Atomfrieden futsch: Lindner provoziert Koalitionspartner vor Dreikönigstreffen
Die Atomkraft soll bleiben: Vor dem FDP-Dreikönigstreffen pocht Christian Lindner auf verlängerte AKW-Laufzeiten – und facht Streit mit den Grünen an. Zu Recht?
Berlin – Abschalten ja. Aber später: Die FDP lässt im Streit um die Atomkraft in Deutschland nicht locker. Kurz vor dem traditionellen Dreikönigstreffen in Stuttgart beharren die Liberalen auf eine verlängerte Laufzeit für die drei verbliebenen Meiler – und beschwören damit einen Zoff innerhalb der Koalition herauf. Denn während die Grünen am Ausstieg im April festhalten wollen, ist für die Liberalen die Sache noch nicht ausgemacht. So gilt aus ihrer Sicht die Gefahr von Versorgungsengpässen in Deutschlands als keineswegs gebannt. Helfen soll die Kernenergie.
Vor Dreikönigstreffen 2023: FDP rüttelt am Kompromiss zur Atomkraft – Lindner für längere Laufzeiten
„Wir müssen uns klarmachen, dass der Winter 2023/2024 unter Umständen noch herausfordernder wird, als der Winter 2022/2023, weil sich in unseren Gasspeichern jetzt noch erkleckliche Mengen an russischen Pipelinegas befinden“, warnte der FDP-Energiepolitiker Konrad Stockmeier im Podcast Politik mit Stil in Zusammenarbeit mit IPPEN.MEDIA. Diese Mengen werde man im nächsten Winter „definitiv nicht zur Verfügung haben“. Deshalb müsse man sich über alle Optionen Gedanken machen, forderte der Liberale, der die Unterstützung seines Parteichefs genießt. Denn auch Christian Lindner will die Atomkraftwerke (AKW) länger am Netz halten.

Seit Tagen rüttelt die FDP an dem Atom-Kompromiss. Eigentlich hätten die drei Meiler Isar 2, Neckarwestheim 2 und Emsland im niedersächsischen Lingen zum Jahresende ausgeschaltet werden sollen. Doch angesichts der Energiekrise im Zuge des Ukraine-Krieges war eine Debatte in der Politik entbrannt, die Kraftwerke in einer Art Notbetrieb laufen zu lassen. Die Grünen hatten sich dagegen lange gesträubt, doch Kanzler Olaf Scholz (SPD) hatte schließlich ein Machtwort gesprochen und den Weiterbetrieb bis April 2023 durchgesetzt.
Kernenergie bleibt Zankapfel: Christian Lindner (FDP) vor Dreikönigstreffen mit Koalition unzufrieden
Einen Tag vor Beginn des Dreikönigstreffens 2023 zeigte sich FDP-Parteichef Christian Lindner mit dem Fahrplan unzufrieden. Er hätte sich gewünscht, „dass mehr ginge“, sagte Lindner der Stuttgarter Zeitung mit Blick auf das Ausstiegsdatum. Denn er sei weiterhin überzeugt, „dass wir in Krisenzeiten übergangsweise Kernenergie weiter nutzen sollten“. Statt mit mehr Kohlestrom die CO₂-Bilanz Deutschlands zu verschlechtern, sei es sinnvoll, einen Notfallplan aufzustellen und der Kernenergie eine zweite Chance zu geben. Lindner griff zugleich den Vorschlag auf, eine Expertenkommission über die Atomfrage entscheiden zu lassen. Dies könne, so Lindner, „parteitaktische Verkantungen“ lösen.
Doch bei den Koalitionspartnern kommt das Festhalten an der Atomkraft nicht gut an. Während die Grünen zunehmend gereizt reagieren und Wirtschaftsminister Robert Habeck bereits versuchte, die Debatte für beendet zu erklären, gibt es auch in der SPD wenig Befürworter für eine erneute Verlängerung der Laufzeiten. Die Risiken seien viel zu hoch, warnte Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) kürzlich. Deshalb solle man es „definitiv bei der letzten Verlängerung bis April 2023 belassen“.
Dreikönigstreffen 2023: FDP will sich mit Debatte um Atomkraft stärker in Koalition profilieren
Doch einfach belassen lassen – das kommt für die FDP nicht infrage. Denn für die Liberalen steht zu viel auf dem Spiel. 2023 stehen mit Hessen, Bayern, Berlin und Bremen einige Landtagswahlen auf dem Programm. Im vergangenen Jahr fuhr die Partei nur Niederlagen ein. Dies soll sich nicht wiederholen. Deswegen fordern nicht wenige innerhalb der FDP, dass Lindner sich in der Ampel-Koalition mehr mit liberalen Positionen durchsetzen soll. Das Aufbruchssignal soll von dem Dreikönigstreffen ausgehen.
In einem Positionspapier, das von den Spitzenkandidaten der Partei am Mittwoch veröffentlicht wurde, wird die Einleitung einer Trendwende angemahnt. Wie das gelingen soll? Dazu haben die Verfasser eine klare Meinung: Fracking, Senkung der Einkommenssteuer und: klare Kante gegen den Atomausstieg. Der Parteichef sieht das ähnlich, wie die jüngsten Äußerungen zeigen. Und so kann wohl davon ausgegangen werden, dass die FDP in Sachen Atomstreit auch nach dem Dreikönigstreffen keine Ruhe geben wird. (jkf)