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Scholz-Machtwort gefordert: „Nachgiebigkeit ermuntert Putin zu weiteren Angriffen“

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Von: Jens Kiffmeier

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Er fiel als Scholz-Kritiker auf: Anton Hofreiter. Vor der Ukraine-Reise fordert der Grüne vom Kanzler klare Zusagen für Waffen und den EU-Beitritt.

Berlin – Plötzlich Parteirebell: Anton Hofreiter (Grüne) hat harte Wochen hinter sich. Nachdem er sich schon früh für die Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine im Kampf gegen Russland stark gemacht hatte, legte er sich mit dem deutschen Kanzler an. Olaf Scholz (SPD) sei zu zögerlich, wetterte der Grünen-Politiker. Warum die Bitte aus Kiew um deutsche Panzer ungehört blieb? „Das Problem liegt im Kanzleramt“, sagte Hofreiter und trat damit eine wochenlange Debatte los.

Ukraine-Krieg: Olaf Scholz trifft Wolodymyr Selenskyj – Grünen-Politiker Anton Hofreiter hofft auf klare Zusage zum EU-Beitritt

Der eine Satz reichte, um die Einigkeit der Ampel-Koalition im Ukraine-Krieg infrage zu stellen, den Kanzler Olaf Scholz in der internationalen Politik in Erklärungsnot zu bringen und sogar eine diplomatische Eiszeit zwischen Berlin und Kiew heraufzubeschwören. Denn seit Wochen prangert die ukrainische Regierung um Wolodymyr Selenskyj die mangelnde Unterstützung Deutschlands im Kampf gegen Russland und Wladimir Putin an. Der Satz von Hofreiter bestätigte diesen Eindruck. Doch der Grüne wich nicht zurück.

Fordert ein klares Zeichen der Stärke gegen Russlands Präsidenten Wladimir Putin: Grünen-Politiker Anton Hofreiter.
Fordert ein klares Zeichen der Stärke gegen Russlands Präsidenten Wladimir Putin: Grünen-Politiker Anton Hofreiter. © Yury Kochetkov/Michael Kappeler/dpa

Am Donnerstag reist Scholz nun nach Kiew. Die Reise wird mit Spannung erwartet. Kann der Kanzler die Wogen glätten? Es wird erwartet, dass nicht nur über schwere Waffen gesprochen wird, sondern auch über einen möglichen EU-Beitritt. Doch was erwartet Hofreiter von der Kanzler-Reise? Wird sie mehr Show sein, als konkreten Nutzen bringen? Zeit für ein Gespräch, in dem Hofreiter deutlich mehr Druck von Scholz auf Putin fordert:

Ukraine-Krieg: Hofreiter pocht vor Kanzler-Reise nach Kiew auf Kandidatenstatus für die EU

Die Erwartungen an die Kanzlerreise nach Kiew sind groß. Doch Scholz trat bislang zögerlich auf. Kommt am Ende doch nichts raus bei der Reise? 

Ich finde es gut, dass er nach Kiew fährt. Er sagt selber, dass er nicht nur zu einem Fototermin anreisen will. Deshalb gehe ich fest davon aus, dass der Kanzler sich an seine eigenen Versprechen halten wird.

Sprich: Er hat feste Zusagen für die Ukraine im Gepäck, wie mehr Waffen und einen schnellen EU-Beitritt?

Ich hoffe es. Er sollte klarmachen, dass die Ukraine einen Kandidatenstatus erhalten sollte. Das wäre eine sehr positive Entwicklung.

Der Konflikt mit Russland kann sich aber noch Monate, vielleicht auch Jahre hinziehen. Wie realistisch ist überhaupt derzeit ein EU-Beitritt für das Kriegsland?

Wichtig ist jetzt, dass die Ukraine den Kandidatenstatus bekommt – und zwar schnell. Aber es wird keinen Rabatt im Fahrplan geben. In der Ukraine ist man sich sehr bewusst darüber, dass der Beitritt ein aufwändiges Verfahren ist und dass noch viel im Land geleistet werden muss – was zum Beispiel Gesetzesanpassungen oder den Kampf gegen Korruption angeht.

EU-Beitritt der Ukraine: Wird Putin dadurch in die Ecke gedrängt? Hofreiter sagt Nein

Also steckt dahinter mehr Hinhaltetaktik als ein wirkliches Instrument, den Ukraine-Krieg einzudämmen? 

Für die Menschen in der Ukraine ist es ein sehr wichtiges Symbol. Ich glaube schon, dass der anvisierte Beitritt zumindest einen kleinen Beitrag dazu liefern kann, den Konflikt zu verkürzen. Putin und das Regime in Russland haben bislang immer nur auf harten Druck reagiert – und nicht auf Nachgeben.

