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Außer Dienst: Für Angela Merkel beginnt ein neues Leben

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Von: Jens Kiffmeier

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Geschafft: Dr. Angela Merkel ist jetzt Altkanzlerin. Nach 16 Jahren an der Macht will sie nur noch eines: ausschlafen. Doch welches Erbe hinterlässt sie? Die Bilanz.

Berlin – Für Angela Merkel beginnt eine neue Zeitrechnung: Mit der Wahl von Olaf Scholz (SPD) zum neuen Bundeskanzler ist die Langzeitregierungschefin jetzt offiziell a.D. – außer Dienst. Nach 16 Jahren an der Macht gibt es für die 67-Jährige keine Termine mehr. Für sie ein herrliches Gefühl. Sie werde erst einmal eine Pause machen, verriet Merkel bereits im Sommer bei ihrer letzten Sommerpressekonferenz zu ihren ersten Ruhestands-Plänen. Sie werde versuchen, etwas „zu lesen, dann werden mir die Augen zufallen, weil ich müde bin, dann werde ich ein bisschen schlafen, und dann schauen wir mal“.

Deutscher Politiker:Angela Merkel (CDU)
Geboren:17. Juli 1954 (Alter 67 Jahre), Hamburg
Privat:verheiratet
Funktion:Bundeskanzlerin a.D.

Lesen, Schlafen, Faulenzen – in den vergangenen 5860 Tagen hatte Merkel dafür nie Zeit. Denn genauso lange dauerte ihre Kanzlerschaft – das war fast einsamer Rekord. Von ihren sieben Vorgängern hielt sich nur Helmut Kohl (CDU) länger an der Macht. Er schaffte 5870 Tage in der „Todeszone der Politik“.

Bundesregierung: Angela Merkel (CDU) dankt nach 16 Jahren ab – Olaf Scholz ist neuer Bundeskanzler (SPD)

So beschrieb einst Außenminister Joschka Fischer (Grüne) die Arbeit im Kanzleramt. Er verglich damit den Job des Regierungschefs mit einem Bergsteiger, der den kräftezehrenden Aufstieg auf einen 8000er-Gipfel bewältigt hat, einsam, viel Last auf den Schultern und den weiten, gefährlichen und unsicheren Rückweg noch vor sich.

Altkanzlerin Angela Merkel (CDU) winkt.
Das war es: Nach 16 Jahren an der Macht ist Angela Merkel jetzt Bundeskanzlerin a.D. © Markus Schreiber/dpa

Doch Angela Merkel hat ihn gemeistert – durchaus mit Bravour. Es gehe eine Kanzlerschaft zu Ende, die „man zu den großen in der Geschichte dieser Republik rechnen darf“, sagte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD) zu ihrem Abschied. Zuvor war sie bereits auf ihrem letzten europäischen Gipfel mit Standing Ovations verabschiedet worden. Und auch bei der Kanzlerwahl von Olaf Scholz, der nun mit einem neuen Regierungsstil regieren will, dankte ihr der Bundestag mit stehendem Beifall.

Ein Großteil ihres Ansehens baut vor allem auf ihre Fähigkeiten als Krisenmanagerin. Denn ihre Kanzlerschaft war gepflastert von internationalen Katastrophen: Finanz- und Währungskrise, Flüchtlingskrise, dann zum Schluss die Corona-Krise. Seit 2008 kam Merkel eigentlich nie aus dem Krisenmodus heraus. Europäische Gipfel, Nachtsitzungen, Abstimmungen im Bundestag und im Kabinett in Berlin, dann zurück nach Brüssel oder Washington – Merkel bestritt fast zwei Jahrzehnte lang eine Sieben-Tage-Woche. Selbst im Urlaub war ihr Kanzlerbüro immer mit.

Dr. Angela Merkel: Bundestag verabschiedet sich mit Standing Ovations

Doch Merkel ließ sich nie aus der Ruhe bringen. Mit ihrer Politik der ruhigen Hand und einer ordentlichen Portion Pragmatismus steuerte die promovierte Physikerin das Land durch die unruhigen Zeiten – mitunter auch weit besser als viele andere Staatschefs in den europäischen Partnerstaaten. Trotz des Finanzcrashs blieb Deutschland etwa die Massenarbeitslosigkeit erspart.

Ihre Gegner werfen ihr allerdings vor, dass sie über das Notwendige im Tagesgeschäft wenig Visionäres in ihren 16 Jahren zustande bekommen hat. Trotz großer parlamentarischen Mehrheiten blieben Sozialstaatsreformen bei Rente oder im Gesundheitswesen liegen. Den Atomausstieg betrieb sie erst nach der Fukushima-Katastrophe, aber nicht proaktiv.

Dennoch ist ihr der Eintrag in die Geschichtsbücher sicher. In diesen ist Konrad Adenauer als Gründungskanzler beschrieben, Helmut Kohl als Einheitskanzler. Und Merkel? Als Krisenkanzlerin? Die Dauerregentin hat dazu keine Meinung. Das sollten andere entscheiden, sagte sie unlängst. „Dazu fehlt mir die Distanz.“

Merkel privat: Mit üppigen Gehalt plant sie ihren Ruhestand – Altes Büro von Margot Honecker

Vielleicht kommt ihr die richtige Idee ja nach der angekündigten Pause, die Merkel übrigens nicht nach einem Umzug nach Hamburg verbringen will. Spekulationen, ob und in welcher Form die Altkanzlerin noch einmal öffentlich auftauchen könnte, gibt es viele. Ein erneutes politisches Amt, das sie als Abgeordnete, Ministerin oder Kanzlerin seit über 30 Jahre innehatte und das ihr nun ein üppiges Ruhegehalt einbringt, schloss Merkel bereits aus. Sie wolle reisen, vielleicht eine Schirmherrschaft übernehmen, dazu wird sie das alte Büro von Margot Honecker in Berlin beziehen. Das war es. Eine Aufsichtsratsposition wie ihr Amtsvorgänger Gerhard Schröder (SPD) wird sie wohl eher nicht übernehmen.

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Apropos Schröder. Der Sozialdemokrat hat ihr eine Sache bereits voraus: den Abschied von der Macht. Erst im Nachhinein realisiere man so wirklich, welche Last man auf der Schulter getragen habe, gestand er einmal Jahre nach seiner Abwahl. Entscheidung über Krieg oder Frieden, über Sicherung der privaten Vermögen der Kleinsparer, Überlastung der Intensivstationen – all diese quälenden Gedanken muss sich Merkel jetzt nicht mehr machen. Gut möglich, dass sie mehr Schlaf braucht als sie denkt. * kreiszeitung.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA.

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