Gas, Strom, Benzin: Was entschärft jetzt die Preis-Explosion?
Es droht der teuerste Winter aller Zeiten: Die Preise für Gas, Strom, Heizen galoppieren in neue Höhen. Kann der Staat eingreifen? Darüber gibt es heftigen Streit.
Berlin – Ob Heizkosten oder Spritpreis – deutsche Verbraucher stöhnen unter der Last enorm gestiegener Kosten. Angesichts der hohen Energiepreise für Gas, Strom, Benzin oder Öl wird der Ruf nach einem staatlichen Eingreifen immer lauter. Die Preis-Explosion treffe viele Menschen sehr hart, warnte der Ex-Bürgermeister von Berlin-Neukölln, Heinz Buschkowsky (SPD), jetzt in der Bild-Zeitung. Es sei wichtig, dass „Politiker keine Sprüche klopfen“, sondern handeln, forderte er. Ähnlich äußerte sich auch Niedersachsens Wirtschaftsminister Bernd Althusmann (CDU).
Deutscher Politiker: | Bernd Althusmann (CDU) |
Amt: | Wirtschaftsminister von Niedersachsen |
Alter: | 54 Jahre |
Privat: | verheiratet, drei Kinder |
Doch was kann die Politik tun? Fakt ist: Die Preise steigen seit Jahresbeginn so rasant wie seit 28 Jahren nicht mehr*. Laut dem Portal Check24 sind allein die Heizkosten in Deutschland im September im Vergleich zum Vorjahr um 33 Prozent gestiegen. Für Strom zahlten Verbraucher vier Prozent mehr. In den Haushalten ist das spürbar. Ein Einfamilienhaushalt verbraucht für gewöhnlich rund 3000 Liter Heizöl im Jahr. Während für die Einlagerung 2020 rund 1400 Euro berappt werden mussten, sind es in diesem Jahr 2600 Euro. Eine ähnlich rasante Preissteigerung entdeckten auch Autofahrer und Pendler in diesen Monaten an den Zapfsäulen.
Benzin, Gas, Strom: Warum die Preise gerade jetzt steigen und die Politik zum Handeln zwingt
Ein gewaltiger Kostentreiber ist aus Expertensicht der Gaspreis, der im Großhandel zwischen Januar und Oktober 2021 um rund 440 Prozent gestiegen ist. Da Erdgas nicht nur zum Heizen, sondern auch zur Stromerzeugung genutzt wird, hat der fossile Brennstoff auch Einfluss auf den Strompreis, der an Börse nun um 140 Prozent teurer geworden ist.

Hinzu kommt, dass nach dem Abflauen der Corona-Krise die Wirtschaft wieder Fahrt aufnimmt, die Nachfrage nach Energie enorm gestiegen ist und eingelagerte Reserven knapper geworden sind. Das nutzen die Energieversorger ihrerseits aus, erhöhen die Preise und schrauben damit die Kosten für die Allgemeinheit in die Höhe. Der letzte Punkt sind dann Änderungen bei Steuern, Abgaben und Umlagen. Alles zusammen bildet die gefährliche Mischung für die Verbraucher.
Aus Sicht von Wirtschaftsfachleuten ist der enorme Anstieg vor allen Dingen erst einmal temporär. So sind die EU-Staaten bemüht, die eingelagerten Energiereserven wieder zu erhöhen und dadurch denn Preisdruck zu mindern. Nach Einschätzung des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) könnte sich die Lage im kommenden April wieder entspannen, berichtet die Deutsche Presseagentur (dpa). Auch der Internationale Währungsfonds (IWF) rechnet mit einer Normalisierung in der Mitte des nächsten Jahres.
Steigende Energiekosten: Für Experten ist der Anstieg temporär – EU-Länder planen Soforthilfen
Den deutschen Haushalten, die über den Winter kommen müssen, nutzt das aber erst einmal wenig. Deshalb werden die Forderungen nach staatlichen Gegenmaßnahmen drängender. Einige EU-Länder haben bereits gehandelt. Frankreich plant eine Tarifbremse für Strom und Gas und will sozial benachteiligten Haushalten bis zu 100 Euro als Soforthilfe zahlen. Italien plant ähnliches und schnürt ein drei Milliarden Euro schweres Hilfspaket.
Und Deutschland? Hierzulande fällt es der Politik noch schwerer sich auf Maßnahmen zu einigen. Der Bundestagswahlkampf und die ungeklärte Regierungssituation erschweren ein stringentes Handeln. Während SPD, FDP, und Grüne zunächst ihre Ansätze in Sondierungsverhandlungen zu einer Ampel-Koalition grundsätzlich klären müssen, reitet die CDU weiter ihre Wahlkampfthemen.
So forderte CSU-Verkehrsminister Andreas Scheuer vor allem das Absenken der Steuern und Abgaben auf den Benzinpreis zur Entlastung der Verbraucher. Derweil sorgte Europapolitikerin Katarina Barley (SPD) für Wirbel, weil sie von den Verbrauchern Verzicht einforderte. „Die Kilowattstunde, die am billigsten ist, ist die, die man nicht verbraucht“, sagte sie in der ARD-Talkshow „Hart, aber fair“ und erntete damit umgehend Widerspruch aus Niedersachsen. Wer glaube, „dass die Menschen aus dem Fenster heizten und noch beträchtliche Einsparmöglichkeiten hätten“, habe „die Bodenhaftung verloren“, kritisierte Landeswirtschaftsminister Bernd Althusmann in der Bild-Zeitung.
Hohe Heizkosten und hoher Spritpreis: EU-Kommission will Deutschland Empfehlungen aussprechen
Unter dem Strich bleibt aber der Eindruck: In Deutschland herrscht derzeit Streit und Tatenlosigkeit. Wobei: Die staatlichen Eingriffe, die kurzfristig helfen, sind ohnehin begrenzt. Hilfen wie in Frankreich und Italien stehen schnell auf dem Prüfstand der Europäischen Kommission, die die Wettbewerbsfähigkeit in der EU überwacht. Viele Politiker sehen deshalb auch eher Brüssel am Zug, wenn es um die Eindämmung der Energiepreise geht. „Das ist kein Thema, das wir auf nationaler Ebene angehen können. Wir glauben, dass wir eine europäische koordinierte Antwort brauchen“, zitiert die dpa die spanische Wirtschaftsministerin Nadia Calvino.
Nimmt sich die neue Bundesregierung dem Problem an? Unser Newsletter hält Sie kostenlos auf dem Laufenden.
In der Europäischen Kommission ist man sich des Problems jedenfalls bewusst. Bereits am Mittwoch, 13. Oktober, will Energiekommissarin Kadri Simson den EU-Mitgliedstaaten einen Maßnahmenkatalog empfehlen*. Jedoch handelt es sich dabei um eine langfristige Strategie. So soll zum Beispiel mehr in Lagerkapazitäten investiert werden, um kurzfristige Preisschwankungen abfedern und ausgleichen zu können. Und am Ende geht es auch um den Ausbau der erneuerbaren Energien, um sich unabhängiger von den Lieferanten der fossilen Energiebrennstoffe wie Öl oder Gas zu machen. Doch das dauert. * kreiszeitung.de und merkur.de sind ein Angebot von IPPEN.MEDIA.