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Nato-Generalsekretär: Stoltenberg warnt vor Einsatz russischer Chemiewaffen

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Von: Felix Busjaeger

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Wladimir Putin führt Krieg in der Ukraine. Sein Land soll über Chemiewaffen verfügen und hat der Ukraine die Herstellung von chemischen Kampfstoffen vorgeworfen.
Wladimir Putin führt Krieg in der Ukraine. Sein Land soll über Chemiewaffen verfügen und hat der Ukraine die Herstellung von chemischen Kampfstoffen vorgeworfen. © Mikhail Klimentyev/AP/dpa

Könnte es im Ukraine-Krieg zum Einsatz von Chemiewaffen kommen? Das gilt aktuell als unwahrscheinlich, allerdings soll Russland weiter über Kampfstoffe verfügen.

Update vom 18. März 2022 um 12:00 Uhr: Die Gefahr von einem Einsatz von Chemiewaffen im Ukraine-Krieg ist offenbar weiterhin gegeben. In einem Interview mit dem Deutschlandfunk warnte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg, dass die westlichen Verbündeten genau verfolgen müssten, ob Russland den Einsatz von Chemiewaffe plane. „Wir haben die sehr gefährliche Rhetorik Russlands gesehen, nukleare Rhetorik, aber auch die falschen Anschuldigungen gegen die Ukraine und die Nato-Verbündeten, dass wir den Einsatz chemischer Waffen vorbereiten. Das ist absolut falsch“, sagte er am Freitagmorgen.

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg warnt vor möglichem Einsatz russischer Chemiewaffen

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg machte weiterhin klar, dass die westlichen Nationen weiter wachsam sein und genau beobachten müssten, was Russland tut. Als Möglichkeit nannte er eine Art Operation unter falscher Flagge, die auch den Einsatz von Chemiewaffen in der Ukraine beinhalten könnte. Russland habe schon früher Chemiewaffen eingesetzt, sagte Stoltenberg weiter. Außerdem habe Moskau in Syrien das Assad-Regime den Einsatz von chemischen Waffen erleichtert.

Erstmeldung vom 16. März 2022 um 11:55 Uhr: Kiew/Moskau – Ein Krieg ist immer schrecklich: Soldaten ziehen gegeneinander in den Kampf, Unbeteiligte verlieren ihr Zuhause oder sterben und am Ende gibt es manchmal einen schwer erkämpften Sieg. Dass in modernen Kriegen auch abseits der Schlachtfelder gekämpft wird, zeigt der gegenwärtige Krieg in der Ukraine tagtäglich. Längst werden im Digitalen Kämpfe ausgetragen, feindliche Cyber-Infrastrukturen angegriffen und gezielt Desinformationen gestreut. Wladimir Putin ist ein Meister der Propaganda, doch auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj weiß, Bilder und Worte für seine Zwecke geschickt einzusetzen. Doch auch abseits von Hightech gibt es im Krieg in der Ukraine eine unsichtbare Gefahr, die für Schrecken sorgen kann: Chemiewaffen.

Ukraine News: Die Gefahr durch Chemiewaffen im Ukraine-Krieg ist gegeben

Seit über 100 Jahren sorgt der Einsatz von chemische Kampfstoffen für Entsetzen: Während des Ersten Weltkrieges nutzen beide Seiten entsprechende Waffen bei den Grabenkämpfen in Frankreich. Wegen der teilweise unsichtbaren Gefahr und verheerenden Folgen gelten Chemiewaffen als verboten: Am 29. April 1997 trat die Chemiewaffenkonvention der Vereinten Nationen in Kraft, die die Entwicklung, Herstellung, Besitz, Weitergabe und Einsatz chemischer Waffen verbietet. Doch es kommt mitunter zum Bruch des Übereinkommens. Anfang 2022 stellte die Chemiewaffenkontrollbehörde in Den Haag fest, dass es bei einem Angriff auf den syrischen Ort Marea zum Einsatz von Giftgas gekommen ist.

Die Stadt Marea im Norden von Aleppo war dem Bericht der Organisation für ein Verbot von Chemiewaffen (OPCW) zufolge am 1. September 2015 bombardiert worden. Neben konventioneller Munition sollen auch Projektile eingesetzt worden sein, die mit Chemikalien gefüllt waren. Opfer, die den Substanzen ausgesetzt waren, hätten einige Stunden später Blasen auf der Haut bekommen. Wer für den Einsatz der verbotenen Chemiewaffen verantwortlich war, ließ sich bisher nicht feststellen. Die OPCW fand allerdings bei anderen Vorfällen Hinweise auf Chlorgas, Senfgas und Sarin.

Trotz Chemiewaffenkonvention: Russland soll Altbestände nicht vollständig vernichtet haben

Insgesamt haben 191 Staaten die Chemiewaffenkonvention unterschrieben. Auch Russland trat dem Abkommen im Jahr 1997 bei, doch Vorfälle in der jüngsten Vergangenheit deuten darauf hin, dass es der Kreml mit dem Verbot nicht immer so genau nehmen könnte. Zwar streitet die russische Regierung die Beteiligung an Giftangriffen auf die Ex-Geheimdienstagenten Sergej Skripal und Alexander Litwinenko oder den Giftanschlag auf Alexei Nawalny stets ab, allerdings zeigen die Ereignisse, dass wohl in Russland weiter an Nervenkampfstoffen gearbeitet werden könnte. Wie etwa der Tagesspiegel berichtet, habe das Land zudem seine Altbestände nicht vollständig vernichtet.

