Johnson sorgt in Großbritannien weiter für Wirbel: Ex-Premier bringt Sunak in die Bredouille
Vor dem britischen Regierungschef Rishi Sunak liegen große Aufgaben – und Probleme. Unerwartete neue Komplikationen könnte ihm Boris Johnson bereiten.
London – Als er aus dem Amt des Premierministers schied, ging Boris Johnson mit einem Knall. Die Personalie des britischen Regierungschefs und der Partygate-Skandal sorgten in Großbritannien über viele Monate für Wirbel. Damit ist aber noch immer nicht Schluss. Der Ex-Premier ist auch weit über seine Amtszeit hinaus für Spektakel bekannt. So erhält eine Liste von Kandidaten für Ehrungen, die Johnson eingereicht hat, aus mehreren Gründen besondere Aufmerksamkeit. Auch Rishi Sunak dürfte sie im eigenen Interesse mit einiger Besorgnis zur Kenntnis nehmen.
Rishi Sunak, Boris Johnsons „Resignation Honours“-Liste und der Fall von Daily-Mail Chef Paul Dacre
Es ist eines der letzten Rechte eines jeden Premierministers in Großbritannien bei Verlassen des Amtes: die Liste der „Resignation Honours“. Auf dieser Grundlage kann der amtierende Monarch oder die Monarchin um Ehrungen für bestimmte Personen gebeten werden, die Liste darf beliebig lang sein. Das Ersuchen bezieht sich auf Würdigungen mit einem Adelstitel oder geringeren Ehrungen für die entsprechenden Personen. Auch Boris Johnson hat eine solche Liste vorgelegt – und die hat es in sich.

Ein Name auf der Liste ist Paul Dacre, Chef der Tageszeitung Daily Mail. Es ist bereits Dacres zweite Nominierung durch Johnson: Die Ernennungskommission des House of Lords hatte laut Guardian beim erstem Mal Zweifel angemeldet, der Medienchef wurde abgelehnt. Sollte die Kommission erneut so entscheiden, ist es an Rishi Sunak: Übergeht er die Kommission, oder geht er das Risiko ein, es sich mit einem der „mächtigsten Zeitungsbosse Großbritanniens“, wie der Guardian Dacre nennt, zu verscherzen? Es droht ein Konflikt ohne Not.
Wie der Guardian berichtet, fällt Dacres Ringen um einen Adelstitel in eine Zeit, in der mehrere Prominente, darunter Elton John und Prinz Harry, der Zeitung illegale Methoden bei der Berichterstattung und Verletzung der Privatsphäre vorwerfen. Die Vorwürfe beziehen sich auch auf Dacres Zeit als Herausgeber. Bereits früher hatte Johnson versucht, den Medienchef an der Spitze der Medienaufsichtsbehörde Ofcom zu installieren – erfolglos.
Boris Johnsons „Resignation Honours“-Liste in der Kritik: Auch Vater Stanley soll Ritterschlag erhalten
Boris Johnsons „Resignation Honours“-Liste soll laut Times „erheblich länger“ als die seiner Vorgängerinnen und Vorgänger gewesen sein: Etwa hundert Personen hatten sich angeblich ursprünglich auf ihr befunden. Der Ex-Premier musste sie anschließend offenbar kürzen. Dabei sorgt noch eine weitere Nominierung für besonderes Aufsehen: Stanley Johnson – Boris Johnsons Vater. Gegen den ehemaligen Europaabgeordneten existieren Vorwürfe sexueller Übergriffigkeit und häuslicher Gewalt. Sunak steht wegen der Nominierung von Stanley Johnson unter Druck, die Liste abzulehnen.
Boris Johnson steht durch seinen Vorschlag indes abermals unter dem Verdacht der Vetternwirtschaft. Es ist nicht das erste Mal, dass der ehemalige Regierungschef es mit Familien-Angehörigen besonders gut meint: Bereits im Jahr 2020 hatte er seinen Bruder Jo Johnson für einen Sitz im House of Lords vorgeschlagen.
Ein ehemaliger Minister der Torys gegenüber dem Independent: „Die Idee von Sir Stanley wäre eine lächerliche Vetternwirtschaft, völlig unverdient. Das Problem mit Boris ist, dass er alles, was er anfasst, in Verruf bringt. Und jetzt diskreditiert er das gesamte Ehrensystem.“ Der ehemalige Premier bringt nicht nur sich selbst in die Bredouille, sondern auch seinen Nachfolger – der mögliche Konflikt kommt für die krisengeplagten Torys zur Unzeit. (Alexander Eser-Ruperti)