1. Startseite
  2. Politik

Die Folgen des Ukraine-Kriegs: Wie teuer die Energiekrise für Deutschland ist

Erstellt:

Von: Johannes Nuß

Kommentare

Geldscheine stecken in einer Steckdose
Die Energiekrise in Deutschland kostet den Staat Unmengen von Geld. © Chromorange/imago

Erst Corona, dann Ukraine-Krieg und als Folge die Energiekrise: Wie stark belastet das alles Deutschland? Es geht um hunderte Milliarden Euro, die bald fehlen könnten.

Berlin – Zunächst sah alles danach aus, als ob sich nach der Corona-Pandemie die wirtschaftliche Lage in Deutschland wieder bessern würde. Von einem Wachstum des Bruttoinlandproduktes bis zu 3,9 Prozent waren Experten für das Jahr 2022 ausgegangen – weil man hoffte, dass die Menschen nach Corona das durch Lockdowns und Ausgangssperren gesparte Geld ausgeben werden.

Doch, dann kam der Ukraine-Krieg und mit ihm als Folge die Energiekrise, die die Kosten für Gas, Strom und andere Energien in ungeahnte Höhen schießen ließen. Wie teuer wird die Krise für Deutschland?

Die Folgen des Ukraine-Kriegs und der Energiekrise: Drei Entlastungspakete – und Sondervermögen für die Bundeswehr

Fakt ist: Nach Beginn des Ukraine-Kriegs und der datraus resultierenden Energiekrise sanken die wirtschaftlichen Prognosen wieder. Für 2022 rechnet man etwa im Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung plötzlich nur noch mit 1,8 Prozent Wachstum, für 2023 sieht die Prognose mit einem Wachstum von 0,1 Prozent (zuvor 2,5 Prozent) noch düsterer aus. Dem entgegengewirkt hat die Bundesregierung um Kanzler Olaf Scholz (SPD) in der Politik mit milliardenschweren Rettungs- und Entlastungspaketen. Jetzt ist es Zeit, die Rechnung dafür zu präsentieren. Was kostet die Energiekrise für Deutschland wirklich?

Entlastungspaket I, Entlastungspaket II und schließlich noch Entlastungspaket III: Der Bundesregierung vorwerfen, dass sie in der Energiekrise nicht viel getan hat, um ihre Bürger zu stützen – das geht wohl nur bedingt. Doch hinzu kommen weitere Pakete– so wie etwa das Sondervermögen über 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr. Für viele nichts anderes als die Aufnahme schlecht getarnter Schulden. Unter dem Strich stehen am Ende hunderte Milliarden Euro, die den deutschen Staatshaushalt auf die kommenden Jahrzehnte deutlich belasten dürften. Die in Düsseldorf erscheinende Wirtschaftszeitung Handelsblatt hat sich die Kosten der Energiekrise für Deutschland einmal genauer angesehen und eine erste Schätzung vorgenommen.

Energiekrise in Deutschland: Unterm Strich dürften 169 Milliarden Euro ausgebliebenes Wachstum stehen

Zunächst einmal ist da das ausgebliebene, aber prognostizierte Wirtschaftswachstum in 2022 und 2023. Zwar wird für das Jahr 2022 immer noch mit einem Wachstum von 1,8 Prozent gerechnet, trotzdem dürften unterm Strich etwa 169 Milliarden Euro ausgebliebenes Wachstum stehen. Angekündigt hatte dies bereits Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) der mit den Worten „Deutschland wird buchstäblich ärmer“ ungewöhnlich deutlich Tacheles redete. Ein Teil dieses Defizits ist noch der Corona-Pandemie und den damit verbundenen Lieferengpässen geschuldet.

Den größten Teil machen aber inzwischen der Ukraine-Krieg und die damit einhergehende Energiekrise aus, so Handelsblatt in seinem Bericht. Als Grundlage für die Berechnung nahmen die Düsseldorfer Wirtschaftsexperten das Bruttoinlandsprodukt des Jahre 2021, das bei rund 3,6 Billionen Euro lag. Zwar geht man davon aus, dass ein Teil des aufgebliebenen Wachstums nachgeholt wird – aber eben nur ein Teil davon.

Hinzu kommen laut Handelsblatt noch einmal rund 110 Milliarden Euro für das Importieren von teurer Energie nach Deutschland in Zeiten der ENergiekrise. Diese Summe ergibt sich aus Berechnungen über die vergangenen drei Jahre. So musste bereits im Jahr 2021 für Energieimporte deutlich tiefer in die Tasche gegriffen werden als noch im Jahr 2020. Rund 35 Milliarden Euro verlor man so im Jahr 2021 und noch einmal 64 Milliarden Euro im Jahr 2022, schätzt das Münchener Ifo-Institut. Der Hauptteil bei den geschätzten 110 Milliarden Euro liegt bei Öl und Gas, das Deutschland nahezu ausschließlich importiert.

