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Ampel-Koalition: Habeck und Baerbock haben sich über den Tisch ziehen lassen

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Von: Jens Kiffmeier

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Aufbruch in den Klimaschutz? Die Grünen wollen der Motor in der Ampel-Koalition sein. Stattdessen ließen Habeck und Baerbock sich von der FDP die Vorfahrt nehmen.

Berlin – Kohleausstieg bis 2030, Ausbau der erneuerbaren Energien und Zugriff auf das Klimaschutzministerium: Bei den Grünen beginnt nun die Bewertung der Koalitionskompromisse, aber erst nach dem die eigenen Grabenkämpfe zwischen Parteispitze um Habeck und Baerbock und dem Grünen-Flügel, der die Nominierung von Cem Özdemir anstelle von Anton Hofreiter für die Ampel-Regierung für eine fatale Entscheidung hält.

Einen Tag nach Abschluss der Gespräche mit SPD und FDP haben Spitzenvertreter der Ökopartei bei den Mitgliedern um Zustimmung zum vorliegenden Ampel-Koalitionsvertrag geworben. „Da ist schon sehr, sehr viel drin und sehr viel Grün“, zeigte sich Fraktionschefin Kathrin Göring-Eckhart im ARD-Morgenmagazin überzeugt. Jedoch wächst an der Basis auch die Sorge, dass man in dem Bündnis am Ende auch untergehen könnte.

Partei:Bündnis90/Die Grünen
Gründung:13. Januar 1980, Karlsruhe
Mitglieder:124.000
Ergebnis bei der Bundestagswahl 2021:14,8 Prozent

Die Grünen hatten sich nach acht Wochen andauernden Verhandlungen am Mittwoch mit SPD und FDP auf die Bildung einer Ampel-Koalition geeinigt und den Koalitionsvertrag vorgelegt. Nun müssen noch die Parteigremien und teilweise auch Parteitage dem Vorhaben grünes Licht geben, damit dann in der Nikolaus-Woche Olaf Scholz (SPD) zum neuen Bundeskanzler gewählt und die insgesamt 15 Minister vereidigt werden können.

Ampel-Koalition: Grüne starten Urabstimmung über Koalitionsvertrag – Name der Minister sollen benannt werden

Bei den Grünen soll am Donnerstagnachmittag ein Bund-Länder-Forum die Ergebnisse bewerten und beraten. Dabei soll auch ein Personalvorschlag für die grünen Ministerien unterbreitet werden. Die Veranstaltung gilt als Auftakt zu einer Urabstimmung, die ebenfalls am Donnerstag startet und mit der die einzelnen Parteimitglieder befragt werden sollen.

Olaf Scholz (SPD), Christian Lindner (FDP) gehen zusammen mit Robert Habeck (Grüne) zur Vorstellung des Koalitionsvertrages.
Wer hat das Sagen im Kabinett? Olaf Scholz (SPD) und Christian Lindner (FDP) zusammen mit Robert Habeck (Grüne). © Kay Nietfeld/dpa

Dreh- und Angelpunkt für eine breite Unterstützung dürfte die Frage nach der Umsetzung der klimapolitischen Ziele sein. Laut Koalitionsvertrag soll Deutschland zu einem europäischen Vorreiter werden. So soll jedes Gesetz, das die Regierung verabschiedet, einem „Klima-Check“ unterzogen werden. Damit soll überprüft werden, ob die nach dem Pariser Klimaschutzabkommen festgelegten Ziele tatsächlich auch erreicht werden können.

Ampel-Koalition: Grünen-Chef Habeck über Koaltionsvertrag „voll auf dem 1,5-Grad-Pfad“

Aus Sicht von Parteichef Robert Habeck, der zuletzt den Ton in den Verhandlungen verschärft hatte, gibt es daran zumindest keinen Zweifel. Wenn man alle Maßnahmen aus dem Vertrag zusammenfasse, dann sei man „voll auf dem 1,5-Grad-Pfad“ unterwegs, betonte er. Konkret soll der Kohleausstieg „idealerweise“ vor 2030 gelingen, das Aus für den Verbrennermotor kommen und die erneuerbaren Energien in den kommenden Jahren auf mindestens 80 Prozent der Stromversorgung hochgeschraubt werden. Dabei handele es sich um ganz konkrete Maßnahmen und nicht um irgendeine „Mogelei“, stellte auch Göring-Eckhart klar, die in einem Ampel-Kabinett als Familienministerin gehandelt wird.

Klimaschutz: Wird Bündnis90/Die Grünen bei der Umsetzung von der FDP ausgebremst?

Die Frage jedoch ist: Werden die Grünen sich innerhalb der Regierung durchsetzen können oder werden sie am Ende doch von der FDP in vielen Vorhaben ausgebremst? Denn am Ende entscheidet nicht die Grundlage auf dem Papier, sondern der zuständige Minister. Und bei der Verteilung der Ressorts gewährten die Unterhändler der FDP reichlich Zugeständnisse – sehr zum Verdruss vieler Mitglieder der Öko-Partei. Während die Grünen zwar mit Wirtschaft und Klimaschutz einen Superminister stellen dürfen, besetzen die Liberalen als drittstärkste Kraft zwei Schlüsselressorts: Finanzen und Verkehr.

An der Grünen-Basis sorgt das durchaus für Kopfschütteln. Das Verkehrsministerium mit seinem milliardenschweren Budget ist die zentrale Anlaufstelle für die angestrebte Verkehrswende – ohne die sich die Klimaziele nicht einhalten lassen werden. Doch wird der liberale Minister Volker Wissing, der in einer ersten Reaktion erst einmal Entlastungen für Autofahrer ankündigte, wirklich der Motor dieses Koalitionsvorhabens sein? Und torpediert der Finanzminister Christian Lindner, der sich lange mit Habeck um den Posten gestrittten hatte, mit seinem Veto-Recht am Ende viele grüne Klimapläne?

Ministerposten: Verzicht auf grünen Verkehrsminister sorgt an der Basis für Ärger

Vor diesem Hintergrund tobte bei den Grünen bereits wenige Stunden nach Abschluss der Koalitionsverhandlungen eine hitzige Debatte. „Mit Sorge blicken wir auf den Verkehrsbereich, wo wir großen Handlungsbedarf sehen“, sagte etwa der Sprecher der Grünen Jugend, Timon Dzienus, der Nachrichtenagentur dpa.

Die langjährige Bezirksbürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg, Monika Hermann, zeigte sich sogar regelrecht erbost: „Meine Position: ohne grünes Verkehrsministerium, keine grüne Regierungsbeteiligung“, twitterte sie. Und auch aus der Bundestagsfraktion wurden kritische Stimmen laut. So hielt sich Kathrin Henneberger in einem Gespräch mit dem Tagesspiegel ihre Zustimmung für den Koalitionsvertrag explizit offen.

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Dem Medienbericht zufolge lösten die Koalitionspläne auch bei den Umwelt- und Klimaschutzverbänden großes Murren aus. Für einen kompletten ökologischen Aufbruch fehlten die geeigneten Instrumente, ärgerte sich Greenpeace-Vorstand Martin Kaiser. Insbesondere bei der Verkehrswende sei der Vertrag eine herbe Enttäuschung. „Der Verkehr“, sagte Kaiser dem Tagesspiegel, „wird absehbar der Problemfall der Ampel beim Klimaschutz.“ * kreiszeitung.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA.

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