Außenministerin den Vortritt lassen. Gut möglich aber, dass er trotzdem 2025 einen eigenen Anlauf wagen will. Soufflé hin oder her.

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