Putins Spitzel im Europarat: Politiker wollen Unterwanderung jetzt einen Riegel vorschieben

Der Sohn eines russischen Geheimdienstoffiziers leitet die Expertengruppe zur Geldwäsche-Bekämpfung im Europarat. Politiker fordern nun Konsequenzen.
Straßburg - Der Russe Igor Nebyvaev ist in einer leitenden Funktion bei dem Monitoring-Instrument „Moneyval“ des Europarats tätig - in einem Expertenausschuss, der für die Bekämpfung von Geldwäsche zuständig ist, also. Nach dieser Aufdeckung meldeten sich nun europäische Politiker zu Wort. Sie reagierten aufgebracht und forderten die Überprüfung sämtlicher russischer Mitarbeiter im Europarat.
Igor Nebyvaev ist der Sohn des russischen Generals Wladimir Nebyvaev, der für den russischen Auslandsgeheimdienstes SWR arbeitet. SWR wird unter anderem für den Giftanschlag auf den russischen Überläufer Sergei Skripal und seine Tochter im Jahr 2018 in Großbritannien verantwortlich gemacht. Nach dem Attentat wies die Ukraine mehrere russische Spione aus, darunter Nebyvaev.
Durch Igor Nebyvaevs Führungsposition im Expertenausschuss zur Bekämpfung von Geldwäsche des Europarats bekommt er umfassende Einblicke in die Maßnahmen gegen Korruption und Geldwäsche der einzelnen Mitgliedsländer. So nahm er beispielsweise 2022 an an einer Bewertung der deutschen Maßnahmen teil.
Russe leitet wichtiges Instrument des Europarats: Osteuropäische Politiker entrüstet
Insbesondere Politiker aus Osteuropa reagierten empört auf die Enthüllungen der Bild-Recherche der vergangenen Woche (16. März). So schrieb der estnische Außenminister Urmas Reinsalu einen Brief an die Führungsspitze des Europarats. Auf Twitter merkte er außerdem an, angesichts des Ukraine-Kriegs „und der völligen Missachtung des internationalen Rechts durch Russland“ könnten keine russischen Staatsbürger mehr im Europarat arbeiten. Dies würde die Glaubwürdigkeit des Organs untergraben, das „sich für den Schutz der Menschenrechte, der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit einsetzt.“
Gegenüber der Bild sagte Reinsalu: „Ich war überrascht, aus dem Artikel zu erfahren, dass nach wie vor ein russischer Staatsbürger eine Position bekleidet, die für Transparenz und Offenheit stehen soll.“ Und weiter: „Genau diese Werte werden in seinem Land nicht befolgt. Es ist völlig absurd und inakzeptabel, dass russische Staatsbürger weiterhin im Europarat arbeiten. Es sollte so schnell wie möglich eine Lösung gefunden werden.“
Russischer Anti-Geldwäsche-Chef im Europarat: Forderungen nach Ablösung
Auch seine Kollegen aus Tschechien und und Lettland äußerten sich verärgert. Der tschechische Europa-Abgeordnete Tomáš Zdechovský forderte die sofortige Ablösung von Igor Nebyvaev, der lettische Parlamentarier Rihards Kols teilt seine Meinung: „Das schiere Ausmaß der Unterwanderung der verschiedenen europäischen Organisationen durch russische Geheimdienste und, nun ja, russisches Geld, verblüfft selbst die zynischsten unter uns mit jeder neuen Entdeckung. Das kann nicht so bleiben“, twitterte Kols.
Der ukrainische Parlamentarier Dmytro Natalukha hofft auf eine Untersuchung des Falls und darauf, dass das russische Personal in europäischen Institutionen gründlich überprüft wird. „Ich hoffe, dass der Fall Nebyvaev ein Weckruf für Europa sein wird“, schrieb er auf Twitter.
Europarat: Russland kein Mitglied mehr
Am 15. März 2022 verließ Russland den Europarat und kam damit einem Rauswurf aufgrund seines Überfalls auf die Ukraine zuvor. Aber noch heute sind dort laut Bild 90 russische Mitarbeiter tätig – von den ursprünglich einmal 120. Für diejenigen Russen, die in Besitz einer zweiten Staatsbürgerschaft sind, ist es nämlich weiterhin möglich, im Verwaltungsapparat des Europarats zu arbeiten. Im Oktober 2022 stellte der Europarat selbst fest, dass womöglich eine Gefahr von diesen Mitarbeitern ausgehen könnte – schließlich kann man nicht nachverfolgen, inwiefern sie selbst pro-russisch eingestellt sind beziehungsweise vom russischen Regime oder von ihren Familien beeinflusst werden.
Deshalb forderte der Europarat damals von anderen internationalen Organisationen Maßnahmen, um zu vermeiden, dass Russland russische Beschäftigte benutzt, um den Angriff auf die Ukraine zu unterstützen und russische Propaganda zu verbreiten. Allerdings gebe es durchaus auch engagierte und loyale russische Mitarbeiter in der Verwaltung, wie Experten sagen. Trotzdem kämen gerade jetzt auch wieder Bedenken auf - denn diese Menschen erhielten einen Einblick in sensible Daten und könnten an der Ausarbeitung von Richtlinien mitarbeiten.
Der Europarat: Wichtigste Menschenrechtsorganisation Europas
Der Europarat wurde nach dem Zweiten Weltkrieg gegründet und ist die wichtigste Menschenrechtsorganisation Europas. Er umfasst seit dem russischen Austritt 46 Mitglieder. Als Flaggschiff des Europarats gilt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte. Gerade für Mitgliedsländer außerhalb der EU spielt er eine wichtige Rolle für die Einhaltung der Menschenrechte, denn die Bürgerinnen und Bürger haben die Möglichkeit, nach Ausschöpfung des Rechtswegs in ihren jeweiligen Ländern eine Individualbeschwerde einzureichen, wenn sie sich in ihrem Land ihn ihren Rechten auf Grundlage der Europäischen Menschenrechtskonvention verletzt sehen. (ale)