Hartz IV: Gaspreise und Strompreise bedrohen Existenzen

Die Gaspreise und Strompreise steigen weiter. Wegen der hohen Energiekosten geraten immer mehr Menschen in Zahlungsnot. Besonders betroffen: Hartz-IV-Empfänger.
Berlin – Das Leben in Deutschland wird immer teurer. Ebenfalls davon betroffen sind Empfänger von Hartz IV. Während im vergangenen Jahr die Inflation auf ein Rekordhoch kletterte, sind es insbesondere die steigenden Gaspreise und Strompreise*, die den Menschen in der Bundesrepublik derzeit Kopfzerbrechen bereiten. Aufgrund der steigenden Energiepreis werden zwei Gruppen in Mitleidenschaft gezogen: Menschen, die von Hartz IV leben sowie verschuldete Haushalte.
Wohlfahrtsorganisation: | Caritas Internationalis |
Gründer: | Lorenz Werthmann |
Gründung: | 9. November 1897, Deutschland |
Wie aus einem Bericht der Caritas hervorgeht, ist die Lage inzwischen alarmierend. In den Beratungsstellen melden sich immer mehr Menschen, die Schulden machen müssen, um die laufenden Energiekosten bezahlen zu können. Schulden wegen zu hoher Gaspreise und Strompreise* – der Begriff der Energiearmut macht unlängst die Runde.
Hartz IV: Probleme mit Energieschulden wegen steigenden Gaspreisen und Strompreisen
Wie eine im Dezember 2021 durchgeführte Umfrage unter knapp 300 Beratern aus der Schuldnerberatung, der Allgemeinen Sozialberatung und der Migrationsberatung zeigt, ist das Problem wegen der steigenden Gaspreise und Strompreise* bei Hartz IV allgegenwärtig. 88 Prozent der Berater gaben an, dass sie Klienten haben, die Empfänger von Hartz IV sind und die Beratungsstellen aufsuchen, weil sie Energieschulden haben.
Während Hartz IV nach Plänen der Ampel durch ein Bürgergeld* ersetzt werden soll, berichteten 77 Prozent der Befragten, die beispielsweise Leistungsempfänger beim Wohngeld oder Kinderzuschlag sind, ebenfalls von einer ähnlichen Problematik in Bezug auf den steigenden Strompreis oder Gaspreis.
Hartz IV: „Energiearmut nicht sehenden Auges akzeptieren“ – „Stromkosten im Regelbedarf nicht hinreichend gedeckt“
„Die Stromkosten sind im Regelbedarf nicht hinreichend gedeckt. Wir dürfen Energiearmut nicht sehenden Auges akzeptieren“, so Caritas-Präsidentin Eva Maria Welskop-Deffaa. Während selbst Energieversorger bei den steigenden Strompreisen und Gaspreisen nicht mehr mitziehen können und pleitegehen, sieht Eon-Chef Leonhard Birnbaum darin auch einen positiven Effekt, der auch Vorteile für Kunden bieten könne. Gegenüber der Rheinischen Post begrüßte er die Pleite von Gas-Firmen als Marktbereinigung und sagte: „Um die unsoliden Spekulanten, die die Kunden im Regen stehen lassen und das Weite suchen, ist es nicht schade.“
Explodierender Gaspreis in Deutschland: Gasspeicher nur unterdurchschnittlich gefüllt
Diese Unternehmen seien an ihren Lieferversprechen gescheitert, so Birnbaum. Sie hätten ihre Versprechen „nicht abgesichert und nur auf den kurzfristigen Profit geschaut“. Gleichzeitig mahnte er aber auch vor der gegenwärtigen Situation beim Gaspreis an: Deutschland sei mit unterdurchschnittlich gefüllten Gasspeichern in den Winter gegangen, nach der Corona-Rezession hätte der weite Bedarf an Gas dramatisch angezogen. Das beeinflusse auch den explodierenden Gaspreis in Deutschland, besonders wenn viel geheizt* wird: „Wenn der Winter jetzt sehr kalt wird, könnten wir unerfreuliche Überraschungen erleben“, sagte Birnbaum. Kälter würde es im Zweifelsfall nicht werden für die Bürger, aber teurer.
Während die EU-Kommission derzeit über einen Plan diskutiert, der vorsieht, dass Atomkraft und Gaskraft künftig unter gewissen Auflagen als grüne Energien eingestuft werden könnten, hält Birnbaum wenig von der Debatte: „Das ist eine vollkommen theoretische Diskussion“, sagte er der Rheinischen Post. Deutscher Strom aus Kernenergie werde bald Geschichte sein. Kurz vor Weihnachten hatte die Gesellschaft Stromio seine Versorgung im niedersächsischen Landkreis Oldenburg* eingestellt. Darüber hatte die EWE Netz informiert. Bereits im Oktober stellte Immergrün die Stromversorgung unter anderem in Bremen* ein.
