Grüne: Omid Nouripour will Postenstreit beenden
Die Zeiten bei den Grünen sind vor der Urabstimmung zum Ampel-Koalitionsvertrag unruhig. Omid Nouripour übt Kritik – und kandidiert auf den Vorsitz.
Berlin – Bei den Grünen kommt keine Ruhe rein: Während bei der SPD Lars Klingbeil und Kevin Kühnert symbolisch für die Versöhnung der Parteiflügel stehen, reibt sich die Baerbock-Partei in Flügelkämpfen auf. Viele Mitglieder sind unzufrieden mit den Ergebnissen des Koalitionsvertrags, nun kriselt es auch noch untereinander. Grünen-Politiker Omid Nouripour beobachtet die Entwicklungen mit Sorge – und richtet sich mit klaren Worten an seine Partei.
Name: | Omid Nouripour |
Partei: | Bündnis 90/Die Grünen |
Kandidiert für: | Parteivorsitz |
Ampel-Koalition: Grünen streiten um Ministerliste – Omid Nouripour fordert seine Partei zu Einheit auf
Am Donnerstag hatte Omid Nouripour seine Kandidatur für den Parteivorsitz der Grünen verkündet. Der Politiker aus Frankfurt sieht jede Menge Handlungsbedarf in seiner Partei: Es dürfe nicht eine Machtzentrale gegen die andere stehen, viel mehr müssten die Grünen sich vereint zeigen, so Nouripour. Zuletzt hatte das in der Partei anders ausgesehen.

Flügelkämpfe hatten die Außendarstellung der Grünen besonders in den vergangenen Tagen geprägt. Der dem linken Parteiflügel zuzurechnende Anton Hofreiter hatte überraschend den Posten als neuer Landwirtschaftsminister an Cem Özdemir abtreten müssen. Für den linken Parteiflügel stellte das eine Niederlage dar. Zu den innerparteilichen Streitigkeiten sagt Nouripour, die verschiedenen Flügel der Grünen seien nie weg gewesen. Das wäre in Ordnung, solange Flügeldenken nicht dem Finden von Lösungen im Weg stünde. Eins wird deutlich: Nouripour will die Einheit in der Partei, deren Vorsitz er gerne selbst übernehmen würde.
Minister und Vorsitz: Bei den Grünen ist das Stühlerücken in vollem Gange
Bei den Grünen jedenfalls hat das große Stühlerücken begonnen. Nach dem Abschluss der Ampel-Koalitionsverhandlungen werden in der Partei nun viele Positionen frei. Nach der Satzung der Grünen müssen auch die Chefposten von Annalena Baerbock und Robert Habeck neu besetzt werden. Die beiden Parteivorsitzenden wechseln als Minister ins Kabinett. Habeck selbst sagte: „Regierung und Parteivorsitz ist ausgeschlossen.“ Die Neubesetzung ihrer Positionen ist Teil des großen Stühlerückens bei den Grünen. Cem Özdemir und Anton Hofreiter haben gezeigt, dass es dabei nicht immer harmonisch zugeht.
Die Grünen haben nun auch die Positionen in ihren Ministerien zu vergeben, es müssen Staatssekretäre, Parlamentarische Staatssekretäre und Staatsminister ernannt werden. Sie werden in zweiter Reihe wichtige Aufgaben in den jeweiligen Ministerien übernehmen. Doch es stehen noch weitere Fragen an: Unter anderem muss auch die Fraktionsspitze neu besetzt werden, in diesem Rahmen war zuletzt insbesondere Katharina Dröges Name gefallen. Für die Grünen ist es eine Zeit personellen Umbruchs.
Kandidatur für grünen Parteivorsitz: Realos gegen Linke – Nouripour und Lang als Doppelspitze?
Omid Nouripour gibt sich pragmatisch: Wichtig wären nicht der Flügelkampf von Realos gegen Linke, sondern die Probleme des Landes. Er erklärte, auf sie müsse man sich bei den Grünen in den nächsten Jahren konzentrieren, zumal die Probleme im Land gewaltig seien. Das sind sie auch in seiner Partei, doch das will Nouripour ändern: Er war der erste, der Ambitionen auf den Parteivorsitz öffentlich gemacht hatte.
Auf diesen könnte sich neben ihm auch Ricarda Lang bewerben. Sie hielt sich zuletzt offen, ob sie letztendlich kandidiert oder nicht. Zu Omid Nouripours Bewerbung hingegen äußerte sie sich wohlwollend: Sie freue sich über dessen Kandidatur, sagte Lang, die selbst dem linken Parteiflügel angehört. Ricarda Lang und Omid Nouripour – sie werden beide schon länger für den Parteivorsitz gehandelt.
Die zwei, sollten sie denn beide in den Parteivorsitz gewählt werden, könnten als Doppelspitze eine für die Grünen erfreuliche Bandbreite abdecken. Ricarda Lang steht mit ihren 27 Jahren für frischen Wind und den linken Parteiflügel, Nouripour steht für die Realos und punktet mit 15 Jahren Erfahrung im Bundestag. Beide versuchen durch ihre aktuellen Aussagen Einheit zu vermitteln. Das dürfte in diesen Tagen zu den schwierigeren Aufgaben einer Grünenpolitikerin und eines Grünenpolitikers gehören – doch es kommt für die Partei zur richtigen Zeit.
Die Grünen: Was passiert auf der Urabstimmung? Billigt die Basis den Koalitionsvertrag
Annalena Baerbock zeigte sich im Hinblick auf die Urabstimmung zuletzt zuversichtlich. In einem Interview mit der Tageszeitung hatte sie erklärt, es stünden wahre Paradigmenwechsel bevor. Diese sehe sie in Bezug auf den Koalitionsvertrag vor allem in den Bereichen Klimaschutz, Familien- und Gesellschaftspolitik, europäische Außenpolitik sowie Digitalisierung. Das muss Baerbock sagen – schließlich hatte ihre Partei das Koalitionspapier mit verhandelt. An der Parteibasis hingegen fällt das Urteil oft nicht ganz so positiv aus: Kritikern zufolge haben die Grünen sich bei den Koalitionsverhandlungen über den Tisch ziehen lassen.
Der Partei von Baerbock und Habeck mangelt es an Geschlossenheit, das haben die letzten Wochen gezeigt. Der Koalitionspartner SPD hält seine verschiedenen Flügel aktuell besser zusammen – auch durch Lars Klingbeil und Kevin Kühnert. Für eine starke Regierungsbeteiligung wird es wichtig sein, ob es den Grünen zeitnah gelingt, Ruhe in die eigenen Reihen zu bringen. Vor der Urabstimmung wird das zumindest nicht mehr geschehen, doch es gibt jetzt schon einen, der sich die Aufgabe offenbar definitiv zutraut: Omid Nouripour. * kreiszeitung.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA.