„Arme Schweine“: Verbände wettern gegen das Bürgergeld
Bürgergeld statt Hartz IV: Das Reformvorhaben der Ampel-Koalition stößt bei Sozialverbänden auf massive Kritik. Sie warnen eindringlich vor einer Armutsfalle.
Berlin/Hannover – Neuer Name, alte Probleme? Die Ankündigung der möglichen Ampel-Koalition für eine Hartz-IV-Reform* hat bei Gewerkschaften und Sozialverbänden keine Freudensprünge ausgelöst. Unter anderem kritisierte die Landesarmutskonferenz (LAK) in Niedersachsen die geplante Einführung des Bürgergeldes als Mogelpackung. „Das ist alter Wein in neuen Schläuchen“, sagte LAK-Geschäftsführer Klaus Dieter Gleitzke am Sonntag zu kreiszeitung.de. Das Vorhaben bringe für die vielen Arbeitslosen im Land keine substanzielle Verbesserung.
Finanzielle Hilfe für Arbeitslose: | Arbeitslosengeld II (genannt Hartz 4) |
Eingeführt: | 1. Januar 2005 |
Gesetzliche Grundlage: | Zweites Buch der Sozialgesetzgebung |
Die Parteispitzen von SPD, FDP und Grüne hatten am Freitag nach einer zweiwöchigen Sondierung für eine Ampel-Koalition ein Papier mit den Zwischenergebnissen vorgelegt. Darin schlugen die Parteien unter anderem auch vor, das bisherige Hartz-IV-System abzuschaffen und durch ein neues Bürgergeld zu ersetzen*. Es solle den Arbeitslosen im Land ein Leben in Würde ermöglichen und die gesellschaftliche Teilhabe verbessern, hieß es. Die genaue Ausgestaltung des Vorhabens ist noch unklar. Fest steht nur, dass das neue Bürgergeld nicht bedingungslos gezahlt wird und die Bezieher der Grundsicherung auch weiterhin Mitwirkungspflichten haben und mit Sanktionen und Vermögensprüfungen rechnen müssen.
Hartz IV: Ampel-Koalition will Grundsicherung abschaffen und durch Bürgergeld ersetzen
Bei den Sozialverbänden jedoch wächst die Ungeduld. Seit Monaten kritisieren sie die wachsende Armut und die Situation von Hartz-IV-Empfängern im Land. Am Sonntag startete die Landesarmutskonferenz deshalb noch einmal eine besondere Protestaktion, wie der Norddeutsche Rundfunk (NDR) zuerst berichtet hatte. Unter dem Motto „Arme Schweine in der Stadt“ verteilte der Zusammenschluss verschiedener Organisationen mehrere Sparschweine in Hannover vor Jobcentern, der Börse, der Deutschen Bank und dem Niedersächsischen Landtag. In jeder Spardose befanden sich drei Euro.

Um exakt diesen Betrag sollen die Hartz-IV-Regelsätze zum 1. Januar 2021 erhöht werden. Für die Verbände ist das ein „blanker Hohn“*. Der Betrag reiche nicht annähernd aus, um die Inflation auszugleichen, sagte Gleitzke. Seinen Angaben zufolge sind allein die Lebensmittelpreise seit Beginn der Corona-Pandemie um zehn Prozent gestiegen. Eine gesunde Ernährung sei für Hartz-IV-Empfänger*, denen fünf Euro am Tag für das Essen zuständen, kaum noch möglich.
Hartz-Reform: Was ist das neue Bürgergeld? Sozialverbände warnen vor Mogelpackung
Die Protestaktion war nicht zufällig gewählt. An diesem Sonntag ist Weltarmutstag, mit dem die Vereinten Nationen alljährlich auf soziale Ungleichheit aufmerksam macht. Ein Problem, das laut Gleitzke auch in Deutschland immer größer wird. Steigende Energiepreise treiben auch hierzulande die Inflation in die Höhe und drängen viele Menschen in die Armutsfalle. Die Armut sei dadurch, so Gleizke im NDR, auf einem Rekordniveau von 16 Prozent angekommen. Auf der anderen Seite sei das Vermögen der 50 reichsten Deutschen ungefähr so hoch wie gesamte Bundeshaushalt 2022. Vor diesem Hintergrund nehme die Spaltung der Gesellschaft immer mehr zu.
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Die Landeskonferenz fordert deshalb von einer künftigen Bundesregierung ein entschlosseneres Handeln. Die Hartz-IV-Regelsätze* sollen laut dem Verband in einem ersten Schritt um mindestens 100 Euro angehoben werden. Doch ist das realistisch? Zwar versprechen SPD, FDP und Grüne mit dem neuen Bürgergeld einen neuen sozialpolitischen Aufschlag. Doch über die genaue Höhe der neuen Grundsicherung schwiegen sich die Unterhändler bislang aus. Ob dies Teil einer möglichen Koalitionsverhandlung werden wird, bleibt erst einmal abzuwarten. * kreiszeitung.de und 24hamburg.de sind ein Angebot von IPPEN.MEDIA.