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Gaskrise: Bleiben Grüne auf Rot? AKW-Debatte wird für Ampel zum Stresstest

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Von: Jan Knötzsch

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Die FDP will die Laufzeit der Atomkraftwerke in der Gaskrise verlängern, die Grünen sind zerrissen. Ein Dilemma. Mit Folgen für Ampel-Koalition? Eine Analyse.

Berlin – Die Fakten liegen auf dem Tisch. An ihnen ist nicht zu rütteln: Deutschland befindet sich in der Gaskrise. Inklusive des sogenannten Notfallplans Gas, den Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck auf den Tisch gelegt hat. Die Frage, die sich in der Energiekrise stellt, ist ebenso klar: Wie kommt Deutschland durch die Gaskrise? Antworten darauf muss die Politik finden. Und die müht sich. Unterstützt die Gasimporteure mit der Gasumlage, die ab 1. Oktober auf Verbraucher wartet und muss sich Diskussionen über die Übergewinnsteuer stellen, die als Alternative zur Gasumlage gilt.

Es ist nicht die einzige Baustelle, die Kanzler Olaf Scholz (SPD) und seine Regierung derzeit haben. Im Zuge der Gaskrise wird immer wieder auch über die Laufzeitverlängerung für die drei Atomkraftwerke (AKW), die sich in Deutschland noch im Betrieb befinden, diskutiert. Mit unterschiedlichen Positionen innerhalb der Ampel-Koalition – bei einer Partei sogar innerparteilich. Ein Dilemma für die Regierung in Berlin. Die AKW-Frage, bei der der Stresstest gemacht wird, wird zum Stresstest für die Koalition. Und zur Zerreißprobe für die Grünen?

Gaskrise in Deutschland: AKW-Debatte wird zum Stresstest der Ampel-Koalition – weil die Grünen nicht wissen, was sie wollen

Die Fakten: Zur Debatte steht, ob die drei AKWs, die in Deutschland noch im Betrieb sind, über den 31. Dezember 2022 hinaus laufen sollen. Wie die Deutsche Presse-Agentur (dpa) unlängst berichtet hat, will Kanzler Olaf Scholz (SPD) in der Debatte um die Verlängerung der AKW-Laufzeiten die Ergebnisse eines zweiten Stresstests zur Sicherheit der Stromversorgung abwarten. Die FDP, bei der Bundesfinanzminister Christian Linder Angst vor einer Stromlücke im Winter hat, spricht sich eindeutig dafür aus, die AKW-Laufzeiten bis 2024 zu verlängern, die Grünen wanken – sie präsentieren alles andere als das Bild einer Einheit: Die Grünen in Niedersachsen wollen absolut keine Verlängerung der Laufzeit, die Grünen-Vorsitzende Ricarda Lang ist eigentlich auch dagegen und lehnt den FDP-Plan strikt ab.

Wirtschaftsminister Robert Habeck und ein Logo der Grünen vorm AKW in Lingen, neben dem eine Ampel Rot zeigt
Rot für die AKW-Laufzeitverlängerung – was wollen Robert Habeck und die Grünen genau? (kreiszeitung.de-Montage) © penofoto/Sven Simon/imago

An dieser Stelle gehen die Diskussionen in der Gaskrise in Deutschland um die AKWs bei den Grünen innerparteilich richtig los. Ein Sprecher von Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) sagte zuletzt: „Zum jetzigen Zeitpunkt gehen wir davon aus, dass Deutschland aus der Atomkraft aussteigt.“ . Der bayerische Grünen-Landtagsfraktionschef Ludwig Hartmann hingegen schließt einen Weiterbetrieb der verbliebenen Atomkraftwerke über das Jahresende hinweg nicht aus, wie er jüngst der Augsburger Allgemeinen erklärt hat. Und auch Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckhardt hat beim ARD-Talk „Anne Will“ unlängst ins gleiche Horn gestoßen. Kurzum: Die Grünen haben ein Problem. Ausgerechnet die Partei, die bei ihrer Gründung einst auch aus der Anti-Atom-Bewegung entstanden ist. Und mit den Grünen hat auch die Ampel-Koalition in Berlin ein Problem.