Gesteigerte Gaspreise und Strompreise: Existenzen von Bürgern und Hartz-IV-Empfängern bedroht
Des einen Freud, des anderen Leid: Während Eon wahrscheinlich von einer Marktbereinigung profitieren würde, könnten die gesteigerten Gaspreise* und Strompreise Existenzen von vielen Bürgern und Hartz-IV-Empfängern bedrohen. Wie Ralf Ritter, Schuldnerberater und Geschäftsführer des Caritasverbandes für die Landkreise Uelzen/Lüchow-Dannenberg, berichtete, würden auf Haushalte etwa Mehrkosten für Energie von etwa 30 Prozent zukommen. „Das können einkommensschwache Familien nicht tragen“, so Ritter und bezog dabei eben auch auf die Empfänger von Hartz IV. Besonders betroffen von der Entwicklung: Menschen in ländlichen Regionen. Sie würden häufiger alte Dieselfahrzeuge fahren und in den Wohnungen mit Öl oder Gas heizen.
Dabei ist wohl noch nicht die Spitze der Entwicklung – auch abseits von Hartz IV – erreicht. Die aktuellen Preissteigerungen bei Gas und Strom werden Verbraucher* noch deutlicher zu spüren bekommen. Aus diesem Grund müsse dringend für Entlastung der Bürger gesorgt werden. „Die Pläne aus dem Koalitionsvertrag zum Wohngeld müssen schnell umgesetzt werden“, fordert die Caritas-Präsidentin. Auch die Heizkosten von Menschen im Grundsicherungsbezug seien unbürokratisch zu übernehmen.
Hartz IV: Regelsatz deckt Energiekosten wie den Preisanstieg beim Strompreis oder Gaspreis immer weniger ab
Zum Jahresauftakt haben sich zwar die Hartz-IV-Regelsätze angepasst*, aber dennoch reicht das Geld für die Betroffenen laut dem Vergleichsportal Verivox immer weniger aus, um die stark steigenden Strompreise und Gaspreise* zu bezahlen. Den Informationen nach betragen die Mehrkosten pro Haushalt derzeit 139 Euro beziehungsweise knapp 32 Prozent mehr. Während der Hartz-IV-Regelsatz auf durchschnittlich 449 Euro pro Monat stieg, von denen rechnerisch 36,44 Euro für die Begleichung der Stromrechnung vorgesehen sind, belaufen sich die Stromkosten im Durchschnitt auf 48 Euro pro Monat.
Der Paritätische Gesamtverband kritisiert die derzeitige Entwicklung aufs Schärfste: Die Regelsätze bei Hartz IV* seien einfach zu niedrig, so Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Verbands. „Der Paritätische fordert schon lange: Stromkosten raus aus dem Regelsatz und mit den Wohnkosten in voller Höhe übernehmen! Und auch diejenigen, die Wohngeld beziehen, dürfen nicht vergessen werden!“
Energiepreise in Deutschland: EU-Kommission hat Pläne mit Atomkraft und Gasenergie
Die gegenwärtige Entwicklung der Energiepreise in Deutschland wirbelt aber nicht nur den Endverbrauchermarkt oder die Verbraucher inklusive der Empfänger von Hartz IV auf, sondern auch die Politik. Während die EU-Kommission mit ihren Plänen zur Atomkraft und Gasenergie* für zahlreiche Debatten sorgt, stehen bei den Grünen entscheidende Wochen an: Die jetzige Parteispitze aus Robert Habeck und Annalena Baerbock wird abtreten, Ende Januar sollen Nachfolger gefunden werden.
Nord Stream 2: Nouripour sorgt mit Aussage über Gaspipeline für Kritik
Unter anderem ist Omid Nouripour ein heißer Anwärter für den Posten. Dass er dabei ins Kreuzfeuer der Partei geraten könnte, bekam er ausgerechnet bei einem Energiethema zu spüren – beim Dauerbrenner Nord Stream 2*. Die russische Gazprom-Pipeline sorgt seit Monaten für Diskussionen und wartet einsatzbereit auf die notwendige Zertifizierung durch die Bundesnetzagentur. Gegenüber der Passauer Neuen Presse sagte Nouripour, dass die „grundsätzlichen politischen Entscheidungen“ bereits von der Vorgängerregierung gefällt worden seien. Hierfür hagelte es deutliche Kritik von Umweltschützern.
Energie-Experte Constantin Zerger von der Deutschen Umwelthilfe schrieb auf Twitter, dass sich die Grünen nicht aus der Verantwortung stehlen dürften. Das Pipeline-Projekt von Gazprom* könnte seiner Ansicht nach noch gestoppt werden. Nouripour antwortete persönlich: Zu „versprechen, die Fehlentscheidungen der letzten Jahre alle reparieren zu können, wäre nicht lauter.“ * kreiszeitung.de und merkur.de sind Angebote von IPPEN.MEDIA.