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„Weniger Ressourcen, weniger Macht, weniger Freunde“: Putin-Sturz „plötzlich denkbar“

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Von: Anika Zuschke

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Die Ukraine hat das von Russland besetzte Cherson zurückerobert – für Putin ein herber Schlag. Die Gerüchte um den Sturz des Präsidenten werden lauter.

Moskau – Der russische Rückzug aus der bedeutenden ukrainischen Stadt Cherson ist für Präsident Wladimir Putin die reinste Blamage. Schließlich hatte er nur wenige Wochen zuvor davon gesprochen, dass die Bewohner von Luhansk, Donezk, Cherson und Saporischschja mit der illegalen Annexion Moskaus „für immer“ zu russischen Staatsbürgern würden. Doch verlor diese Ankündigung schnell ihren bedrohlichen Charakter, als die russischen Truppen Anfang November aus Cherson abzogen. Für Putin sieht es jetzt schlechter aus, denn je und die Spekulationen um einen Sturz des russischen Präsidenten werden immer lauter.

Putin News: Rückeroberung von Cherson im Ukraine-Krieg war für russischen Präsidenten herbe Blamage

Die Stadt Cherson nimmt im Ukraine-Krieg eine bedeutsame Stellung ein, da sie laut ZDF die einzige Regionalhauptstadt war, die russische Truppen bereits zu Beginn der Invasion Putins eingenommen hatten. Die Streitkräfte des Kreml-Herrschers besetzten im Februar 2022 die Stadt und einen Großteil der Region, die auch einen wichtigen Zugang zur Halbinsel Krim darstellt. Im September verkündete Putin schließlich feierlich die illegale Annexion der Regionen Cherson, Luhansk, Donezk und Saporischschja – sie sollten „auf ewig“ zur Russischen Föderation gehören.

Ukrainische Soldaten zeigen ein Peace-Zeichen während sie mit einem erbeuteten russischen Schützenpanzer fahren und Wladimir Putin, Präsident von Russland.
Nach der Rückeroberung der ukrainischen Stadt Cherson werden die Spekulationen um einen Sturz Putins lauter. (kreiszeitung.de-Montage) © Libkos/AP/Maksim Blinov/Pool Sputnik Kremlin/AP/dpa

Wie schnell sich dieses Blatt jedoch wenden konnte, bewies die Ukraine mit ihrer erfolgreichen Gegenoffensive Anfang November, die in einer Befreiung von Cherson mündete. Am 9. November 2022 empfahl Sergej Surowikin, der Kommandant russischer Streitkräfte in der Ukraine, die Errichtung von Verteidigungspositionen am Ostufer des Flusses Dnipro. Verteidigungsminister Sergej Schojgu akzeptierte die Empfehlung der Berliner Zeitung zufolge ohne Widerrede und betonte zudem die Notwendigkeit, die „Kampffähigkeit zu wahren“ sowie das „Leben russischer Soldaten zu schonen“.

Russischen Militärangaben nach zu urteilen, war der Rückzug aus Cherson und Umgebung bis zum Ostufer des Dnipros bereits am 11. November abgeschlossen.

Steht der Sturz von Präsident Putin bevor? Aktuell häufen sich Spekulationen – „plötzlich denkbar“

Seitdem kochen zunehmend Gerüchte hoch, dass der Sturz von Putin bevorsteht. Doch wie viel ist tatsächlich dran an diesen Spekulationen? Der Vizechef des ukrainischen Militärgeheimdienstes, Wadym Skibitsky, äußerte sich im Gespräch mit T-Online dazu folgendermaßen: „In Russland verstehen die Menschen allmählich, was vor sich geht. Ein Sturz des Putin-Regimes ist plötzlich denkbar.“ Putin habe nun weniger Ressourcen, weniger Macht, weniger Freunde, so der Militärexperte. „Ein Machtwechsel kann früher stattfinden.“

Tatsächlich wächst auch in Russland der Unmut über den Kreml-Chef und seine neuste Niederlage. Militärblogger und russische Hardliner nutzen soziale Netzwerke wie Telegram, um ihrer Wut auf Putin freien Lauf zu lassen. Die Erwartung sei laut Gerhard Mangott gewesen, dass die russischen Truppen Cherson wie einst Stalingrad hätten verteidigen sollen. Im Gespräch mit dem Bayrischen Rundfunk statuiert der Professor für internationale Beziehungen mit dem Schwerpunkt Osteuropa und Russland an der Universität Innsbruck: „Die Kritik ist groß.“

News zu Putin: Er schweigt im Ukraine-Krieg zu Cherson-Rückzug – stößt bei Anhängern auf Unmut

Auch Putins Schweigen über die Niederlage stößt bei einigen seiner Anhänger auf Missmut. Denn bislang hat der russische Präsident den Abzug aus Cherson bei keinem seiner öffentlichen Auftritte erwähnt. Dass er sich nicht zum Rückzug aus der ukrainischen Stadt geäußert habe, sei besorgniserregender als „die Tragödie von Cherson selbst“, schrieb der Kreml-nahe Politikwissenschaftler Sergej Markow in einem Facebook-Post. Das Verhalten des Präsidenten sei eine „Demonstration eines totalen Rückzugs“.

Darüber hinaus sieht der ukrainische Militärexperte Wadym Skibitsky auch Schwächen in den militärischen Ressourcen der Russen. „Ich glaube, Russland gelangt langsam an seine militärischen Grenzen. Zumindest bei der Produktion neuer Waffensysteme ist die russische Industrie stark eingeschränkt“, mutmaßt Skibitsky im Gespräch mit T-Online.

Es sei der Erfolg der internationalen Sanktionen, dass die russische Militärproduktion enorm ausgebremst ist. „Je länger die Maßnahmen andauern, desto schwieriger wird es für die Russische Föderation, Ersatzteile und neue Waffen herzustellen.“ Dem Vizechef des ukrainischen Militärgeheimdienstes zufolge fehlten Russland vor allem Raketen und Kampfdrohnen.

Könnte ein Ende von Putin bevorstehen? Gerüchte um Sturz des Präsidenten bleiben spekulativ

Doch reichen diese Entwicklungen des Krieges und die Rückeroberung von Cherson für die Annahme aus, dass der Sturz von Putin kurz bevorsteht? „Es ist eine klare Niederlage, aber es wäre völlig falsch, Russland abzuschreiben oder davon zu sprechen, dass Russland diesen Krieg verlieren wird. Davon sind wir noch weit entfernt“, hält Professor Mangott im Bayrischen Rundfunk dagegen.

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Demnach lässt sich Russland jetzt am Fluss Dnipro nieder und beschießt wichtige Infrastrukturen der Ukraine. Angaben der Regierung zufolge sind nach russischen Luftangriffen aktuell mehr als sieben Millionen Haushalte in der Ukraine ohne Strom. Das Land spricht vom schwersten Beschuss seit Kriegsbeginn. Ob und wann ein Sturz Putins bevorsteht, bleibt also spekulativ.

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