Erdgas in Niedersachsen: Wie sehr wirkt sich der Ukraine-Konflikt auf die Preise aus?
Russlands Angriff auf die Ukraine wirkt sich auch auf den Gaspreis aus. Energieversorger EWE aus Oldenburg warnt bereits die Menschen in Niedersachsen.
Oldenburg – Es ist kein Geheimnis, dass sich Verbraucher 2022 bundesweit mit höheren Energie- und Gaspreisen konfrontiert sehen. Vor allem Familien, die finanziell eh schon nicht auf Rosen gebettet sind, stehen vor großen Herausforderungen. Der von Russlands Präsident Wladimir Putin initiierte Angriff auf die Ukraine kommt nun noch erschwerend hinzu und stellt die Verbraucher und die Wirtschaft in Niedersachsen vor massive Probleme.
Erdgas in Niedersachsen und Deutschland: Preiserhöhungen durch Ukraine-Konflikt und lahm gelegtem Nord Stream 2 nicht ausgeschlossen
„Ich will Preiserhöhungen nicht ausschließen“, heißt es in diesem Kontext von Stefan Dohler gegenüber dem NDR. Der Vorstandsvorsitzende der EWE – Energieversorger aus Niedersachsen und zugleich der fünftgrößte deutsche Energiekonzern – verweist explizit auf den Einkaufspreis für Gas an den Märkten. Innerhalb eines Jahres hätte sich dieser bereits vervierfacht. Und die aktuellen Entwicklungen rund um Russland und die Ukraine sind hier noch nicht einmal mit berücksichtigt.

Noch ist unklar, wie sich die Preise nach dem russischen Angriff auf die Ukraine weiter entwickeln könnten. Noch bevor dieser militärische Akt ausgeführt wurde, hatte Dohler davor gewarnt, dass es sehr teuer werden könnte, wenn die Gasimporte aus Russland gekappt werden müssten. Beim Konjunktiv ist es jedoch nicht geblieben, die umstrittene Ostsee-Gaspipeline Nord Stream 2 liegt vorerst auf Eis.
Niedersachsen mit tragender Rolle bei Deutschlands Erdgas-Versorgung: Rund 50 Speicher für Erdgas im nördlichen Bundesland
Was bedeutet dies aber für Verbraucher, sowohl in Deutschland und nicht zuletzt auch in Niedersachsen? Noch bevor Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) diese Entscheidung verkündet hatte, sprach EWE-Vorstandsvorsitzender Dohler von Gas, das alternativ auf dem Weltmarkt gekauft werden müsste – zu teuren Preisen.
Das würde eine Preisexplosion geben.
Bei der bundesweiten Erdgas-Versorgung kommt Niedersachsen, das seine Corona-Regeln schrittweise lockert, eine tragende Rolle zu. Denn als Deutschlands Förder-, Import- und Transitregion ist das nördliche Bundesland erheblich an der unterirdischen Speicherung von Erdgas beteiligt. Laut dem NDR verfügt Niedersachsen derzeit über rund 50 Speicher für Erdgas.
Russland setzt Erdgasreserven „als Waffe“ ein, „um den Westen zu erpressen“ – sagt Niedersachsens Wirtschaftsminister Bernd Althusmann (CDU)
Zuletzt hatte der russische Gaskonzern Gazprom seine Erdgas-Lieferungen aber deutlich zurückgefahren. Beispielsweise ist der größte Erdgasspeicher in Rehden (Landkreis Diepholz) der russischen Gazprom-Tochter Astora nur noch zu etwa 3,6 Prozent gefüllt. In den vergangenen Jahren pendelte sich dieser Wert zwischen 60 und 90 Prozent ein. Doch sei das Volumen ab Oktober 2020 rapide zurückgegangen.
Ich sehe im Moment, da sich der Winter dem Ende zuneigt, noch keine Gefahr für die privaten Haushalte.
Doch merkt Althusmann auch an, dass die Erdgasreserven „inzwischen auch indirekt als Waffe eingesetzt [werden], um den Westen zu erpressen“. Niedersachsens Wirtschaftsminister richtet seinen Blick unter anderem gen Niederlande oder Norwegen. Länder, aus denen man importieren könnten, „um die Erdgasversorgung in Deutschland zu sichern“.
