Janine Wissler: Geschätzt und gefürchtet – die Vorsitzende der Linken
Königsmacherin oder Schmuddelkind? Nach der Bundestagswahl könnte Janine Wissler die Linke vielleicht in eine Koalition führen. Wer ist die Frau? Ein Porträt.
Berlin – Für Konservative in Deutschland ist sie eine absolute Reizfigur: Janine Wissler. Als die 40-Jährige im Februar dieses Jahres zur Co-Parteichefin der Linken gewählt wurde, trudelten schnell die ersten Glückwunschschreiben ein. Doch für den CSU-Bundestagsabgeordneten Florian Hahn war das zu viel. „Extremisten gratuliert man nicht“, schrieb er laut einem Bericht des Bayerischen Rundfunks empört bei Twitter.
Deutsche Politikerin: | Janine Wissler (Die Linke) |
Position: | Parteivorsitzende und Spitzenkandidatin |
Alter: | 40 Jahre |
Privat: | ledig |
Janine Wissler (Die Linke): Die Vorsitzende trimmt Partei mit Dietmar Bartsch auf rot-rot-grünen Kurs
Tatsächlich steht Wissler sehr weit links im Parteienspektrum. Daraus hat sie nie einen Hehl gemacht. Es kann aber durchaus sein, dass ihr das nicht schadet. Denn bei der Bundestagswahl könnte die Linkspartei noch ein gehöriges Wort mitreden – zum Verdruss vieler Unionspolitiker.

Dabei steht es nach Wahlumfragen nicht gerade zum Besten für die Linke. Die Fünf-Prozent-Hürde ist bedrohlich nahe und der Wiedereinzug der Partei in den Deutschen Bundestag steht auf der Kippe. Trotzdem könnte es am Ende sogar reichen – vielleicht sogar in einer rot-grün-roten Koalition, was für Friedrich Merz (CDU) ein Graus wäre. Nicht wenige in der Linkspartei könnten sich das vorstellen. Regeln soll das: Spitzenkandidatin Wissler. Doch wer ist die Frau, die zusammen mit Co-Spitzenkandidat Dietmar Bartsch die Partei in den Wahlkampf führt?
Janine Wissler aus Hessen: Raus aus dem Landtag, rein in den Bundestag – Spitzenkandidatin kämpft gegen Rechts
Bis vor ihrer Wahl zur Parteichefin war die 40-Jährige einer breiten Öffentlichkeit eher unbekannt. In Hessen verschaffte sie sich als engagierte Landespolitikerin einen gewissen Ruhm, doch auf Bundesebene stand sie stets im Schatten anderer prominenter Gesichter: Gregor Gysi, Katja Kipping, Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch. Mit ihrer überraschenden Kandidatur um den Parteivorsitz zusammen mit Susanne Hennig-Wellsow trat sie aus deren Schatten aber heraus.
Sie gilt in der Partei als gut vernetzt. Geboren und aufgewachsen in Hessen in einer klassischen Mittelstandsfamilie engagierte sich die Diplom-Politologin bereits während ihrer Studienzeit in Frankfurt am Main politisch. Aus Protest vor der Agenda 2010 gründete sie die den hessischen Landesverband der WASG mit, die später zusammen mit der PDS zur Linkspartei fusionierte. Ab 2009 nahm sie auch eine führende Rolle in dem Landesverband ein. Als Oppositionspolitikerin im Hessischen Landtag saß sie auch mit in dem NSU-Untersuchungsausschuss.
Immer wieder erhebt die 40-Jährige lautstark ihre Stimme gegen Rechtsextremismus. Wissler selber war bis vor kurzem noch Mitglied bei dem trotzkistischen Netzwerk Marx21 und bei der Sozialistischen Linken, zwei extrem linke Gruppierungen der Partei, die vom Verfassungsschutz beobachtet werden. Das macht sie einerseits angreifbar für politische Gegner, aber auch von Rechtsextremen. So bekam die junge Parteichefin bereits mehrfach Drohschreiben von der selbsternannten „NSU 2.0“.
Vom Baumarkt-Job zur Ministerin? Im privaten Lebenslauf zeigt sich Janine Wissler verschlossen
Den Mund verbieten lässt sie sich aber nicht. Wissler gilt als gute Rednerin. Zuletzt war das beim TV-Vierkampf zu beobachten. Bestimmt stritt sie mit FDP-Chef Christian Lindner, CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt und AfD-Spitzenkandidatin Alice Weidel für ihre linken Themen: Mindestlohn-Erhöhung, bezahlbarer Wohnraum, Abschaffung der Nato. Als sie einen Fachvortrag über die soziale Abfederung des Klimawandels hielt, grätschte ihr Lindner dazwischen. „Sind Sie eigentlich Naturwissenschaftlerin?“, wollte er wissen. Es war spöttisch gemeint, doch es zeigte auch: Wissler ist in Debatten durchaus faktensicher.
Das ist die öffentliche Wissler. Und die private? Die ist da eher verschlossen. Freund? Frau? Dazu gibt es kaum Angaben. Ihr Privatleben schützt sie. Sie sei ledig, teilt sie in ihrem selbst veröffentlichten Lebenslauf mit. Sie mag die Berge und den Alpenverein. Neben ihren Angaben zu politischen Stationen und zur Herkunft erfährt man noch, dass sie während des Studiums im Baumarkt gejobbt hat. Das war es.
Nato, Afghanistan, Russland: Die Außenpolitik macht die Linkspartei unattraktiv für Koalitionen
Doch schenkt man der CDU Glauben, dann könnte bald noch ein Eintrag im Lebenslauf folgen. Vielleicht Ministerin? Die Umfragen, die weit besser sind als ihr Ruf, geben zumindest rein rechnerisch ein Linksbündnis mit Grünen und SPD her. Seit Wochen beschwören die Wahlkämpfer um Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet dieses Schreckgespenst.
Doch bei allen Unkenrufen – sowohl SPD-Umfragekönig Olaf Scholz als auch Grünen-Spitzenkandidatin Annalena Baerbock sind äußerst skeptisch. Sie sehen die außenpolitischen Haltung der Linkspartei als äußerst problematisch, wie auch Karl Lauterbach jüngst kundtat. Dass die Linke im Bundestag die Evakuierungsmaßnahmen in Afghanistan nicht nachträglich legitimieren wollte, verbesserte den Eindruck nicht gerade.
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Doch auf den letzten Metern versucht Wissler zusammen mit ihrem Co-Spitzenkandidaten Dietmar Bartsch, die Bedenken der potenziellen Koalitionspartner zu zerstreuen. Zwar hatte Wissler im TV-Vierkampf auf die Abschaffung der Nato beharrt, doch zwei Tage später rückte sie von ihrer Maximalforderung ab. Dabei handele es sich um ein langfristiges Ziel, stellte sie klar. Sollte heißen: Wenn es der Koalition im Wege steht, dann schieben wir die Forderung halt auf den Sanktnimmerleinstag. So viel Pragmatismus hätte ihr manch Konservativer in der Union sicherlich auch nicht zugetraut.
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