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Baerbock im Russland-Dilemma: Wie umgehen mit Wladimir Putin?

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Von: Leonie Zimmermann

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Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne).
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne). © Maxim Shemetov/Pool Reuters/AP/dpa  

Was haben wir Wladimir Putin im Ukraine-Konflikt entgegenzusetzen? Außenministerin Annalena Baerbock fährt eine klare Linie – und rutscht damit in eine Zwickmühle.

Berlin – „Schicken wir deutsche Truppen in die Ukraine, Frau Außenministerin?“ Es sind Fragen wie diese, denen sich Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Bündnis90/Die Grünen) dieser Tage stellen muss. Zu einer klaren Antwort hat sich die Chef-Diplomatin bisher nicht durchgerungen – aber ihre vornehme Zurückhaltung spricht Bände. Die Frage ist nur: Was haben wir Russland dann entgegenzusetzen?

Name:Annalena Baerbock
Partei:Bündnis90/ Die Grünen
Position:Bundesaußenministerin

Ukraine-Konflikt: Deutschland nicht an militärischer Aktion interessiert

Deutschland ist im Ukraine-Konflikt genauso wie die meisten anderen Länder des Westens nicht an einer militärischen Aktion gegen Russland interessiert. Russland-Experten sind sich einig: Das wäre ohnehin die falsche Reaktion auf das Säbelrasseln des russischen „Zaren“. Das bedeutet allerdings auch, dass unsere Antworten auf die Provokation von Russlands Präsident Wladimir Putin recht spärlich ausfallen. 

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock trifft auf ihren russischen Amtskollegen Sergej Lawrow

Selbst nach dem durchaus beeindruckenden Auftritt von Annalena Baerbock in Moskau ist die Situation im Ukraine-Konflikt angespannt. Selbst die teils sehr deutlichen Worte der Außenministerin zu ihrem russischen Amtskollegen Sergej Lawrow blieben bisher folgenlos. Es scheint fast so, als fühle man sich in Russland unangreifbar. 

Baerbock appelliert an Russland, die Drohungen gegen die Ukraine einzustellen – Lawrow zeigt sich uneinsichtig. Baerbock bittet Russland, die Werte Europas einzuhalten – und bekommt höchstens ein müdes Lächeln. Baerbock warnt Putin vor wirtschaftlichen Sanktionen, sollte es zu weiteren Ausschreitungen kommen – Putin beharrt weiter auf seinen Forderungen. Lawrow nutzt die Gelegenheit, und droht mit Konsequenzen für deutsche Medien, sollte der Staatssender „RT DE“ in Deutschland nicht senden dürfen. Am Ende des Treffens ist nicht grundlos die Rede von „fundamentalen Meinungsverschiedenheiten“. Und trotzdem reicht Baerbock Russland die Hand zu Friedensgesprächen. 

Außenministerin Baerbock setzt im Umgang mit Russland auf diplomatisches Geschick

Zugegeben, viele andere Möglichkeiten zur Deeskalation sind der Außenministerin Baerbock im Umgang mit Russland auch nicht geblieben. Wladimir Putin ist unberechenbar und das höchste Ziel muss aktuell die Wahrung des Friedens an der Grenze zur Ukraine sein. Warum Putin rund 100.000 Soldaten mit Panzern und Schusswaffen dort stationiert hat, ist noch immer kaum nachvollziehbar. Gespräche sind also alternativlos – das sagte bereits Baerbocks Vorgänger Heiko Maas (SPD). 

Baerbock zahlt für ihr diplomatisches Geschick im Umgang mit dem russischen Zaren allerdings einen hohen Preis. Denn nicht nur innerhalb Europas herrscht große Uneinigkeit darüber, wie man mit Russlands fragwürdigen Aktivitäten umgehen sollte. Während Großbritannien der Ukraine – im Gegensatz zu Deutschland – Waffenlieferungen verspricht, steht die Außenministerin auch innenpolitisch im Fokus der Debatte. 

Annalena Baerbocks Besuch in Russland: Friedrich Merz (CDU) sagt „Nein“ zu wirtschaftlichen Sanktionen

Norbert Röttgen (CDU) etwa riet im Gespräch mit dem RedaktionsNetzwerk Deutschland entschieden davon ab, in der aktuellen Phase das „Abschreckungspotenzial gegenüber Russland vom Tisch zu nehmen“. Das einzige Mittel gegen Putins Machenschaften seien für ihn unkalkulierbare Folgen. Der designierte CDU-Parteichef Friedrich Merz hingegen erteilt möglichen Sanktionen mit dem Swift-Zahlungssystem eine klare Absage, bevor die überhaupt spruchreif waren.

FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann hingegen will das deutliche „Nein“ zum Waffenexport in die Ukraine überdenken. Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag sagte zur Bild-Zeitung: „Wir sollten über die Lieferung von Defensivwaffen an die Ukraine nachdenken.“ Eine Maßnahme, die Baerbock übrigens entschieden ablehnt. 

SPD zu Russland und Nord Stream 2: Generalsekretär Kevin Kühnert wirbt für Gaspipeline

Das größte Dilemma hinsichtlich der deutschen Russland-Politik findet sich allerdings direkt im Herzen der Bundesregierung: in der SPD. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ist bei weitem nicht der einzige Sozialdemokrat in der Politik, der sich mit einer harten Linie gegen Russland schwertut. Auch SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert sprach sich erst kürzlich für ein verständnisvolles Miteinander und die gemeinsame Gas-Pipeline Nord Stream 2 aus. 

Das gemeinsame Bauprojekt ist allerdings so ziemlich das einzige große – und ernstzunehmende – Druckmittel, das Deutschland aktuell gegen Russland in der Hand hat. Denn im Kreml weiß man, dass Deutschland und ganz Europa wohl kaum militärische Gewalt einsetzen werden, um die Ukraine vor einem russischen Angriff zu schützen. Der Westen setzt hier vielmehr auf diplomatisches Geschick und wirtschaftliche Maßnahmen. 

Annalena Baerbock und die Russland-Agenda: Zerreißprobe oder Chance für die Außenministerin

Ob es Baerbock gelingt, die außenpolitische Krise wieder in die richtige Bahn zu lenken, wird sich zeigen. Auf Rückendeckung aus dem Kanzleramt kann sie dabei vermutlich nur setzen, wenn sie sanfte Töne anschlägt. Denn Kanzler Scholz setzt in der Russland-Frage eher auf Bitten, statt auf Durchgreifen. Entsprechend unbeeindruckt zeigte sich Putin von der jüngsten Androhung „hoher Kosten“ im Falle eines Angriffes auf die Ukraine. Baerbock hat bei ihrem Antrittsbesuch in Moskau diplomatisches Geschick und eine beeindruckende Unerschrockenheit bewiesen. Trotzdem scheint es fast so, als habe Wladimir Putin durch sein undurchschaubares Handeln die Fäden in der Hand. 

Baerbocks Aufgabe wird es nun sein, die Interessen Deutschlands mit denen unserer Nachbarländer in Einklang zu bringen. Und ganz nebenbei muss die Chef-Diplomatin dabei noch die Erwartungen ihrer Kollegen in der Bundesregierung erfüllen und die Belange des Bundeskanzlers berücksichtigen. Eine leichte Aufgabe wird das gewiss nicht, aber sie bietet der ambitionierten Grünen-Politikerin auch die Chance, ihre feministische Außenpolitik durch diplomatische Erfolge salonfähig zu machen. * kreiszeitung.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA.

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