Im Ukraine-Krieg steigt die beidseitige Angst vor Biowaffen und Chemiewaffen

Im Ukraine-Krieg, in dem Putin auch die Nato fürchtet, stieg zuletzt seit dem 13. März die Angst vor einem möglichen Einsatz von Biowaffen und Chemiewaffen – allerdings auf beiden Seiten. Moskau wirft im Zusammenhang mit den jüngsten Entwicklungen im Krieg in der Ukraine der Regierung in Kiew vor, Labore für biologische und chemische Waffen zu betreiben. Dass der Vorwurf von Wladimir Putin gegenüber der Ukraine kaum haltbar ist, hatten vergangene Woche bereits internationale Faktenchecker bestätigt. Wie unter anderem das Redaktionsnetzwerk Deutschland schreibt, hätte auch die UN gesagt, dass sie nichts von angeblich in der Ukraine produzierten Massenvernichtungswaffen wüsste.

Bereits seit Beginn des Ukraine-Kriegs geht zudem die Angst vor möglichen Atomwaffen-Einsätzen um. Allerdings gilt es als unwahrscheinlich, dass Wladimir Putin zu einem solchen Mittel greifen könnte. Zumal Russlands Präsident nicht alleine über einen entsprechenden Raketenabschuss entscheiden könnte.

Kam es im Ukraine-Krieg zum Einsatz von Phosphorbomben? Informationen lassen sich nicht prüfen

Der russische Vorwurf gegenüber der Ukraine ist allerdings nachvollziehbar: Wladimir Putins Invasion scheint nach den ersten Kriegswochen immer mehr ins Stocken zu geraten. Das gezielte Streuen von Falschinformationen und Propaganda könnte Russland nutzen, um aus seiner Sicht eine weitere Eskalation im Ukraine-Krieg zu rechtfertigen. Im Gegenzug berichteten ukrainische Quellen, dass es durch russische Soldaten zum Einsatz von chemischen Waffen gekommen sein soll. In der vergangenen Woche verbreitete sich die Nachricht, dass Russland im östlichen Teil der Ukraine Phosphorbomben eingesetzt haben soll. Diese Information ließ sich nicht unabhängig überprüfen.

Phosphorbomben sind sogenannte Brandbomben, die weißen Phosphor und Kautschuk enthalten. Das Gefährliche daran: Kommt es zur Detonation des Gemisches, verursacht der Phosphor heiße Dämpfe, die stark giftig sind und schwere Verbrennungen verursachen können. Bereits seit 1977 verbietet die Genfer Konvention den Einsatz von Brandbomben gegen zivile Menschen.

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Wie die Organisation „International Physicians for the Prevention of Nuclear War“ (IPPNW) erklärt, handelt es sich bei Phosphorbomben um Brandbomben, die ein Gemisch aus weißem Phosphor und Kautschuk enthalten. Der Einsatz dieser Waffe ist besonders gefährlich, da weißer Phosphor und seine Dämpfe hochgiftig sind und er schwere Verbrennungen verursacht. Der Einsatz von Brandwaffen gegen Zivilpersonen wurde bereits in den Zusatzprotokollen von 1977 des Genfer Abkommens verboten.

Einsatz von Chemiewaffen durch Russland im Ukraine-Krieg: USA sehen durch russische Propaganda steigendes Risiko

Bereits am vergangenen Donnerstag warnten die USA vor einem steigenden Risiko für den Einsatz von Bio- oder Chemiewaffen durch Russland im Ukraine-Krieg. Begründet wurde die Gefahr durch entsprechende Propaganda in Russland. Der Vorwurf gegenüber der Ukraine, Massenvernichtungswaffen zu besitzen, könnte ein Vorwand sein, um diese selbst einzusetzen, sagte der stellvertretende amerikanische UN-Botschafter Jeffrey Prescott. „Russland hat diese neuen falschen Behauptungen aufgestellt. Wir haben gesehen, dass China diese Propaganda unterstützt hat. Und deshalb sollten wir Ausschau halten, ob Russland möglicherweise chemische oder biologische Waffen in der Ukraine einsetzt oder eine Operation unter falscher Flagge startet“, sagte Prescott.

Der stellvertretende US-Botschafter verwies auf die vergangenen Giftanschläge auf politische Feinde, die dem Kreml angelastet werden. Russland unterhalte außerdem in Verletzung des Völkerrechts seit langem ein biologisches Waffenprogramm, heißt es von Prescott. Welche Auswirkung der Einsatz von Chemiewaffen im Ukraine-Krieg durch Russland haben könnte, prognostizierte Polens Präsident Andrzej Duda bereits vor einigen Tagen: Gegenüber der BBC sprach er in dem Fall von einem Gamechanger, der die Nato zum Handeln zwingen würde. Die Wahrscheinlichkeit, dass es allerdings tatsächlich zu einem Einsatz von Chemiewaffen im Ukraine-Krieg kommt, stuft Fredy Gsteiger, SRF-Korrespondent für internationale Diplomatie, als gering ein. * kreiszeitung.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA.

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