EWE noch mit genug Gas in ihren Speichern – Energieversorger aus Oldenburg verbreitet ein wenig Optimismus
Erdgas aus den Niederlanden ist im Nordwesten Niedersachsens bereits der Regelfall. Ändert jedoch nichts an der Meinung der ganzen Branche: Ohne russisches Gas geht es nicht lange weiter. Laut dem NDR kommen tatsächlich 55 Prozent des Erdgases, das in Deutschland verwendet wird, aus Russland. Sollte die Ostsee-Gaspipeline Nord Stream 2 über einen längeren Zeitraum brach liegen, könnte es mittelfristig eng werden.
Immerhin: ein wenig Optimismus weiß die EWE selbst zu verbreiten. Denn noch hätte Deutschlands fünftgrößter Energieversorger mit Sitz in Oldenburg genügend Gas in ihren Speichern, sogar mehr als noch 2021. Darüber hinaus bestehen unter Energieexperten und der Politik Zweifel, dass Russland gar nicht mehr liefert. Denn bislang würde der von Wladimir Putin reagierte Staat zuverlässig und den Verträgen entsprechend liefern.
Erdgas-Alternative für Deutschland: LNG-Flüssiggas als Option – Terminal hierfür soll im niedersächsischen Stade entstehen
Und dennoch muss seriös und vor noch unklaren Entwicklungen im Ukraine-Konflikt über Erdgas-Alternativen nachgedacht werden. Auch, um unabhängiger von Russland zu werden, wird in Deutschland immer öfter über LNG-Flüssiggas nachgedacht. Doch verfügt Deutschland im Gegensatz zu anderen Ländern in der Europäischen Union (EU) bislang über kein eigenes Terminal, an dem das verflüssigte Erdgas angelandet werden könnte.
Die Pläne für Deutschlands erstes Flüssiggas-Terminal werden jedoch zunehmend konkreter. So will die Hanseatic Energy Hub bis zum Sommer 2022 die Anträge für das milliardenschwere Projekt in Stade, Standort der chemischen Industrie in Niedersachsen, einreichen. Um eine langfristige Alternative zur Erdgas-Versorgung durch Russland auf den Weg zu bringen.
Niedersachsen unterstützt Importpläne für Flüssigerdgas als Alternative zum Erdgas aus Russland
Die Importpläne für Flüssigerdgas werden auch von der niedersächsischen Landesregierung unterstützt. Das Land Niedersachsen würde zwar selbst keine entsprechenden Terminals bauen, betonte Wirtschaftsminister Bernd Althusmann am Donnerstag, 24. Februar 2022, im Landtag. Doch:
Aber wir werden gemeinsam mit Investoren die Voraussetzungen für eine größere Unabhängigkeit Niedersachsens und Deutschlands von russischem Gas schaffen müssen. Ohne das wird es nicht gehen.
Und auch Niedersachsens Energieminister Olaf Lies (SPD) wies explizit darauf hin, dass das nördliche Bundesland den Aufbau einer Infrastruktur für den LNG-Import speziell vor dem Hintergrund der Eskalation zwischen Russland und der Ukraine unterstützt habe. Doch müsste die finale Entscheidung für den Terminalbau durch entsprechende Unternehmen getroffen werden.
Wilhelmshaven als Standort für Flüssiggas-Terminal? Wegen Tiefwasserhafen und Nähe zu großen Gasspeichern dafür geeignet
Neben Stade sei auch Wilhelmshaven mit seinem Tiefwasserhafen und der Nähe zu großen Gasspeichern hervorragend als Import-Standort für LNG-Flüssiggas geeignet. Und wie Lies obendrein betonte, sei es das Ziel der Regierung, über die Terminals später nicht mehr fossiles, sondern erneuerbares Gas einzuführen.
Putins Krieg wirkt sich aber auch auf die Wirtschaft in Hamburg aus*, der Hafenkonzern HHLA hat bereits den Betrieb eingestellt. * kreiszeitung.de, 24hamburg.de und merkur.de sind Angebote von IPPEN.MEDIA.
* Transparenzhinweis: Dieser Artikel wurde zuletzt am Donnerstag, 24. Februar 2022, um 13:35 Uhr aktualisiert.