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Herkunft entscheidet: Ampel stellt Ukraine-Geflüchtete mit Hartz IV besser

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Von: Jens Kiffmeier

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Grundsicherung statt Asylleistungen: Die Ampel gewährt Geflüchteten aus der Ukraine Hartz IV. Monate später kritisiert Merz einen Sozialtourismus.

Update von Dienstag, 27. September 2022, um 11.35 Uhr: Mit umstrittenen Aussagen zur Gewährung von Hartz IV für Menschen aus der Ukraine hat Parteichef Friedrich Merz (CDU) in Deutschland eine große Empörungswelle losgetreten. Wenige Monate nach der Aufnahme in die Grundsicherung warf Unionsfraktionschef Merz den Geflüchteten vor, sie würden „Sozialtourismus“ betreiben und zwischen beiden Ländern hin und her pendeln. Doch innerhalb der Politik stieß das auf großen Unmut. Sowohl SPD als auch Grüne und FDP kritisierten Merz dafür heftig. Nur wenige Stunden später ruderte er zurück, wie kreiszeitung.de in einem ausführlichen Bericht zeigt.

Hartz IV für Geflüchtete aus der Ukraine: Friedrich Merz kritisiert Sozialtourismus – und erntet Kritik

Erstmeldung vom 8. April, um 15:48 Uhr: Berlin – Guter Flüchtling, schlechter Flüchtling? Die Gewährung von Hartz IV für Geflüchtete aus dem Ukraine-Krieg hat in Deutschland eine hitzige Debatte um den Umgang mit Schutzsuchenden losgetreten. So warnten Linkspolitiker und Asylverbände vor einer Ungleichbehandlung von Menschen. Es sei zwar gut, dass die Kriegsflüchtlinge in die Grundsicherung aufgenommen werden sollten, twitterte der nordrhein-westfälische Spitzenkandidat der Linken, Jules El-Khatib. „Doch es darf keine Flüchtlinge 1. und 2. Klasse geben“, forderte er. Bund und Länder wiesen den Vorwurf umgehend zurück.

Hartz IV: Ampel nimmt Geflüchtete aus der Ukraine in die Grundsicherung auf

Nach zähen Verhandlungen hatten die Bundesregierung von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und die Bundesländer am Donnerstagabend beschlossen, dass Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine ab dem 1. Juni 2022 die gleiche Grundsicherung wie Empfänger von Hartz-IV erhalten sollen – und damit eine migrationspolitische Kehrtwende hingelegt. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) zeigte sich im Anschluss mit den Ergebnissen zufrieden und sprach von einem „fairen Kompromiss“.

Geflüchtete aus der Ukraine kommen in Cottbus am Bahnhof an. In Deutschland werden sie mit Hartz IV abgesichert.
Ankunft in Deutschland: Geflüchtete aus der Ukraine sollen mit Hartz IV abgesichert werden. © Frank Hammerschmidt/dpa

Bisher erhalten die geflüchteten Ukrainerinnen und Ukrainer noch geringere Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Doch bereits Anfang März hatte die Europäische Union (EU) den Menschen aus dem Kriegsgebiet einen Sonderstatus zugesprochen. Wegen des von Russlands Präsidenten Wladimir Putin befohlenen Überfalls sollen die Ukrainerinnen und Ukrainer auch ohne Asylantrag einen Aufenthaltstitel bekommen, der zunächst für ein Jahr gilt und auf drei Jahre verlängert werden kann. Im Gegensatz zu vielen anderen Asylbewerbern, die in die EU kommen, entfällt für sie auch die Residenzpflicht. Die Geflüchteten aus der Ukraine dürfen sich innerhalb der Mitgliedsstaaten frei bewegen.

Hartz IV: Geflüchtete des Ukraine-Kriegs werden mit Empfängern gleichgestellt – Jobcenter als Ansprechpartner

Vor diesem Hintergrund begründete die Politik nun ihr Vorgehen. Da die Menschen aus der Ukraine direkt Anspruch auf einen Aufenthaltstitel hätten, sei keine Entscheidung wie bei anderen Asylbewerbern abzuwarten. Neben mehr Geld und besserem Zugang zu medizinischer Versorgung bekommen sie auch einen schnellen Zugang zum Arbeitsmarkt. Denn durch die Aufnahme in die Grundsicherung sind nun die Jobcenter die zentralen Anlaufstellen.

Für Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) sind die europäischen Vorgaben der entscheidende Unterschied für die Sonderstellung. „Hier muss man ganz klar sagen, dass es eine Gleichbehandlung gibt, denn die Kriegsgeflüchteten werden behandelt wie Asylbewerber, deren Status anerkannt worden ist“, sagte sie im ZDF-Morgenmagazin. Ähnlich hatte sich im Vorfeld der Beratungen auch schon Bundesinnenministerin Nancy Faeser geäußert. „Wir wollen Geflüchtete aus der Ukraine keinesfalls schlechter behandeln als Menschen, die in Deutschland ein Asylrecht erhalten haben“, wurde sie von der Bild-Zeitung zitiert.

Hartz IV statt Asylbewerberleistungen: Kriegsflüchtlinge erhalten den vollen Regelsatz

Für die Menschen aus der Ukraine macht die Änderung durchaus einen Unterschied. Fallen Geflüchtete unter das Asylbewerberleistungsgesetz, dann stehen etwa einem Alleinstehenden pro Monat ungefähr 367 Euro zu. Der Regelsatz von Hartz-IV für erwerbsfähige Ukrainerinnen und Ukrainer liegt bei 449 Euro im Monat.

Wie viele Menschen am Ende Anspruch auf das Geld haben, bleibt abzuwarten. Bis zu acht Millionen Menschen sollen schätzungsweise von Russland im Ukraine-Krieg in die Flucht getrieben worden sein. Ein Großteil ist in die osteuropäischen Nachbarländer geflohen, wie Polen oder Moldau. In Deutschland sind nach Angaben der Bundesregierung bisher 300.000 Menschen angekommen. Man wisse aber nicht, wie viele darüber hinaus noch einreisen würden, sagte Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD). „Die Frage nach den Kosten können wir deshalb noch nicht genau beantworten.“

Hartz IV: Ukrainerinnen und Ukrainer sollen schnellen Zugang zum Arbeitsmarkt bekommen

Dennoch sind die Hoffnungen auf eine schnelle Integration in den Arbeitsmarkt groß. Viele Menschen aus der Ukraine gelten als gut ausgebildet. „Es kommen viele hoch qualifizierte Leute. Es kommen Menschen, die können gut Englisch, teilweise auch Deutsch“, hatte Sozialdemokratin Giffey bereits vor einigen Wochen im Gespräch mit „The Pioneer“ klargestellt. Im Zeitalter des Fachkräftemangels könne man die Situation auch als Chance begreifen.

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Dennoch wollen nicht alle Experten in den Jubelchor einstimmen. Bei Pro Asyl würde man es lieber sehen, wenn die Bundesregierung und die Europäische Union insgesamt den Umgang mit Asylbewerbern überdenken würde. Es sei zwar gut, dass man den Menschen aus der Ukraine einen hohen Schutzstatus gewähre, teilte der Verband bereits Ende März mit. Die „Erkenntnis, dass es viele Vorteile bringen kann, wenn schutzsuchende Menschen sich ihren Schutzort selbst aussuchen können, muss nun aber insgesamt in der europäischen Asylpolitik adaptiert werden“, hieß es weiter. Doch leider sei in der Debatte keine Umkehr in der europäischen Migrationspolitik zu erkennen. * kreiszeitung.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA.

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