Gaskrise in Deutschland: Debatte um die AKW-Laufzeitverlängerung spaltet die Grünen – Stresstest innerhalb der Partei

Oder, so viel Wortspiel muss in der Gaskrise erlaubt sein: die drei Atomkernkraftwerke Neckarwestheim 2, Emsland und Isar 2, deren Abschaltung zum 31. Dezember 2022 plötzlich gar nicht mehr so sicher ist, spalten die Ampel-Koalition. Und die Grünen in ihrem Kern, wo Robert Habeck einer der ersten war, der eine AKW-Laufzeitverlängerung nicht ausgeschlossen hat und der grüne Ministerpräsident Winfried Kretschmann genau diese Debatte weiter befeuert hat, indem er sich gegen „Denkverbote“ in diese Richtung ausgesprochen hat. Dem Streckbetrieb, bei dem die Leistung der AKWs gedrosselt wird und so die Brennstäbe länger halten, sind die Grünen gegenüber aufgeschlossen. Durch den Streckbetrieb würden die AKWs über einen längeren Zeitraum weniger als die vorgesehene Leistung bereitstellen.

Gleichwohl: Während die Debatte um die AKW-Laufzeitverlängerung die Grünen spaltet, treten selbst am Streckbetrieb, den sich die Grünen in der Gaskrise als Kompromiss offenbar so gerade eben noch vorstellen können, Zweifel auf. Wie spiegel.de unter Berufung auf Experten schreibt, gehe es dabei um kaum mehr als ein Prozent des deutschen Erdgasbedarfs, das so in der Gaskrise in Deutschland ersetzt werden könnte. Also doch eher die Lösung, neue Brennstäbe zu besorgen, wie es CDU-Politiker Friedrich Merz favorisiert? Aus dem Grünen-Lager dürfte dieser Idee ein klares „Nein“ entgegenhallen - zumindest das scheint in Zeiten der Gaskrise bei der Partei von Robert Habeck sicher. Mehr aber nicht.

Debatte um AKW-Laufzeitverlängerung: Gaskrise ja, Parteien-Krise nein – wie bestehen die Grünen ihren eigenen Stresstest?

Wie die Welt berichtet, soll es innerparteilich aus der Grünen-Bundesgeschäftsstelle eine Handreichung für eine öffentliche Sprachregelung für die AKW-Debatte geben. In der heißt es, man solle sich nicht von „Scheindebatten“ treiben lassen und Fragen sollten „so unaufgeregt und knapp wie möglich“ beantwortet werden. Der klare Versuch in der Gaskrise bei der AKW-Debatte nach außen nicht das Bild einer zerrissenen Partei abzugeben. Wie tagesschau.de berichtet, soll es in der Partei allerdings keinen deutlichen Riss geben. Gaskrise ja, Parteien-Krise nein – so lautet die Grünen-Interpretation. Aber was bringt nun des Rätsels Lösung in der AKW-Debatte, die in der Gaskrise mit jeder Menge Meinung und Energie befeuert wird, die zumindest hier eher vorhanden zu sein scheint als anderswo in der Energiekrise?

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Der Politikwissenschaftler Antonios Souris vermutet bei tagesschau.de am Ende einen Kompromiss, der „letztlich der Notsituation gerecht wird, aber eben die Partei nicht langfristig mit einem Wiedereinstieg in die Atomkraft verbindet.“ Soll heißen: Um die Ampel-Koalition zu erhalten, ihren Fortbestand nicht infrage zu stellen und neben der Gaskrise nicht auch noch eine Regierungs-Krise vom Zaun zu brechen, bleibt den Grünen am Ende nichts anderes als klein beizugeben – um den Stresstest in der Ampel-Koalition nicht auf die Spitze zu treiben. Einzige Grünen-Hoffnung beim Stresstest für die AKWs: dass er negativ ausfällt. Dann ist das Thema Laufzeitverlängerung womöglich vom Tisch. Die Grünen würden um die Eskalation Stresstest in der Regierung vorbeikommen. Die Gaskrise wäre aber immer noch da …

So hart ist die Debatte um AKW-Laufzeiten: Grünen-Ministerpräsident platzt im TV der Kragen

Wie sehr die Diskussion um die Laufzeitverlängerung der AKWs in Deutschland die Gemüter erhitzt, zeigt ein Interview im „heute journal“ des ZDF mit Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann. „Wenn Sie jetzt bei einer klaren Ablehnung von verlängerten Atomkraftwerk-Laufzeiten bei den Grünen bleiben, dann ...“, so Moderator Christian Sievers zu dem Grünen-Politiker, der Sievers wütend ins Wort fällt: „Nein, nein, nein ...“, schreit er in die Kamera, wiederholt das Wort mehr als zehnmal und schickt hinterher: „Das habe ich nicht behauptet.“

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