Kritiker sagen, dass man Russland und Putin damit noch mehr in eine Ecke drängt und weitere Eskalationen in der Region provoziert.

Ich halte die umgekehrte Analyse für richtig. Putin startet den Angriff, weil er das alte russische Reich errichten will. Zu große Nachgiebigkeit und Verständnis in der Politik des Westens hat ihn zu dem Angriff eher ermutigt. Meine Sorge ist deshalb groß, dass Russland weitermachen und in der Republik Moldau Ärger machen könnte. Nur wenn wir jetzt die Ukraine stärken mit ausreichend Waffenlieferungen und weitere Sanktionen gegen Russland verhängen, sinkt die Wahrscheinlichkeit für eine weitere Eskalation

Bei den Waffenlieferungen zögert das Kanzleramt. Sie selber haben Scholz dafür kritisiert. Zuletzt bröckelte auch in der EU die Einheit beim Verhängen des Öl-Embargos. Ist eine härtere Gangart gegenüber Putin überhaupt organisierbar?

Beim Öl-Embargo war Ungarn das Problem. Doch unabhängig davon ist mein Eindruck, dass sich auf EU-Ebene die Auffassung durchsetzt, dass man deutlich mehr tun muss. Bei der Frage nach dem EU-Beitritt nehme ich eine starke Einigkeit war. Auch bei den Waffenlieferungen.

Waffenlieferung und Sanktionen: EU wird laut Grünen in der Ukraine-Frage geschlossen agieren

Was wären die notwendigen nächsten Schritte?

Die EU muss weitere ökonomische Unterstützung für die Ukraine organisieren und das nächste Sanktionspaket auf den Weg bringen, um zum Beispiel weitere russische Banken vom Swift-Abkommen auszuschließen. Und man sollte über den Vorschlag von Draghi nachdenken.

Die Idee halte ich für clever.

Anton Hofreiter über den Vorschlag, mit einem europäischen Einkaufskartell die Preise zu drücken.

Der italienische Ministerpräsident hat vorgeschlagen, beim Einkauf von Gas und Öl aus Russland eine Art europäisches Kartell zu bilden und dadurch die Preise zu deckeln.

Eine clevere Idee, wie ich finde. Für einige Länder bleibt der Import russischer Rohstoffe wichtig. So kann man verhindern, dass Putin den Hahn nicht komplett zudreht, gleichzeitig die Kriegskasse nicht unermesslich prall gefüllt wird.

Bekommt man in Deutschland dafür eine Mehrheit zusammen?

Deutschland ist weniger das Problem. Das muss man in Europa organisieren. 

Ukraine-Krieg: Bei Lieferung von Panzern hinkt Deutschland hinterher – Hofreiter fordert Genehmigung für Marder

Zuletzt hatten die EU-Länder der Ukraine viele Waffen versprochen, auch Deutschland. Angaben zufolge soll aber erst ein Zehntel davon im Krisengebiet eingetroffen sein. Was sagt das aus?

Wir müssen schneller werden. Die Ukraine braucht dringend Munition. Die droht in einigen Bereichen auszugehen. Und gepanzerter Fahrzeuge sowie Artillerie. Auch Deutschland kann da noch mehr tun. Es geht ja nicht nur um Lieferung aus Bundeswehrbeständen. Die Industrie kann auch helfen. Rheinmetall hat ja schon angekündigt, dass ein Teil der ausgemusterten Marder wieder einsatzbereit sind. Jetzt fehlt die Ausfuhrgenehmigung.

Erwartet im Ukraine-Krieg von Kanzler Scholz eine harte Gangart gegenüber Putin: Grünen-Politiker Anton Hofreiter, der im Bundestag am Rednerpult steht und energisch redet.
Erwartet im Ukraine-Krieg von Kanzler Scholz eine harte Gangart gegenüber Putin: Grünen-Politiker Anton Hofreiter. © Britta Pedersen/dpa

Wie sehr schmerzt es Sie als Grüner, schnelle Waffenlieferungen propagieren zu müssen? 

Alle Analysten sagen: Der Krieg endet, wenn die Ukraine so verteidigungsfähig ist, dass Russland den Eindruck hat, es lohnt sich nicht mehr. Die Wahrscheinlichkeit im Kampf gegen einen Aggressor erhöht sich, in dem man das Opfer unterstützt. Das gehört leider zur traurigen Wahrheit. Aber andere Fragen und Antworten werden dadurch nicht falsch

Wie meinen Sie das?

Waffen an Saudi-Arabien zu liefern, die dann zum Teil im Jemen-Konflikt eingesetzt werden, halte ich weiterhin für problematisch. Aber man muss genau hinschauen. Kaum ein Mensch hätte doch geglaubt, dass wir noch einmal einen klassischen, konventionellen Krieg mitten in Europa erleben müssen.

Herr Hofreiter, wir danken für das Gespräch.

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