Grundlage ist das Realeinkommen, was den Teil der in Deutschland erbrachten Wirtschaftsleistung beschreibt. Für das Jahr 2023 rechnet das Ifo-Institut noch einmal mit rund neun Milliarden Euro. Bis sich das alles wieder eingependelt hat, dürfte es – genau wie bei der zweiten Ölpreiskrise Ende der 1970er-Jahre – Jahre dauern. Damals hatte sich Deutschland erst 1986 wieder richtig erholt.

Neben der Energiekrise treibt die Inflation in Deutschland die Kosten in die Höhe

Doch, nicht nur die Energiekrise beutelt derzeit den Staatshaushalt und die Wirtschaft in Deutschland wie nie zuvor. Auch die Inflation sorgt dafür, dass es immer kritisch wird. Die Inflation frisst die Löhne auf. Gerechnet wird hier laut Handelsblatt mit einem Schaden von insgesamt 74 Milliarden Euro. Zwar stiegen die Löhne im vergangenen Jahr um etwa 2,7 Prozent im Schnitt, das machte aber die Inflationsrate von 7,9 Prozent sofort wieder zunichte.

Es ergibt sich sogar ein Rückgang des Reallohns um 4,7 Prozent, geht aus Daten des Tarifarchivs des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung hervor. Das gleiche Problem gibt es auch beim 2023 neu eingeführten Bürgergeld. Experten warnen bereits, dass die Regelsätze des Bürgergeldes nicht dafür reichen würden, um etwa die Stromkosten ausreichend zu decken. Weiter ist davon auszugehen, so das Handelsblatt, dass diese Zahl sich im aktuellen Jahr 2023 noch erhöhen dürfte, wenngleich auch nicht mehr so stark wie in den vergangenen zwei Jahren.

Aktuell geht das Kiel Institut für Wirtschaft von einer Inflationsrate von 5,4 Prozent für das Jahr 2023 aus. Mit Blick auf die vergangenen Jahre allerdings sollte man sich derzeit auf diese Zahlen nicht allzu sehr verlassen. Mit Eintreten der endemischen Phase bei Corona war schon einmal Licht am Ende des Tunnels zu sehen. Jetzt sieht man wieder, dass einige Länder, darunter Thailand, die Einreisebestimmungen wieder drastisch verschärfen. Niemand kann also mit Gewissheit sagen, ob die Corona-Pandemie uns nun wirklich bald in Ruhe lässt.

Energiekrise in Deutschland: Rund 300 Milliarden für Sondervermögen und Hilfspakete

Weiter kommen noch einmal rund 300 Milliarden Euro hinzu, die der Staat in Form von Hilfspakten oder sogenannten Sondervermögen zur Verfügung gestellt hat und aktuell noch zur Verfügung stellt. Bekannt sein dürften diese Pakete dem einen oder anderen Leser noch als „Doppel-Wumms“.

Ein Teil der 300 Milliarden Euro stammt aus den drei Entlastungspaketen aus dem vergangenen Jahr, die den Staat insgesamt rund 95 Milliarden Euro kosteten. Unter anderem die Energiepreispauschale über 300 Euro für Rentner und für jeden Arbeitnehmer, aber auch die Abschaffung der EEG-Umlage wird in diese Zahl mit eingerechnet. Hinzu kommen noch 200 Milliarden Euro für den Wirtschaftsstabilisierungsfonds. Der stammt zwar eigentlich noch aus Zeiten der Anfänge der Corona-Pandemie, doch nun wird er für Gas- und Strompreisbremse genutzt.

Wirtschaftshilfen: Energieintensive Unternehmen werden in der Energiekrise in Deutschland gestützt

Hinzu kommen noch weitere Wirtschaftshilfen, zum Beispiel für energieintensive Unternehmen (fünf Milliarden Euro) oder aber etwa auch die Stützung von Unternehmen wie dem Gaslieferanten Uniper. Daneben stehen noch einmal 67 Milliarden Euro aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds, den die Bundesregierung zur Stützung der staatlichen KfW-Bank nutzte. Diese 67 Milliarden Euro sollen allerdings als Kredite und Bürgschaften Unternehmen helfen – sie fließen also im besten Falle wieder zurück. Ein Kostenpunkt sind sie zunächst trotzdem.

Doch das Ende des Ukraine-Kriegs und der Energiekrise sind aktuell nicht wirklich abzusehen. Es ist also davon auszugehen, dass die Rechnung unterm Strich noch wesentlich höher ausfallen könnte. Bis alle Kosten überblickt werden können, wird wohl noch einige Zeit ins Land ziehen. Als Beispiel: Selbst für die Finanzkrise aus den Jahren 2007 und 2008 fehlt noch bis heute eine endgültige Schlussrechnung, da noch nicht alles aufgearbeitet worden ist.

Auch interessant

Kommentare